Commons der Energieversorgung

Die Energie- und Klimawochenschau: Die Gemeingut-Diskussion erreicht die Klimapolitik. Empirische Daten geben Geo-Engineering-Fans einen Dämpfer

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Angesichts der aktuellen Banken- und Wirtschaftskrise gewinnt die Kritik an einem Kapitalismus, der ohne Rücksicht auf die Belange des Gemeinwohls agiert und damit letztlich nicht nur seine eigenen Grundlagen zerstört, sondern auch die Gesellschaft insgesamt schädigt, an Aktualität. Während parteipolitisch in letzter Zeit erstaunlich häufig eine Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft eingefordert wird – selbst von liberalen Politikern, die noch vor kurzem das freie und unabhängige „Spiel“ der Marktteilnehmer predigten -, schwappt die Debatte nun über auf die Klima- und Energiedebatte. Auch hier sollen die natürlichen Ressourcen einerseits zum Gemeinwohl genutzt, ihre Ausbeutung und Zerstörung durch einige Wenige jedoch verhindert werden.

Copyleft als Vorbild

Als Vorbild wird das Copyleft aus der freien Softwarebewegung genannt, das die ausschließliche Vereinnahmung von Ressourcen durch Einzelne verhindert und zur Nutzung und Weiterentwicklung der Ressourcen auffordert. Wie schwer sich solche Gedanken in der Praxis auf Nutzungskonflikte um natürliche Ressourcen übertragen lassen, zeigt etwa das gerade gescheiterte Weltwasserforum in Istanbul. Sein „Ergebnis“ war die banale Aussage, Wasser sei ein Grundbedürfnis, von dem Recht auf eine Grundversorgung war keine Rede, was letztlich nicht verwundern kann, gräbt das Gastgeberland seinen Nachbarn mit Staudammprojekten doch gerade zum eigenen exklusiven Nutzen das Wasser ab und will Quellen und Flüsse im Land zudem privatisieren (Whisky is for drinking, water is for fighting (over)).

Der Ilisu-Staudamm im Südosten der Türkei soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und dem Irak aufstauen. Diese flussabwärts gelegenen Anrainer sind abhängig vom knappen Wasser, Konflikte vorprogrammiert. Im Stausee wird die etwa 9000 Jahre alte Stadt Hasankeyf überflutet, 55.000 Menschen sollen umgesiedelt werden. Bild: www.efrin.net

Sind solche Nutzungsmonopole erst einmal entstanden, ist es schwer, sie zu kontrollieren. Bei uns findet solch ein langwieriger Prozess gerade bei der Auflösung der Stromnetz-Oligopole statt. Bis vor wenigen Jahren waren sie mit Hilfe der Politik noch aktiv durchgesetzt worden, zu einer Zeit, als eine zentralisierte Energieversorgung aus Großkraftwerken Versorgungssicherheit versprach.

Die Verfügungsgewalt über die Netze in der Hand von wenigen Energiekonzernen erweist sich jedoch immer mehr als Hemmnis bei der Umstellung auf eine, aus regenerativen Energiequellen gespeiste, dezentrale Energieversorgung. Selbst Nationalstaaten zeigen sich aber als zu schwach, um diese einmal entstandenen Monopole wieder aufzubrechen. Nur durch übernationalen Druck, bei uns von Seiten der EU, gelingt dies teilweise.

Unkalkulierbare Eingriffe

Geo-Engineering, von Apologeten einer unbeschränkten technischen Machbarkeit und Verfügungsgewalt des Menschen über Grundlagen und Kreisläufe auf diesem Planeten gerne als reale Option zur Korrektur der zerstörerischen Auswirkungen der Industriegesellschaft auf die Umwelt gepriesen, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie exklusive Ressourcennutzung (nur 15% der Weltbevölkerung haben einen uns vergleichbaren „Lebensstandard“) nicht nur die natürlichen Grundlagen an sich schädigt, sondern das System so zu konditionieren sucht, dass es auch noch die ungedrosselten Abfälle aufnimmt, anstatt die Ursachen der Umweltausbeutung und -belastung selbst zu korrigieren. Die CO2-Sequestrierung, Meeresdüngung oder künstliche Wolkenbildung sind so einerseits bloße Kapitulation vor einem scheinbar nicht zu bremsenden Ressourcenkonsum und gleichzeitig eine Form des Eskapismus der eben diesen Konsum noch verstärkt und doch nur Selbstüberschätzung und Verkennen der eigenen Abhängigkeit von den natürlichen Lebensgrundlagen entspringt (Von Spiegeln, Wolken und schwarzer Erde).

