CoVid-19 und Tourismus in Griechenland

Bild: Wassilis Aswestopoulos

Zwei Wochen voller Widersprüche

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit zwei Wochen läuft die aktuelle Tourismussaison in Griechenland. Internationale Flüge bringen Urlauber ins Land. Die Landgrenze zu Bulgarien ist für Touristen geöffnet. Die ersten beiden Wochen brachten eher schlechte Nachrichten. An vielen Orten blieben die Touristen aus. Vor allem unter der Woche warten Kellnerinnen und Kellner in Tavernen eine gefühlte Ewigkeit auf Kundschaft. Gleichzeitig zeigt sich, wie widersprüchlich die Maßnahmen der griechischen Regierung sind.

Die Infektionszahlen in Griechenland steigen an

Trotz steigender Infektionszahlen, und obwohl die gerade erst erlaubten Volksfeste erneut verboten wurden, dürfen seit Mittwoch auch Touristen aus dem Vereinigten Königreich nach Griechenland reisen. Flüge aus Schweden sollen ebenfalls folgen. Über eine Öffnung der Flughäfen für Reisende aus den Vereinigten Staaten für Ende Juli wird laut offizieller Verlautbarung "nachgedacht". Ab August soll es wieder Kreuzfahrten rund um Griechenland geben. Die Asylbewerber in den Lagern auf den Inseln leben weiterhin unter schärfsten Quarantänebedingungen.

Auf der anderen Seite hat der griechische Basketballverband EOK für die kommende Saison 2020/21 bestimmt, dass in Griechenlands zweiter Profiliga, der A2, wegen CoVid19 nur Griechen und keine ausländischen Spieler, und auch keine EU-Staatsangehörigen eingesetzt werden dürfen.

Vor wenigen Tagen erst wurde die Maskenpflicht in großen Einkaufsmalls abgeschafft, nun ist, seitens der Epidemiologen, wieder eine allgemeine Maskenpflicht für alle geschlossenen Räume im Gespräch.

Am gleichen Tag, an dem die traditionellen Panigyroi, open air Tanzveranstaltungen mit Live-Musik und Essen, verboten wurden, wurde die Begrenzung von sechs Personen pro Tisch in Restaurants aufgehoben.

Die griechische Regierung führt bislang weiterhin ihre Politik der zahlenmäßig begrenzten Tests fort. Daher werden viele Infektionen nur dadurch bekannt, dass sich die Patienten aus eigenem Antrieb an den staatlichen Gesundheitsdienst EODY wenden. Dieser veröffentlicht weiterhin täglich die Testergebnisse. Vor der Öffnung des Landes für den Tourismus, am 1. Juli, lagen die Infektionszahlen überwiegend im einstelligen Bereich. Seitdem Touristen ins Land kommen, sind zweistellige Infektionszahlen die Regel.

Gesundheitsminister Vasilis Kikilias schließt einen erneuten, landesweiten Lockdown aus. Lokale Maßnahmen dieser Art seien aber durchaus im Bereich des Möglichen, ließ er wissen. Für die Regierung sind Bürger und Touristen persönlich verantwortlich, die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern.

Verschärfung der Maßnahmen an der Landgrenze

Seit vergangenem Mittwoch müssen Reisende, die über den Landweg nach Griechenland kommen, bei der Einreise einen negativen Testbescheid über einen CoVid-19-Test vorlegen. Dieser Test muss von einem staatlichen, oder einem staatlich lizensierten Labor durchgeführt worden sein. Darüber hinaus muss im verpflichtend auf Englisch vorliegenden Testbericht die Ausweisnummer oder die Passnummer des Getesteten verzeichnet sein. Außerdem sollen die Touristen dann bei Grenzübertritt alle noch einmal getestet werden, erklärte Gesundheitsminister Vasilis Kikilias am Dienstag in einem Interview im Sender Ant1.

Am Mittwoch wurden infolge der neuen Regel erheblich weniger Einreisende am Grenzübergang Promachona registriert. Serben dürfen momentan nicht mehr nach Griechenland einreisen. Grund für diese Verschärfung ist ein Anstieg der Infektionen in Serbien. Dieser hat sich auch bei serbischen Touristen in Griechenland gezeigt. Die strengen Vorschriften für die Form der Testergebnisse wurden nötig, weil findige Geschäftemacher an der Grenze gegen einen Obolus von bis zu 40 Euro gefälschte Testergebnisse an Interessenten verkauften.

Allerdings ist die Regelung, wie so viele der Maßnahmen der griechischen Regierung gegen die Ausbreitung der CoVid-19-Pandemie nicht konsequent. So können Bewohner Serbiens, oder Durchreisende durch Serbien weiterhin einreisen, wenn sie die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzen. Zudem können griechische Staatsbürger und auch Personen mit griechischem Migrationshintergrund ungeachtet der Maßnahmen einreisen.

