China und Indien verkünden "Fünf-Punkte-Konsens" im Grenzkonflikt

Raufhändel mit Todesfolgen in Ladakh. Screenshot: TP

Die Außenminister der beiden asiatischen Riesenstaaten haben vereinbart, dass ihre Grenzsoldaten künftig einen "angemessenen Abstand" voneinander einhalten sollen

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Der chinesische Außenminister Wang Yi und dessen indischer Amtskollege Subrahmanyam Jaishankar haben sich am Rande des Treffens der Shanghai Kooperationsorganisation SCO in Moskau auf einen Fünf-Punkte-Konsens geeinigt, der verhindern soll, dass der Grenzkonflikt zwischen den beiden Ländern eskaliert. Die Übereinkunft sieht vor, dass sich die beiden asiatischen Atommächte an alte Vereinbarungen halten und alles vermeiden, was zu einer Eskalation führen könnte.

"Angemessener Abstand"

Außerdem sollen sich die Grenzstreitkräfte Indiens und Chinas im Himalaya "schnell voneinander entfernen" und einen "angemessenen Abstand" voneinander einhalten. Anschließend sollen Gespräche über speziell dafür eingerichtete Kanäle dafür sorgen, dass sich die Situation beruhigt. Darüber hinaus strebt man "neue vertrauensbildende Maßnahmen" an. Wang Yi kommentierte den Konsens gegenüber der öffentlich-rechtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua mit der Bemerkung, man sei sich einig, dass diese Situation weder im Interesse Chinas noch im Interesse Indiens ist. Was China und Indien jetzt bräuchten, sei "Kooperation, nicht Konfrontation, sowie gegenseitiges Vertrauen, nicht Argwohn".

Zu Beginn der Woche waren in der Nähe des Pangong Tso, eines Sees in der umstrittenen Region Ladakh, das erste Mal seit fast 45 Jahren wieder Schüsse gefallen. Den Chinesen zufolge reagierte man mit Warnschüsse auf das Überschreiten einer Demarkationslinie durch indische Soldaten, die außerdem selbst Schüsse in die Luft abgegeben hätten. Sich nähernde chinesischen Truppen, denen diese Warnschüsse galten, hätten lediglich vermitteln wollen. Die englischsprachige KPCh-Zeitung Global Times warnte Indien darauf hin "ernstlich" vor einem "Handstand auf einer steilen Felskante" einer "neuen Ära des Blutvergießens".

"Reif" und "verantwortungsbewusst"

Das indische Verteidigungsministerium bestritt sowohl ein Überschreiten der Demarkationslinie als auch die Abgabe von Schüssen durch indische Soldaten und sprach stattdessen von chinesischen Provokationen: Seiner Schilderung nach näherten sich chinesische Soldaten einem indischen Stützpunkt an der Demarkationslinie und versuchten dann, mit Schüssen indische Soldaten zu erschrecken. Die hätten jedoch "auf eine reife und verantwortungsbewusste Art" mit "großer Zurückhaltung" reagiert.

Drei Monate davor hatte es in Ladakh die tödlichsten indisch-chinesischen Grenzauseinandersetzungen seit Jahrzehnten gegeben. Weil man den dort stationierten Soldaten keine Schusswaffen mitgegeben hatte, um nicht versehentlich Konflikte eskalieren zu lassen, wurden sie mit Knüppeln und Felsbrocken geführt, wie ein am Mittwoch aufgetauchtes (und der South China Morning Post nach authentisches) Video zeigt, in dem eine chinesische Flagge eine Rolle zu spielen scheint. Die indischen und chinesischen Soldaten brachten es asiatischen Medienberichten nach aber auch mit primitiven Waffen auf mindestens 20 Tote, wobei die genauen Zahlen ähnlich stark variieren wie die Schilderungen der Abläufe.

"Diamantenhalsband" gegen "Perlenschnur

Der Grenzstreit zwischen Indien und China betrifft insgesamt vier Territorien. Drei davon gehörten früher zum ehemaligen Fürstentum Kaschmir: Das bis 1962 von Islamabad aus verwaltete Shaksgam-Tal sowie die bis dahin indischen Gebiete Demchok und Aksai-Chin. Ein viertes umstrittenes Gebiet, das mehrheitlich von Nyishi- und Adi-Stämmen bewohnte Arunachal Pradesh, ist ein östlich von Buthan gelegener indischer Bundesstaat, der von Peking als ehemaliger Teil Tibets beansprucht wird.

Die Ursachen für Spannungen zwischen Indien und China liegen aber nicht nur im Hochgebirge, sondern auch auf dem Meer: Dort knüpft die Volksrepublik den Befürchtungen indischer Politiker nach eine "Perlenschnur" an Stützpunkten, die Indien über Sri Lanka, die Maldiven, Pakistan und Dschibouti vom Meer aus einkesselt. Dieser Perlenschnur will die indische Regierung ein "Diamantenhalsband" entgegensetzen, das vom Marinestützpunkt Changi in Singapur bis zum Hafen Duqm im Oman reicht (vgl. Indien sucht Kampfjets für Flugzeugträger).

Außerdem schloss die ehemalige britische Kolonie gestern ein militärisches Kooperationsabkommen mit Japan, das eine gegenseitige logistische und materielle Unterstützung bei Manövern und Operationen vorsieht. Auch Japan hat ein eher gespanntes Verhältnis zu China, was einerseits an der Geschichte und andererseits an einem Territorialstreit um die Senkaku- beziehungsweise Diaoyu-Inseln im ostchinesischen Meer liegt.

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