Noch bevor Geo-Engineering großmaßstäblich eingesetzt wird, melden sich Kritiker, die fundiert auf empirischen Daten vor dessen Umsetzung warnen. Im Wissenschaftsmagazin Science erschien ein Artikel Jülicher und US-amerikanischer Atmosphärenforscher, der den Vorschlag des Nobelpreisträger Paul Crutzen untersuchte mehrere Mio. Tonnen Sulfate in der Atmosphäre in einer Höhe von 10 bis 25 Kilometern auszubringen, um so die durch den Ausstoß von Treibhausgasen verursachte globale Erwärmung zu kompensieren.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Sulfatpartikel die Ozonschicht in der polaren Stratosphäre schädigen würden. Verglichen wurde dabei der geplante künstliche Sulfateintrag mit den Auswirkungen des natürlichen Eintrags in die Atmosphäre durch Vulkanausbrüche. Zwar würden auch künstlich eingetragene Sulfate einen Teil des einfallenden Sonnenlichts absorbieren doch würde sich als unerwünschte Nebenwirkung die Ozonkonzentration über der Arktis bis zu 30% reduzieren. Geo-Engineering hätte also immer auch Nebenwirkungen.

Auch die letzte Woche beendete, viel kritisierte Polarexpedition Lohafex“ erbrachte letztlich empirische Daten, die gegen ein Geo-Engineering, in diesem Fall gegen die Meeresdüngung, sprechen. Nach Aussagen der Forscher dämpften sie die Hoffnungen, große Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre langfristig im Ozean binden zu können, um den Verlauf der Erderwärmung zu bremsen. In einem 300 Quadratkilometer großen Meeresareal innerhalb eines Meereswirbels wurden sechs Tonnen Eisenverbindungen ausgebracht. Anschließend wurden 39 Tage lang die Auswirkungen der Eisendüngung auf das Plankton beobachtet und begleitend die Konzentrationen klimarelevanter Gase gemessen. Die Düngung regte zunächst auch wie geplant das Wachstum von Kleinalgen an, ihre Biomasse verdoppelte sich innerhalb von zwei Wochen, jedoch stoppten Ruderfußkrebse ein weiteres Anwachsen der Algenblüte, indem sie die Kleinalgen fraßen und das mit dem Algenwachstum zunächst gebundene CO2 letztlich größtenteils wieder frei setzten.

Bei der Konzeption des Experiments war noch davon ausgegangen worden, dass sich durch die Eisendüngung vor allem Kieselalgen vermehren würden. Sie sind durch eine Silikatschale besser vor Fressfeinden geschützt, werden daher kaum gefressen und sinken nach ihrem Tod zum Meeresgrund ab – das CO2 sollte, so die Hoffnung, langfristig eingelagert werden. Kieselalgen konnten aber, so die Lohafex-Ergebnisse, nicht wachsen, weil aufgrund vorangegangenen natürlichen Algenwachstums nicht mehr genug freie Kieselsäure zur Verfügung stand. Zwar zeigte sich, dass durch Meeresdüngung das Algenwachstum angeregt werden kann, da sich aber nicht steuern lässt, welche Arten sich vermehren und nur Kieselalgen über einen Fraßschutz verfügen, würde eine Düngung der subantarktischen Zone mit Eisen wahrscheinlich nicht dazu führen, dass relevante Mengen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden.

