China vs. USA: Beijings Aufstieg zur einzigen Supermacht im Reich der Produktion

Geschäftsmann vor chinesischer und US-Flagge. Bild: Marco Verch / CC BY 2.0 Deed

Sein Volumen übertrifft das der neun folgenden Hersteller zusammen. Die Industriestaaten dümpeln. Warum westliche Ökonomen trotzdem nörgeln. Gastbeitrag.

Laut der ersten Schätzung des realen BIP für das vierte Quartal, die letzte Woche veröffentlicht wurde, wuchs die US-Wirtschaft im Jahr 2023 um 2,5 Prozent gegenüber 2022.

Michael Roberts hat über 40 Jahre lang als Ökonom in der Londoner City gearbeitet und ist Autor zahlreicher Bücher.

Das wurde von den westlichen Mainstream-Ökonomen mit Begeisterung aufgenommen – die USA sind auf dem Vormarsch und die "Rezessionsprognostiker" haben sich gründlich getäuscht. Zu Beginn der Woche wurde bekannt gegeben, dass die chinesische Wirtschaft im Jahr 2023 um 5,2 Prozent wuchs.

Totaler Fehlschlag vs. Boom

Im Gegensatz zu den USA wurde das von westlichen Mainstream-Ökonomen als totaler Fehlschlag abgetan (wobei China wahrscheinlich ohnehin gefälschte Daten verwendet), wobei es zeige, dass China in großen Schwierigkeiten steckt. China wächst also doppelt so schnell wie die USA, die mit Abstand leistungsstärkste G7-Wirtschaft, aber China ist der "Versager", während die USA "boomen".

Westliche Ökonomen argumentieren weiterhin, dass die chinesische Wirtschaft den Bach heruntergeht. Ich habe dieses bekannte Argument bereits mehrfach widerlegt. Das liegt nicht daran, dass ich das sogenannte "kommunistische" Parteiregime bedingungslos unterstütze – im Gegenteil.

Es liegt daran, dass die westliche Kritik sachlich nicht korrekt ist – und auch daran, dass das Ziel dieser Kritik darin besteht, die vorherrschende Rolle des chinesischen Staatssektors und seine Fähigkeit, Investitionen und Produktion aufrechtzuerhalten, herunterzuspielen.

Beinahe-Pleiten im Westen

Die Kritik zielt darauf ab, von der Realität abzulenken, dass die westlichen kapitalistischen Volkswirtschaften (mit Ausnahme der USA, wie es scheint) in Stagnation und Beinahe-Pleite dümpeln.

Schauen wird uns diese Aussage als Beispiel für die westliche Sichtweise auf China an:

Das chinesische Wirtschaftsmodell hat endgültig den Geist aufgegeben und eine schmerzhafte Umstrukturierung ist erforderlich.

Realitätscheck: Wachstumsraten

Betrachtet man die Wachstumsrate der USA für die Jahre 2020 bis 2023 und vergleicht sie mit der durchschnittlichen Wachstumsrate zwischen 2010 und 2019, so zeigt sich, dass selbst die US-Wirtschaft unterdurchschnittlich abschneidet. In den 2010er-Jahren lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des realen BIP in den USA bei 2,25 Prozent; in den 2020er-Jahren liegt sie bisher bei durchschnittlich 1,9 Prozent pro Jahr.

Vergleicht man Chinas Wachstumsrate von 5,2 Prozent mit dem Rest der großen Volkswirtschaften, so ist der Abstand noch größer als zu den USA. Japan wuchs im Jahr 2023 um 1,5 Prozent, Frankreich um 0,6 Prozent, Kanada um 0,4 Prozent, das Vereinigte Königreich um 0,3 Prozent, Italien um 0,1 Prozent und Deutschland schrumpfte um -0,4 Prozent.

Selbst im Vergleich zu den meisten der großen sogenannten Schwellenländer war die Wachstumsrate Chinas viel höher. Brasiliens Wachstumsrate liegt derzeit bei zwei Prozent im Jahresvergleich, Mexiko bei 3,3 Prozent, Indonesien bei 4,9 Prozent, Taiwan bei 2,3 Prozent und Korea bei 1,4 Prozent.

Fälschungen?

Nur Indien mit 7,6 Prozent und die Kriegswirtschaft Russlands mit 5,5 Prozent sind höher (von den großen Volkswirtschaften).

Es wird immer wieder versucht, die offiziellen Statistiken der chinesischen Behörden in den Schmutz zu ziehen, insbesondere die Wachstumszahlen. Ich habe die Stichhaltigkeit dieser Kritik bereits in früheren Beiträgen erörtert.

Aber das derzeitige Argument lautet, dass die chinesischen BIP-Zahlen gefälscht sind, und wenn man andere Methoden zur Messung der Wirtschaftstätigkeit wie die Strom- oder Stahlerzeugung oder den Verkehr auf den Straßen und in den Häfen heranzieht, ergibt sich eine viel niedrigere Wachstumszahl.

Chinas und Indiens Messungen

Aber selbst wenn man die Wachstumsrate um, sagen wir, ein Drittel reduzieren würde, wäre die Rate immer noch doppelt so hoch wie in den meisten fortgeschrittenen kapitalistischen Volkswirtschaften und höher als in der Mehrheit der anderen Ökonomien. Und wir sprechen hier von einem Wirtschaftsriesen, nicht von einer winzigen Insel wie Hongkong oder Taiwan.

Die Zahlen Indiens sind unter westlichen Ökonomen ebenso umstritten wie die Chinas. Im Jahr 2015 gab das indische Statistikamt plötzlich revidierte Zahlen für das BIP bekannt.

Dadurch stieg das BIP-Wachstum über Nacht um mehr als zwei Prozentpunkte pro Jahr. Das nominale Wachstum der nationalen Produktion wurde durch einen Preis-Deflator (Herausrechnungen der Preisschwankungen, um rein das Volumen der Produktion zu erfassen), der auf den Produktionspreisen des Großhandels und nicht auf den Verbraucherpreisen in den Geschäften basierte, in reale Werte "deflationiert", sodass die reale BIP-Zahl um einiges anstieg.

Industrieproduktion besserer Indikator

Außerdem wurden die BIP-Zahlen nicht "saisonbereinigt", um etwaige Änderungen der Anzahl der Tage in einem Monat oder Quartal oder des Wetters usw. zu berücksichtigen. Eine Saisonbereinigung hätte gezeigt, dass das reale BIP-Wachstum Indiens deutlich unter den offiziellen Zahlen liegt.

Ein besserer Maßstab für das Wachstum sind die Daten zur Industrieproduktion. Und die befindet sich in Indien bei nur 2,4 Prozent im Jahresvergleich, während die Rate in China bei 6,8 Prozent liegt.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht sogar davon aus, dass China in diesem Jahr um 4,6 Prozent wachsen wird, während die kapitalistischen G7-Länder mit Glück 1,5 Prozent erreichen werden, wobei einige wahrscheinlich sogar in eine echte Rezession geraten werden. Wenn die IWF-Prognosen bis 2027 zutreffen, wird sich die Wachstumslücke noch vergrößern.

Verdopplung des BIP in zehn Jahren

Sollte die chinesische Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren weiterhin um 4-5 Prozent pro Jahr wachsen, wird sie ihr BIP verdoppeln – und bei sinkender Bevölkerungszahl ihr Pro-Kopf-BIP sogar noch weiter steigern, wie John Ross feststellte.

Um Chinas Ziel einer Verdopplung des BIP zwischen 2020 und 2035 zu erreichen, müsste das Land eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 4,7 Prozent erreichen. Bislang hat China seit 2020 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 5,5 Prozent erreicht – mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg des Pro-Kopf-BIP von 5,6 Prozent. Um sein Ziel für 2035 zu erreichen, hätte Chinas BIP-Wachstum ab 2020 insgesamt 15,5 Prozent betragen müssen; tatsächlich erreichte es 17,7 Prozent.

Das U.S. Congressional Budget Office, das die offiziellen Wirtschaftsprognosen für die Politik der US-Regierung erstellt, geht davon aus, dass die US-Wirtschaft bis 2033 jährlich um 1,8 Prozent und ab dann um 1,4 Prozent wachsen wird. Selbst wenn die höhere jährliche Wachstumsrate erreicht wird, würde die US-Wirtschaft zwischen 2020 und 2035 nur um 39 Prozent wachsen, während China um 100 Prozent zulegt. Das heißt, Chinas Wachstum wäre mehr als zweieinhalb Mal so schnell wie das der USA.

Westliche Ökonomen gehen jedoch davon aus, dass dieses Ziel nicht erreicht werden kann. Erstens argumentieren sie, dass Chinas Erwerbsbevölkerung schnell schrumpft und es daher nicht genug billige Arbeitskräfte geben wird, um die Produktion zu steigern.

Produktivität

Eine höhere Produktion hängt jedoch nicht nur von einem Anstieg der Erwerbsbevölkerung ab, sondern noch mehr von einer höheren Produktivität dieser Arbeitskräfte. Wie ich in früheren Beiträgen gezeigt habe, gibt es guten Grund zu der Annahme, dass Chinas Arbeitsproduktivität ausreichend steigen wird, um einen Rückgang der Zahl der Arbeitskräfte zu kompensieren.

