China und Taiwan: Wer ist "gut", wer "böse"?

Seite 2: Ein asiatischer Tiger

Ökonomisch war es in der Folge ein gewisser Treppenwitz der Geschichte, dass die Kuomintang-Partei auf der Insel eine Landreform durchführte (ab 1953) - also das, was sie den Bauern auf dem Festland über Jahrzehnte verweigert hatte, weil ihre Mitglieder selbst meist Grundbesitzer waren.

Nun waren allerdings nicht diese betroffen, sondern die japanischen Grundbesitzer, und so konnte eine zügige Reform durchgeführt werden, die danach den Aufbau einer erfolgreichen Cash-crop-Agrarwirtschaft als erstem Standbein der taiwanesischen Exportwirtschaft ermöglichte.

Unterstützt von geostrategisch motivierten US-Subventionen und mithilfe einer staatlich geförderten Industrialisierung arbeitete sich Taiwan über den Export von Textilien, Schuhen und Spielzeug hoch zu Elektronik-Artikeln und galt in den 1980er-Jahren als einer der vier asiatischen Tiger.

Nach Maos Tod 1976 beschloss die Kommunistische Partei Chinas, sich gegenüber dem Westen zu öffnen und in ihren "Sonderwirtschaftszonen" ausländisches Kapital zuzulassen.1 Das stellte gerade in der erfolgreichen Aufschwung-Phase ein Angebot erster Güteklasse für taiwanesisches Unternehmen dar, denn sowohl Territorium wie Bevölkerungszahl der Insel setzten ihrer Akkumulation Grenzen.

Eine Expansion in die (Sonder-)Wirtschaftszonen des gegenüberliegenden südchinesischen Festlandes kam da sehr gelegen – insofern kein Wunder, dass Taiwan eines der Länder mit den größten ausländischen Direktinvestitionen in die Volksrepublik ist, Schätzungen zufolge an die 170 Milliarden US-Dollar. Mit seinen riesigen Fabriken in Südchina wurde Taiwan zu einem der großen Weltmarkt-Hersteller von Laptops, Tablets und Smartphones und führend in IT- wie Halbleiter-Technik.

"Ping-Pong-Politik" der USA und Taiwan und China

Politisch sah die Entwicklung aus taiwanesischer Sicht nicht so rosig aus. Anfang der 1970er-Jahre kam es überraschend zur Annäherung zwischen der Volksrepublik und den Vereinigten Staaten im Zuge der "Ping-Pong-Politik".2

Dazu gehörte auch eine Vereinbarung über die unterschiedlichen Standpunkte beider Mächte in der Taiwan-Frage: Die USA erkannten im ersten Shanghai-Kommuniqué von 1972 das "eine China" als Heimat der Völker auf beiden Seiten der Taiwanstraße an und versprach einen Rückzug seiner Truppen und eine Förderung der Wiedervereinigung.

In zwei weiteren Kommuniqués (1979 und 1982) sicherten die USA der VR China darüber hinaus zu, ihre Waffenlieferungen an Taiwan nicht nur nicht weiter zu erhöhen, sondern deutlich einzuschränken sowie Taiwan diplomatisch als "Nicht-Staat" zu behandeln, was kurz darauf die Entfernung Taiwans aus vielen internationalen Organisationen nach sich zog.

In der UNO war dies bereits geschehen: 1971 hatte Albanien den entsprechenden Antrag gestellt und mit Blick auf ihre diplomatischen Ränkespiele hatten die USA dem nicht, wie zuvor üblich, widersprochen. Mit wachsender ökonomischer Bedeutung konnte die Volksrepublik Taiwan mit ihrer Variante der "Hallstein-Doktrin"3 in den folgenden Jahren immer weiter isolieren: Heute erkennen nur noch 14 Staaten, darunter der Vatikan-Staat, Taiwan an.

Mit ihren Zusagen schafften es die USA, diplomatische Beziehungen zu China aufzunehmen (die es bis dahin nicht gegeben hatte) und China aus dem sozialistischen Lager zu lösen. Auf dieser Basis konnten sie die Sowjetunion fortan militärisch und rüstungspolitisch stärker unter Druck setzen. Das war der Anfang vom Ende des sozialistischen Blocks.