Im Meeresgebiet (1) vor der argentinischen Küste (Kreis) vermehrten sich im Lohafex-Experiment nicht. wie erhofft, vor Freßfeinden besser geschützte Kieselalgen (2), sondern Arten (3), die insbesondere von Flohkrebsen (4) gefressen wurden. Das zunächst gebundene CO2 wurde so verstoffwechselt und wieder freigesetzt. Bild 1: NASA, Bild 2: M. Montresor, SZN / Alfred-Wegener-Institut , Bild 3: Wikimedia Commons Das Bild "Pediastrum duplex.jpg" stammt aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und steht unter der "Creative Commons Namensnennung Unported"-Lizenz. Der Urheber des Bildes ist Dr. Ralf Wagner, Bild 4: G. Mazzochi, SZN / Alfred-Wegener-Institut

Höhere Standards

Das Scheitern der Geo-Engineering-Pläne gibt dem vorsorgenden Umwelt- und Ressourcenschutz wieder mehr Relevanz. Es zeigt sich, dass einmal in den globalen Kreislauf freigesetzte Schädigungen nicht durch technische Gegenmaßnahmen neutralisiert werden können. Dafür sind die Verflechtungen und Regelkreise auf dem Planeten letztlich zu kompliziert.

Ein Viertel des Energieverbrauchs findet bei uns in den privaten Haushalten statt, davon 75 % zur Erzeugung von Wärme. Hier setzt die Energieeinsparverordnung EnEV an. Nach dem Kabinettsbeschluss von letzter Woche kann sie jetzt nach jahrelanger Diskussionen novelliert in Kraft treten. Sie erwies sich schon in der Vergangenheit als wirksames Instrument den energetischen Standard von Gebäuden schrittweise zu verbessern, denn sie setzt mit jeder neuen Fassung nicht nur kontinuierlich strengere Verbrauchsgrenzen, das Erfüllen oder Übertreffen ihrer Anforderungen wird auch durch diverse Förderprogramme belohnt.

Im Kern wird die Novelle die Anforderungen an die Energieeffizienz von Neu- und Bestands-Gebäuden erhöhen. Die Höchstwerte an den Primärenergiebedarf um durchschnittlich 30% und beim Transmissionswärmeverlust um 15% anziehen. Damit sollen effiziente Heizsysteme und der Einsatz regenerativer Energieträger gefördert werden. Passend dazu wird die Außerbetriebnahme von Nachtspeicheröfen ab 2020 gefordert. Begleitend wird die staatliche Förderung für energieeffizientes Bauen aufgestockt, unter anderem gibt es, nach Vorbild der PKW-Abwrackprämie, einen Zuschuss bei Heizungsmodernisierung. Bundeseinheitliche Bußgeldvorschriften bei Verstößen gegen zentrale Energieeinsparbestimmungen sollen Sanktionen erleichtern. Und eine Unternehmererklärung ist bei Einbau oder Ersatz von heizungs- und lüftungstechnischen Anlagen vorgesehen. Bisher wurden Heizungsauslegungen häufig „über den Daumen gepeilt“ dimensioniert und die notwendige Einjustierung, z.B. der hydraulische Abgleich bei Inbetriebnahme, unterlassen.

Energieflussbild 2007 für die Bundesrepublik Deutschland in Mio. t SKE. Die privaten Haushalte konsumieren 25 % des Endenergiverbrauchs. Über die EnEV sind darüber hinaus auch die Gebäude der Sektoren Industrie und Gewerbe zu sparsamerem Verbrauch von Energie verpflichtet. Bild: AG-Energiebilanzen

Die energetischen Anforderungen setzen damit in etwa ein Niveau, das bisher als „Niedrigenergiehaus“ bezeichnet wurde, zum Standard. Passend zur Verabschiedung der EnEV 2009 stellte auch die Deutsche Energie Agentur dena ihr neues "Qualitätssiegel für Wohngebäude" vor, das Effizienzhaus-Siegel. Es orientiert sich an den gleichnamigen Förderkriterien der KfW. Ein am Gebäude befestigtes Hausschild mit der neuen "Effizienzhaus"-Marke soll künftig die besondere Qualität der Gebäude zeigen und so Miet- und Kaufinteressenten überzeugen. Dena-Chef Kohler: "Wer das Effizienzhaus-Siegel für sein Haus haben möchte, muss die energetische Qualität durch einen qualitätsgesicherten Energieausweis in einem von der dena standardisierten Verfahren bestätigen."

Damit ist auch klar, warum die dena neben EnEV-Nachweis und Energiepass im bereits verwirrenden Labelmarkt noch ein weiteres Siegel einführen möchte - um selbst im Geschäft zu bleiben.