Corona-Profiteure weltweit im Aufwind

Seite 4: Daten als profitabler Rohstoff

Die ohnehin schon alltagsbestimmende Digitalisierung hat mit Corona einen weiteren Schub und eine scheinbar alternativlose Akzeptanz erfahren. Der Onlinehandel boomt, mit Verweis auf den Infektionsschutz soll mit Karten statt Bargeld bezahlt werden, Eintrittskarten für Kultur oder Schwimmbäder sind zunehmend nur online zu erwerben.

Statt Präsenzunterricht oder persönlicher Treffen wird die Kommunikation in Videokonferenzen distanziert und körperlos, auf Worte reduziert. Keine Pausengespräche und kein persönlicher Augenkontakt mehr, der doch auch ohne Worte so viel sagen kann.

Jede digitale Handlung legt Spuren, die in großen Mengen (Big Data) gesammelt das ermöglichen, was die Digitalindustrie euphemistisch als "künstliche Intelligenz" bezeichnet.

Auch wenn es nur Geräte sind, die mit Algorithmen mechanisch Schlussfolgerungen ziehen, so stellen doch die Daten einen profitabel verwertbaren Rohstoff dar.

Um riesige Datenmengen verarbeiten zu können, wird der neue Mobilfunkstandard 5G flächendeckend ausgebaut, obwohl Gesundheitsrisiken nicht ausgeschlossen werden können, wie die NGO Diagnose Funk immer wieder betont. Und wer fragt schon nach Datenschutz, wenn es dem Schutz vor Corona dient?

Massenhafte Corona-Tests produzieren massenhaft Daten. Die Gruppe "Zerforschung" fand mehrfach Datenlecks und konnte Zigtausende Testdaten auslesen.

Auch die Luca-App weist Sicherheitslücken auf, der Chaos Computer Club kritisierte: "Zweifelhaftes Geschäftsmodell, mangelhafte Software, Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe".

Seit dem Jahr 2000 verleiht Digitalcourage (damals noch FoeBud) den Schmähpreis BigBrotherAward. Ein Preisträger 2021 ist die Proctorio GmbH für den "vollautomatischen Prüfungsaufsichtsservice", der mithilfe der Überwachung der Blicke von Studierenden bei Online-Prüfungen Täuschungsmanöver erkennen soll.

Die Doctolib GmbH wurde für die Vermittlung von Arztterminen über ihre Plattform ausgezeichnet, weil sie die Daten unter Missachtung der Vertraulichkeitsverpflichtung verarbeitet und für kommerzielle Marketingzwecke nutzt.

Einen Preis erhielt auch der Philosoph und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Julian Nida-Rümelin, für seine öffentlich mehrfach geäußerte Behauptung, dass Datenschutz die Bekämpfung von Corona erschwert und Tausende von Toten zu verantworten habe.

Demgegenüber betont Laudator padeluun (Pseudonym eines Künstlers und Netzaktivisten): "Datenschutz tötet nicht. Datenschutz ist die dünne Membran, die uns alle vor der Barbarei staatlicher und kommerzieller Übergriffigkeiten schützt". Der aktuelle Skandal um die Spionagesoftware Pegasus bestätigt dies.

Weltzerstörung oder "System Change"

Mit Corona hat die Geld- und Machtkonzentration sich verschärft. Biotechnologische und digitale "Lösungen" für die emotional hoch aufgeladene Bedrohung sind nahezu unhinterfragbar geworden und bekommen damit – ebenso wie ihre industriellen Anbieter – eine Akzeptanz, die profitable Geschäfte auch für absehbare zukünftige Krisen verspricht.

Das kann gar nicht genug angeprangert werden. 1973 erschien von Bernt Engelmann und Günter Wallraff das Buch "Ihr da oben – wir da unten", die Verhältnisse schienen klar. Heute wird denjenigen, die Eliten kritisieren, oft viel zu schnell vorgeworfen, Verschwörungserzählungen zu verbreiten.

Dabei ist doch dieses Gefühl, dass "die da oben" ihre eigenen Interessen verfolgen und sich bereichern, zutreffend und legitim, auch wenn es nicht mit Sachkenntnis und gewählten Worten formuliert wird.

Statt ideologischer Grabenkämpfe wären soziale Kämpfe um reale Macht angesagt, und das solidarische Teilen von Bildungs- und Wissensprivilegien, statt sie als Waffen gegen Aufbegehrende einzusetzen, und diese damit möglicherweise sogar den Rechten in die Arme zu treiben, die auch als Profiteure der Corona-Krise gelten können.

Corona hat gezeigt, wie verletzlich das ist, was hierzulande bislang als alltägliche Normalität galt - dass existenzielle Bedrohungen anderenorts längst zum Alltag gehören, verweist auf die Ignoranz der Nutznießenden einer "imperialen Lebensweise".3

Hinter Corona schien die Klimakatastrophe zu verschwinden, bis sie mit den katastrophalen Unwettern im Juli 2021 auch in Deutschland unübersehbar wurde. Plötzlich trifft auch dies Bedrohliche nicht "die Anderen", sondern es rückt näher, und all dies ist vermutlich erst ein Anfang.

Die in strukturellen Wachstumszwängen gefangenen und oft genug auch aus persönlichen Bereicherungswünschen handelnden Machthabenden werden die Bedrohungen durch absehbar kommende Krisen verschärfen, statt deren Ursachen endlich zu stoppen.

Unabhängig davon, ob Corona von Tieren übertragen oder in einem Labor gezüchtet wurde, ist das Virus ebenso wenig eine Naturkatastrophe wie der Klimawandel. Beides entspringt einem System, das mit patriarchalem Machbarkeitseifer für Wachstum und Profite Menschen ausbeutet und Natur zerstört.

Dieses System scheint an sein Ende zu kommen, jedenfalls wenn es noch eine lebenswerte Zukunft geben soll. Wann, wenn nicht jetzt, wäre also der Moment aufzustehen, das Bestehende grundsätzlich infrage zu stellen, nicht nur "die Welt ein wenig besser zu machen", sondern mit aller Kraft zu versuchen, diese Welt ganz anders zu machen im Sinne des viel beschworenen "System Change"?

Dieser Artikel erschien im Herbst 2021 in: Gerhard Hanloser, Peter Nowak, Anne Seeck (Hg): Corona und linke Kritik(un)fähigkeit. Kritisch-solidarische Perspektiven "von unten" gegen die Alternativlosigkeit "von oben". AG SPAK Bücher, Neu-Ulm 2021, 240 Seiten, 19 Euro.