Corona: Deutschland macht dicht
Ende der Reisefreiheit und Preisgabe bürgerlicher Freiheiten
Jetzt geht alles sehr schnell und ist ziemlich unheimlich. Stand noch vor Kurzem außer Debatte, dass Grenzen geschlossen würden, zieht Deutschland nun nach. "Die Lage ist sehr ernst", sagte Innenminister Horst Seehofer am Sonntagabend bei einer krisenquick angeordneten Pressekonferenz. Die Ausbreitung des Coronavirus sei schnell und aggressiv, weswegen nun wieder Grenzkontrollen eingeführt würden.
An den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark wird die Bundespolizei ab Montagmorgen 8 Uhr keine Reisenden mehr durchlassen. Der grenzüberschreitende Reiseverkehr steht dann nur mehr dem Warenverkehr und dem Berufsverkehr offen, so die prinzipielle Lösung, die der Innenminister in Beratungen mit der Kanzlerin und vor allem den Spitzen der betroffenen Bundesländer gefunden hat.
Das Beispiel eines Verdachtsfalls, der an der Grenze entdeckt wird, den Seehofer in der Pressekonferenz erwähnte, deutet an, dass sich unterhalb der Decke der prinzipiellen Lösung einiges an Fragen auftun kann. Der Innenminister, der den Fall ungefragt in seiner Darstellung der neuen Maßnahmen auf den Tisch brachte, sagte dazu lediglich, dass dann "Maßnahmen eingeleitet" würden. Was heißt das? Dass ein Verdachtsfall mit einer nicht-deutschen Staatsangehörigkeit nicht einreisen darf?
Das ist anhand der Einreisebeschränkungen, die der Innenminister vorstellte, eigentlich doch selbstverständlich. Ist der Fall aber anders gelagert, wenn die Person Familie in Deutschland hat? Wird sie dann in ein deutsches Krankenhaus gebracht? Wahrscheinlich wird es noch einige schwierig gelagerte Fälle mehr geben, die noch nicht "auf dem Schirm" sind.
Schnelles, entschlossenes Handeln und Druck
Es ging der Regierung nun vor allem um schnelles, entschlossenes Handeln, so der Eindruck. In Zeiten, wo zig Newsticker in allen europäischen Ländern im Halbstundentakt Maßnahmen verkünden, die viele Bürger vor wenigen Wochen noch süffisant ins Reich der dystopischen Fantasie verwiesen hätten, gibt es auch eine politische Konkurrenz, die Druck aufbaut und öffentliche Erwartungen.
"Was Italien schafft, schafft die Berliner Republik nicht", ist so ein Beispielsatz für den Zugzwang, der in die Krisenbewältigung mithineinspielt. Im Hintergrund spielt auch der "Leistungsvergleich" der Staaten untereinander eine Rolle. Es hätte die "Stunde der EU" sein können, wie die Politologin Ursula Münch zur Seehofer-Pressekonferenz kommentierte. Aber sie kann ihren Mitgliedsstaaten nur "nacheilen", wie sie sagte.
Die Einzelmaßnahmen der EU-Mitgliedsländer geben den Ton an, nicht das langsame Kollektiv. Geht es um Krisenentscheidungen, ist die EU nachgeordnet. In der Krisen-Praxis bestätigt sich erneut, dass die Macht der EU begrenzt ist.
Die ernste Lage und die Konkurrenz
Die Lage ist sehr ernst in Hinblick darauf, was Krankenhauskapazitäten an Versorgung der an Covid-19-Erkrankten leisten können - und was passiert, wenn die Versorgungsleistungen beschränkt werden, wer wird bevorzugt? Doch hat die Corona-Krise noch eine andere unheimliche Dynamik.
Sie zeigt sich einmal in der Konkurrenz unter den Staaten, wozu das große, unerklärliche Auftrittsereignis der politischen Bühne, Donald Trump, angeblich wieder Unerhörtes äußerte, weil er sich, so berichtet es die Welt am Sonntag, von einem deutschen Unternehmen einen Corona-Impfstoff besorgen wollte, um diesen dann "exklusiv für sein Land zu sichern". (Anm. d. A.: Die vorgänge Formulierung "vermarkten" wurde verbessert).
Das ist empörend, niederschmetternd. Weswegen man sich in der US-Administration, vorneweg der frühere US-Botschafter Grenell, bemüht, diesen Bericht zu dementieren. Die andere Frage wäre: Wie wird Deutschland, wo sich die Regierung bemüht, die Forschung der Firma im Land zu behalten, damit umgehen, wenn der Impfstoff gefunden würde? Ihn für alle Welt freigeben?
(Nachtrag: Am Sonntagabend wird gemeldet, dass das Unternehmen CureVac, das an einem Impfstoff gegen das Coronavirus arbeitet und mit Donald Trump in Verbindung stand, in Deutschland bleibe. Der Haupteigner teilte dazu mit, dass man den Impfstoff, sollte er denn gelingen, "Menschen nicht nur regional, sondern solidarisch auf der ganzen Welt erreichen, schützen und helfen können" soll.)
Das Unheimliche zeigt sich auch in der schnellen Preisgabe bürgerlicher Freiheiten. Sollte ähnlich wie in Spanien auch in Deutschland eine Art Ausgangsverbot kommen, wer wird wie darauf aufpassen?
Seehofer sagte, dass die Regelungen "vorübergehend" seien. Wie lang dies dauert, weiß momentan niemand, ebenso wenig weiß man, was bleiben wird.