Corona-Monitoring der Abwasserströme

Seite 2: EU setzt Deutschland unter Druck

Die EU-Kommission hat mit der Empfehlung (EU) 2021/472 der Kommission vom 17. März 2021 über einen gemeinsamen Ansatz zur Einführung einer systematischen Überwachung von Sars-Cov-2 und seinen Varianten im Abwasser in der EU die Initiative ergriffen und fordert auch von Deutschland mehr Engagement bei der Implementierung der Überwachung in Kläranlagen.

Die Europäische Union setzt Deutschland damit zwar unter Druck, aber Politik und Verwaltung setzen sich standhaft dagegen zur Wehr. Man könnte schon von einem Systemversagen sprechen. Die EU-Empfehlung wünschte sich, dass die Mitgliedstaaten bis spätestens zum 1. Oktober 2021 ein Abwasserüberwachungssystem einrichten, das einen erheblichen Teil der Bevölkerung erfasst.

Dazu sollen die Kläranlagen für Großstädte mit mehr als 150.000 Einwohnern mindestens zweimal pro Woche beprobt und analysiert werden. Für Deutschland müsste so ein System also in 56 Städten implementiert werden, so wie es in einem der zeitweisen Corona-Hotspots, dem Berchtesgadener Land, heute schon eingerichtet ist, wo Abwasserdaten direkt an den Krisenstab weitergeleitet werden.

In Berlin, wo man den Gesetzesrahmen für ein flächendeckendes Corona-Monitoring schaffen müsste, war man offensichtlich überrascht, dass dem Thema auf europäischer Ebene eine so große Relevanz beigemessen wurde.

Das derzeitige Vorgehen in Deutschland wirkt eher so, als suche man nach Gründen, warum so etwas in Deutschland nicht funktionieren kann.

Abwassermonitoring nur in Pilotprojekten wie CoroMoni

Die Probenahme einschließlich Transport und Analyse kostet nach derzeitigem Stand etwa 500-700 Euro je Probe. Nicht darin enthalten sind die zusätzlichen Personalkosten. Die Erfahrungen zeigen, dass eine Probenahme von mindestens zwei Proben je Woche erforderlich ist, um aussagekräftige Informationen zu erhalten.

Perspektivisch sollen die Proben jedoch nicht nur an einer Stelle, meist dem Zulauf Kläranlage, genommen werden. Das gilt besonders, weil viele Abwasserentsorger mehr als eine Kläranlage betreiben.

Ein Problem bei der Umsetzung eines Coronamonitorings in Deutschland liegt offensichtlich in der Tatsache begründet, dass die Überwachung von Sars-Cov-2 im Abwasser nicht die sogenannte notwendige Betriebsbezogenheit zur Aufgabe der Abwasserbeseitigung aufweist und daher dürfen die für die Überwachung anfallenden Kosten nicht über Abwasserentgelte refinanziert werden.

Aus diesem Grund und für eine langfristige Umsetzung ist es wesentlich, dass die rechtlich-finanziellen Rahmenbedingungen für die kommunalen Abwasserentsorger über Regelungen im Infektionsschutzrecht gesichert werden.

Die EU schätzt die für das Monitoring anfallenden Kosten auf 25.000 Euro pro Kläranlage und Jahr bei zweimaliger Beprobung pro Woche. Um 60 Prozent der deutschen Bevölkerung in einem Monitoring-System abzubilden, müsste man 450 Kläranlagen beproben. Die EU hat in diesem Zusammenhang auch angeboten, so ein System finanziell zu unterstützen.

Vielleicht hofft man in Deutschland auch, dass mit der jetzt politisch vielfach geforderten allgemeinen Beendigung der Corona-Maßnahmen, die Forderungen nach einem Abwassermonitoring zurückgehen und man das Thema einfach aussitzen kann. Dabei hat man mit dem Aufbau eines Abwassermonitorringnetzes einen Vorsprung bei künftigen Pandemien, kann aber auch andere Belastungen im Abwasser wie Antibiotika oder Hormone überwachen.

Mit dem Projekt CoroMoni der DWA gibt es in Deutschland seit dem 1.12.2020 einen ersten Aufbau eines Frühwarnsystems, der alle Bundesländer umfasst und der sicherstellt, dass die Ergebnisse der Beprobung von den zuständigen Gesundheitsämtern in ihre Systeme eingepflegt werden.

Man will damit dem Virus einen Schritt voraus zu sein, um Hotspot-Regionen frühzeitig zu identifizieren, Virus-Mutationen vor einer massiven Ausbreitung aufzuspüren und die Wirkung von Lockdown-Maßnahmen schneller einschätzen zu können.

Das CoroMoni-Projekt der DWA und war zunächst bis zum Ende des ersten Projektjahres, am 30.11.2021 darauf beschränkt, die Forschungsakteure in Deutschland und angrenzenden europäischen Ländern miteinander zu vernetzen sowie eine Austauschplattform bereitzustellen.

Es zeigte sich jedoch schnell, dass es mit der reinen Vernetzung und Austauschplattform nicht getan ist und so hat man das Projekt aufgestockt und will bis zum 31.12.2022 zahlreiche Punkte abarbeiten, deren Ergebnisse dabei helfen können, endlich auch in Deutschland ein weitgehend flächendeckendes Abwassermonitoring zu etablieren.