Es wird zudem darüber nachgedacht, so berichten die Medien, dass Saisonarbeiter aus den Nachbarländern ebenfalls getestet werden sollen. Aus den Nachrichten geht nicht hervor, ob und wie die Saisonarbeiter bislang epidemiologisch erfasst wurden.

Die für Touristen gesperrten übrigen Grenzübergänge des Landes sind für Griechen weiterhin passierbar. Dies führt zum Paradoxon, dass an Griechenlands verkehrstechnisch größtem Grenzübergang beim Dorf Evzonoi (nahe dem Grenzübergang für den Zugverkehr Idomeni, der wegen des dortigen wilden Lagers für Flüchtlinge 2015 und 2016 bekannt wurde), keine Touristen verkehren.

Die lokale Presse an den Grenzorten bemerkt ironisch, wie die Eidiseis aus Kilkis, dass offenbar nur Touristen infektiös sind und ob es eine Immunität für die Griechen gibt, die täglich nach Nordmazedonien fahren, um dort im Kasino zu spielen oder einzukaufen.

Auf telefonische Nachfrage bestätigte der Chefredakteur der Eidiseis, dass weiterhin Griechen aus Kilkis, Thessaloniki und angrenzenden Städten nach Nordmazedonien zum Einkaufen und fürs Glücksspiel reisen würden. In absoluten Zahlen seien die Grenzpendler jedoch nicht mit der Zeit vor der Pandemie vergleichbar. Trotzdem sorgen sich Bürger in Kilkis, wegen der Tatsache, dass die Pendler keinerlei Tests unterzogen werden.

Keine Tests und keine Spur vom staatlichen Gesundheitsdienst gibt es auch an der offiziell geschlossenen Grenze zu Albanien am Grenzübergang Kakavia. Dort kommen täglich zwischen 1500 und 2000 Personen ins Land. Geschlossene Grenzen bedeutet nämlich, dass nur Touristen abgewiesen werden. Saisonarbeiter, Geschäftsleute und regulär in Griechenland arbeitende Albaner können weiterhin die Grenze passieren.

In absoluten Zahlen drückt sich das so aus. Am Sonntag kamen über den "geschlossenen" Grenzübergang Kakavia 1664 Personen nach Griechenland, 1809 reisten aus. Am gleichen Tag reisten über den "offenen" Übergang Promachona 2821 Menschen ein, während 863 ausreisten.

Seit dem vergangenen Freitag gab es im Amt des Premierministers, dem Megarion drei Krisensitzungen unter der Leitung von Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Bei der letzten Sitzung am Mittwoch wurde beschlossen, dass bislang alle beschlossenen Maßnahmen richtig seien, nur die Kontrolle solle verschärft werden.

Die Infektionen werden mit Zeitverzögerung bekanntgegeben

Die am Dienstag in den Medien verkündeten Infektionen, finden sich in der Statistik, die am Abend vom EODY bekannt gegeben wurde, nicht wieder. So wurden am Dienstag auf der Insel Korfu zwei Urlauber positiv getestet und in ein Quarantänehotel gebracht. Diese Infektionen wurden am gleichen Abend ebenso wenig erfasst wie drei Fälle auf der Insel Lesbos.

Dahinter steckt keine Verschleierungsabsicht, sondern vielmehr die bürokratische Verzögerung oder Systemversagen. Es ist dem Staatsapparat nicht möglich, die Testergebnisse der an Flughäfen, Seehäfen und Landgrenzen getesteten Touristen zeitnah zu erfassen. Zudem hat sich gezeigt, dass die stichprobenartigen Tests, die anhand eines nicht näher bekannten Algorithmus errechnet werden sollen, nicht effektiv genug sind. Darüber hinaus funktionieren die in der staatlichen Werbung gepriesenen "Protokolle" für die Eindämmung der Pandemie nicht immer so, wie beworben.

Eine Reisegruppe aus Serbien war vor der Schließung der Grenze für Serben auf die Insel Euböa, in den Bäderort Aidipsos gereist. Ein Mann fühlte sich in der vergangenen Woche unwohl und suchte mit seiner Gattin das örtliche staatliche Gesundheitszentrum im dortigen Krankenhaus auf. Dort gab er seine Symptome, die auf eine Corona-Infektion hindeuteten, an.

Ein Test vor Ort konnte nicht gemacht werden. Ergo wurde das Paar in das Hospital auf dem Festland in Lamia verwiesen. Der einzige Krankenwagen von Aidipsos konnte für diese Fahrt nicht eingesetzt werden, weil das Krankenhauspersonal wegen der langen Dauer der Fahrt Angst hatte, dass er dann bei einem eventuellen weiteren Notfall fehlen würde.

Ergo wurden die beiden in ein Taxi gesetzt, welches sie zur Fähre nach Arkitsa auf dem Festland brachte. Von dort ging es per Taxi weiter ins Krankenhaus nach Lamia. Die Taxifahrer waren über die Erkrankung der beiden nicht informiert. Beide, der Mann und die Frau wurden in Lamia positiv auf CoVid19 getestet. Nach den Taxifahrern wurde gefahndet, damit auch sie in Quarantäne kamen.

