China sieht sich jetzt als Supermacht
Seite 2: Besorgter Westen: globale Konkurrenz
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Sieben Jahrzehnte später steht China wieder im Mittelpunkt des Weltgeschehens. Eine gute Nachricht für die einen. Eine schreckliche Nachricht für andere.
In dem am 22. Oktober veröffentlichten Dokument zur Nationalen Sicherheitsstrategie 2022 der USA wird China als "der einzige Konkurrent" beschrieben, "der sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung neu zu gestalten, als auch in zunehmendem Maße über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht dazu verfügt".
Die Position der USA ist keineswegs überraschend, denn der Westen definiert seine Beziehungen zu Peking nach wie vor auf der Grundlage eines kolonialen Erbes, das sich über Hunderte von Jahren erstreckt.
Für den Westen ist der Wiederaufstieg Chinas problematisch, nicht wegen seiner Menschenrechtsbilanz, sondern wegen seines wachsenden Anteils an der Weltwirtschaft, der im Jahr 2021 18,56 Prozent betrug. Diese wirtschaftliche Macht, gepaart mit wachsendem militärischen Fähigkeiten, bedeutet de facto, dass Peking bald in der Lage sein wird, die politischen Ergebnisse in seinem anwachsenden Einflussbereich im pazifischen Raum und auch weltweit zu diktieren.
Die Ironie an all dem ist, dass es einmal China war, das zusammen mit dem größten Teil Asiens und des globalen Südens in Einflusssphären aufgeteilt wurde. Die Tatsache, dass Peking ein eigenes Gegenstück zur geopolitischen Dominanz des Westens schafft, muss für die westlichen Regierungen ziemlich beunruhigend sein.
Viele Jahre lang haben die westlichen Mächte die Menschenrechtslage in China als moralische Grundlage für ihre Einmischung benutzt. Die angebliche Verteidigung der Menschenrechte und das Eintreten für die Demokratie waren in der Vergangenheit bequeme westliche Instrumente, die eine ethische Grundlage für Interventionen boten. Im chinesischen Kontext beruhte die Acht-Nationen-Allianz, die den Boxeraufstand niederschlug, auf ähnlichen Prinzipien.
Diese Farce wird bis heute fortgesetzt, wobei die Verteidigung Taiwans und die Rechte der Uiguren und anderer Minderheiten ganz oben auf der Tagesordnung der USA und des Westens stehen.
Natürlich haben die Menschenrechte nur sehr wenig mit der Haltung der USA und des Westens gegenüber China zu tun. Genauso wenig wie "Menschenrechte" und "Demokratie" der Grund für die US-amerikanisch-westliche Invasion in den Irak im Jahr 2003 waren.
Der Unterschied zwischen dem Irak, einem isolierten und geschwächten arabischen Land auf dem Höhepunkt der amerikanischen Militärdominanz im Nahen Osten, und dem heutigen China ist gewaltig. Letzteres ist das Rückgrat der Weltwirtschaft. Seine militärische Macht und seine wachsende geopolitische Bedeutung werden sich nur schwer – wenn überhaupt – eindämmen lassen.
Tatsächlich deuten die Äußerungen aus Washington darauf hin, dass die USA erste Schritte unternehmen, um Chinas unvermeidlichen Aufstieg als globalen Konkurrenten anzuerkennen. Vor seinem Treffen mit Präsident Xi am 15. November in Indonesien erkannte Biden schließlich, wenn auch subtil, die unbestreitbare neue Realität an, als er sagte:
Wir werden heftig miteinander konkurrieren, aber ich suche nicht den Konflikt. Mir geht es darum, diesen Wettbewerb verantwortungsbewusst zu gestalten.
Xis Verhalten gegenüber Trudeau auf dem G20-Gipfel kann als eine weitere Episode von Chinas sogenannter "Wolfsdiplomatie" gelesen werden. Die dramatische Szene – die Worte, die Körpersprache und die subtilen Nuancen – deutet jedoch darauf hin, dass China sich nicht nur als weltweit wichtig einschätzt und Respekt verlangt, sondern auch als Supermacht sieht.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Common Dreams. Übersetzung: David Goeßmann.
Ramzy Baroud ist Journalist und Herausgeber der Palestine Chronicle. Er ist der Autor von fünf Büchern. Sein neuestes ist "These Chains Will Be Broken: Palestinian Stories of Struggle and Defiance in Israeli Prisons". Dr. Baroud ist Non-Resident Senior Research Fellow am Center for Islam and Global Affairs (CIGA) der Istanbul Zaim University (IZU). Seine Homepage ist: www.ramzybaroud.net.