Zweitens ist es westlicher Konsens, dass China in einer enormen Verschuldungskrise steckt, insbesondere bei den lokalen Regierungen und Immobilienentwicklern. Das werde schließlich zu Konkursen und einem Schuldenschnitt führen oder bestenfalls die Zentralregierung dazu zwingen, die Ersparnisse der chinesischen Haushalte aufzulösen, um für diese Verluste aufzukommen, und so das Wachstum zunichtemachen.

Diese Ökonomen scheinen jedes Jahr einen Schuldenschnitt zu prognostizieren, aber es gab keinen systemischen Zusammenbruch im Bankensektor oder im Nicht-Finanzsektor.

Die einzige verarbeitende Supermacht der Welt

Stattdessen hat der staatliche Sektor seine Investitionen erhöht und die Regierung hat die Infrastruktur ausgebaut, um einen etwaigen Abschwung auf dem überschuldeten Immobilienmarkt zu kompensieren. Tatsächlich ist es der kapitalistische Sektor Chinas (der meist in unproduktiven Gebieten angesiedelt ist), der in Schwierigkeiten steckt, während Chinas massiver staatlicher Sektor die Führung bei der wirtschaftlichen Erholung übernimmt.

Die Realität sieht so aus, dass China in den produktiven Sektoren der Welt, z. B. im verarbeitenden Gewerbe, weiterhin führend ist. China ist jetzt die einzige verarbeitende Supermacht der Welt.

Seine Produktion übertrifft die der neun nächstgrößeren Hersteller zusammen. Die USA brauchten fast ein ganzes Jahrhundert, um an die Spitze zu gelangen. China brauchte etwa 15 bis 20 Jahre.

Anstieg der Exporte

Im Jahr 1995 betrug der Anteil Chinas an den weltweiten Exporten des verarbeitenden Gewerbes gerade einmal drei Prozent. 2020 wird sein Anteil auf 20 Prozent gestiegen sein.

China wird nicht dadurch in die Enge getrieben, dass sich die USA bei Investitionen in und ihre Nachfrage von chinesischen Waren "abkoppeln", vielmehr sind die USA stärker von chinesischen Exporten abhängig als umgekehrt.

China hat noch einen weiten Weg vor sich, um die kombinierte Wirtschaftskraft der imperialistischen Volkswirtschaften zu übertreffen, aber es schließt die Lücke. Das ist es, was den USA und ihren Verbündeten Sorgen bereitet.

Aber, so die westlichen Wirtschaftswissenschaftler, sei Chinas Fokus auf die verarbeitende Produktion und Investitionen in Infrastruktur und Technologie gegenüber der Steigerung des Konsums der privaten Haushalte das falsche Modell für ökonomische Entwicklung.

Produktion vs. Konsum

Nach der neoklassischen (und keynesianischen) Theorie ist es der Konsum, der das Wachstum antreibt, nicht die Investitionen. China muss also seinen zu großen Staatssektor auflösen, die Steuern für Privatunternehmen senken und deregulieren, damit der Privatsektor den Verkauf von Konsumgütern ausweiten kann.

Aber hat der hohe Konsumanteil in den westlichen Volkswirtschaften zu einem schnelleren realen BIP- und Produktivitätswachstum geführt, oder eher zu Immobilienpleiten und Bankenkrisen?

Und ist es nicht eigentlich so, dass stärker auf die Produktion ausgerichtete Investitionen das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung und damit die Löhne und Ausgaben ankurbeln und nicht umgekehrt?

Das ist die Erfahrung der letzten 30 Jahre in China, wo hohes Wachstum und hohe Investitionen zu steigenden Löhnen und Verbraucherausgaben führten.

Wir werden im Laufe dieses Jahres sehen, wer in Bezug auf China recht hat.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem Magazin Brave New Europe. Hier finden Sie das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Michael Roberts hat über 40 Jahre lang als Ökonom in der Londoner City gearbeitet. Er hat die Machenschaften des globalen Kapitalismus von dort aus analysiert. Seit seiner Pensionierung hat er mehrere Bücher geschrieben. "The Great Recession - a Marxist view" (2009); "The Long Depression" (2016); "Marx 200: A review of Marx's economics" (2018): und gemeinsam mit Guglielmo Carchedi als Herausgeber "World in Crisis" (2018). Er hat zahlreiche Beiträge in einer Reihe von akademischen Wirtschaftszeitschriften und Artikel in linken Publikationen veröffentlicht.