Später stellte sich heraus, dass auch weitere Mitglieder der Reisegruppe infiziert waren. Alle 80 kamen in Quarantäne und wurden entgegen dem eigentlich verkündeten Prozedere so schnell wie möglich per Bus nach Serbien gebracht. Eigentlich sollten positiv getestete Touristen laut Plan der Regierung bis zu einem negativen Test im Quarantänehotel vor Ort verbleiben. Nachdem am Sonntag eine weitere Infektion, diesmal einer rumänischen Touristin in Aidipsos bekannt wurde, klagen die Geschäftsleute vor Ort, dass die Stadt nun wie ausgestorben sei. Aus Angst bleiben auch inländische Touristen fern.

Eine CoVid-19 Infektion gab es auch in einem Campingplatz in Nordgriechenland. Dort waren Kinder untergebracht. Zunächst wurde der Campingplatz weiter betrieben. Lediglich die direkten Mitbewohner der Infizierten, einer Fünfzehnjährigen, wurden getestet und in häusliche Quarantäne geschickt. Der Campingplatz wurde erst geschlossen, als auch bei einem zehnjährigen Mädchen nach vierundzwanzig Stunden das Fieber nicht sank. Dann erst gab es den Test, der positiv ausfiel. Im Zelt des Mädchens waren weitere Kinder untergebracht. Die Sanitäranlagen auf dem Campingplatz waren für alle Bewohner gemeinsam.

Auf der Insel Lesbos wurde das staatliche Gesundheitszentrum von Kalloni für mehrere Tage geschlossen, weil das dortige medizinische Personal in engen Kontakt mit drei CoVid-19-Fällen kam, und offenbar nicht ausreichend geschützt war.

Infiziert ist auch eine fünfköpfige Familie aus Serbien, die auf der Insel Lefkada Urlaub machte. Sie wurde von der Insel ins Krankenhaus auf dem Festland in Ioannina gebracht.

Vom angeblich wegen Corona ausgebauten Gesundheitsdienst - keine Spur

In der Hauptstadt sieht es hinsichtlich der medizinischen Versorgung offenbar nicht besser aus. Ein Busfahrer der kommunalen Verkehrsbetriebe von Athen fühlte sich am vergangenen Samstag unwohl. Er hatte Symptome einer Corona-Infektion und rief die Hotline des staatlichen Gesundheitsdienstes EODY an. Dieser schickte einen Krankenwagen, der den Busfahrer unter Einhaltung aller medizinischen Schutzprotokolle um 17 h ins Sotiria-Krankenhaus brachte.

Das Sotiria ist eins der Krankenhäuser der Hauptstadt, die für CoVid-19 eingeplant sind. Im Sotiria erfuhr der fiebrige Mann nach mehreren Stunden Wartezeit, dass es angeblich keine Corona-Test-Materialien gäbe, und er deswegen ein weiteres Krankenhaus aufsuchen müsse. Der Mann bat um einen Transport, da er vom Krankenwagen im Schlafanzug ins Sotiria gebracht wurde, weder genügend Geld dabei noch eine verfügbare Begleitperson hatte.

Tatsächlich wurde er um Mitternacht geröntgt, es wurde ihm Blut abgenommen und die Ärzte diagnostizierten eine schwere Bronchitis, was dem Mann um 2:30 mitgeteilt wurde. Um drei Uhr wurde er von den Ärzten ins Gennimatas Krankenhaus geschickt. Dort müsse er den CoVid-19 Test machen, sagte man ihm. Einen Krankenwagen, oder eine sonstige Transportmöglichkeit stellte man ihm nicht zur Verfügung. Er ging zu Fuß.

Im zweiten Krankenhaus wurde er am Eingang von einem Arzt abgefangen. Der Arzt verweigerte ihm nach Rücksprache mit dem Oberarzt das Betreten des Krankenhauses. Die Begründung war, das Sotiria müsse Tests haben. Schließlich ging er zurück nach Hause und rief beim EODY an.

Dort meinte man, dass er nun 14 Tage in häuslicher Quarantäne verweilen solle. Der EODY habe nur beratende Funktion, erfuhr der Patient, der nun darauf wartet, dass sein Arbeitgeber ihm eine Möglichkeit zum Test verschafft. Ansonsten muss er in einer privaten medizinischen Einrichtung auf eigene Kosten einen Test machen lassen.

Das Bild, welches die Regierung, die sich des europaweit besten Corona-Managements rühmt, abgibt, entspricht in der Realität nicht dem, was vom Regierungssprecher regelmäßig verkündet wird. Schließlich zeigen am Dienstag veröffentlichte Fotos aus dem Krankenhaus Attikon in Athen, dass auch in Corona-Zeiten in griechischen Krankenhäusern Patienten in Betten auf Krankenhausfluren liegen müssen.