Corona-Krise: Ein Weckruf zur umfassenden Aufklärung
Seite 2: Der Keil in der Gesellschaft
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- Der Keil in der Gesellschaft
- Selbstkritik und Entschuldigung
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Nicht nur Diffamierung war in Mode, sondern auch die Forderung nach Ausgrenzung (die sich streckenweise ohnehin durch 3G bzw. 2G manifestierte):
Es ist wichtig, den Ungeimpften eine klare Botschaft zu senden: Ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben.
Tobias Hans, damaliger Ministerpräsident des Saarlandes, CDU
Ich hingegen möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen.
Nikolaus Blome, Spiegel Online.
Dieses Zitat war titelgebend für ein Buch von Marcus Klöckner und Jens Wernicke.
Wie dieses Fingerzeigen aussehen kann, beschreibt vielleicht folgende Situation: Da gibt es Lehrkräfte, die Kinder einzeln aufrufen und nach ihrem Impfstatus befragen: Wer geimpft ist, erhält einen Applaus, wer nicht, muss sich rechtfertigen. Jugendliche erinnern ihre Mitschüler an ihre "soziale Verantwortung", in der fälschlichen Annahme, dass sie es seien, die eine Verantwortung für die erwachsene Gesellschaft hätten, nicht diese für sie. Die soziale Spaltung ist längst in den Schulen angekommen.
Wäre die Spaltung der Gesellschaft wirklich etwas so Schlimmes? Sie würde ja nicht in der Mitte auseinanderbrechen, sondern ziemlich weit rechts unten. Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes.
Sarah Bosetti, Kabarettistin
Was es jetzt braucht, ist nicht mehr Offenheit, sondern ein scharfer Keil. Einer, der die Gesellschaft spaltet. Wenn davon die Rede ist, entsteht schnell ein Zerrbild im Kopf, als würde das Land in zwei gleich große Teile zerfallen. Doch so ist es nicht. Richtig und tief eingeschlagen, trennt er den gefährlichen vom gefährdeten Teil der Gesellschaft.
Christian Vooren, Die Zeit
Und ein Keil spaltete die Gesellschaft. Er spaltet sie auch noch heute. Es braucht nicht sehr viel gesunden Menschenverstandes, um zu erahnen, dass mit dem Ende der Corona-Krise die Gefühle der Ausgrenzung bei den ausgegrenzten Menschen nicht verschwunden sind.
Die Autorin Maren Wurster beschreibt eindrücklich ihre Erfahrung als Ungeimpfte und einen beeindruckenden Artikel zu der noch heute vorherrschenden Polarisierung beim Thema Corona hat Rebecca Niazi-Shahabi verfaßt.
Kann es sein, dass allein aufgrund dieser gesamtgesellschaftlichen Atmosphäre eine transparente Aufklärung Not tut?
Ist heute der grundlegende Vorwurf an Ungeimpfte als Verursacher der Krise verschwunden? Ist heute die Verletzung durch Ausgrenzung Ungeimpfter verschwunden?
Hat überhaupt über diese extremen Äußerungen jemals ein Gespräch stattgefunden?
Irrungen und Aufklärung
André Mielke fordert in der Berliner Zeitung:
Es irrt der Mensch, solang er strebt. Auch Maßnahmengegner lagen bisweilen daneben. Aber sie exekutierten ihre Wirrungen eben nicht am Volkskörper, anders als Minister, Behörden und Krisenstäbe. Sehbehinderte Lokführer sind problematischer als ein blinder Passagier im Bordbistro. Das Machtgefälle. Wer zum Objekt enthemmter Apparatschiks wurde, erwartet nun deren innere Einkehr. Mindestens.
Die Forderung nach einer ernsthaften Untersuchung gewinnt an Zustimmung. In der Tagesschau lässt der Kommentar von Nina Amin nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig:
Rückblickend gelten monatelange Schulschließungen als Fehler und unnötig. Politisch Verantwortliche verweisen auf damalige Empfehlungen der Virologen und des RKI. Die wiederum kontern, die Entscheidung habe immer bei der Politik gelegen. Dieses Hin- und Hergeschiebe der Verantwortung muss aufhören. Die damaligen falschen Entscheidungen müssen klar benannt und aufgearbeitet werden. Mehr noch: Sie müssen wiedergutgemacht werden.
Heribert Prantl kritisiert die Regierung heftig:
Es handelt sich um staatliche Lernverweigerung. Es handelt sich um Zukunftsschädigung durch Unterlassen. Gerade nach der Veröffentlichung der sogenannten RKI-Files mit den kräftig geschwärzten Protokollen der Beratungen des Robert-Koch-Instituts, die in der Öffentlichkeit erregt diskutiert wurden, ist Aufarbeitung und Aufklärung wichtiger denn je.
[…] Mutig ist es nicht, wenn die Staatsgewalten die Auseinandersetzung mit drei Jahren Pandemie und deren Bekämpfung scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Es ist dies eine gefährliche Fahrlässigkeit. Couragiert ist es nicht, wenn die Forderungen nach einer Enquetekommission oder einem anderen Großgremium zur Aufarbeitung von Glanz und Elend des Corona-Managements abgebürstet werden mit dem Hinweis darauf, dass man "nachher immer schlauer" sei.
Das ist so – aber gerade deshalb ist es ja wichtig, dass Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sich mit all dieser Schläue und mit all den Erfahrungen, die man in bitteren drei Jahren gemacht hat, an die Arbeit machen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und eine Notwendigkeit im Hinblick auf künftige Krisen.
[…] Die Infektionsschutzgesetze müssen von den Corona-Erfahrungen positiv infiziert werden, der Gesetzgeber muss zu Änderungen animiert und das alles muss in der Öffentlichkeit breit und intensiv kommuniziert werden. Die einschlägigen Paragrafen müssen einer 2-G-Regelung unterzogen werden: Sie gehören geprüft und gegebenenfalls geändert.
[…] Wenn eine gute organisierte Aufarbeitung, wenn eine seriöse und umfassende Aufklärung nicht stattfindet, ist das der Eingang in die nächste Phase einer selbstverschuldeten Unmündigkeit. Das wäre eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig.