Corona in Bayern: Pistengaudi mit Heizpilzen und Hotdogs...
...oder Ausgangssperren in Hot Spots? Söders Motto für den Lockdown: "verlängern, vertiefen und helfen". Koalitionspartner Aiwanger will zum Jahreswechsel wieder "auf grün schalten"
Große Brüder können ganz schön nerven. Sie buttern einen unter, wissen alles besser, und wenn sie reden, hören alle zu. Aber auch kleine Brüder haben ihre Tücken. Das fängt beim Petzen an und kann weitergehen bis zur offenen Revolte.
Als kleiner Partner von Markus Söder hat Hubert Aiwanger ein paar von den Tricks schon drauf, die es braucht, um wahrgenommen zu werden. Er weiß: Wer immer nur abnickt, was der große Bruder sagt, läuft Gefahr, irgendwann in dessen Schatten zu verschwinden. Wie zum Beispiel die FDP in der Koalition mit der CSU von 2008 bis 2013.
Im Vorfeld der gestrigen Beratungen im Kabinett darüber, wie verschärft die neuen Corona-Maßnahmen im Freistaat konkret ausgelegt werden, machte der Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister (FW) dementsprechend deutlich auf sich aufmerksam:
"Mein Appell: den Bogen nicht überspannen", twitterte Aiwanger noch in der Nacht. Im Interview mit B5 aktuell empfahl Aiwanger eine "gewisse Gelassenheit" und sprach sich für das Skifahren trotz Corona aus, denn da sei man an der frischen Luft. Und Aiwanger wäre nicht Aiwanger, wenn er nicht einen gewissen (unfreiwilligen?) Witz in die Debatte einbringen würde. Am Rand der Piste imaginierte er Heizpilze und Hot-Dogs, damit die Skifahrer trotz Corona schlemmen können.
Auch Gastronomiebetriebe sollten laut Aiwanger an Weihnachten öffnen dürfen: "Wenn die Oma mit ihren drei Kindern zum Essen geht, hat man fast weniger Infektionsrisiko, als wenn die zu Hause auf dem Sofa Weihnachten feiern."
Überhaupt spricht der Landwirt mit seiner niederbayerischen Sprachfärbung gerne übers Essen. Seine Hendl- und Biergarten-Reden haben ihn berühmt, wenn nicht unsterblich gemacht - auch wenn manch einer Untertitel bräuchte, um alles zu verstehen. Zum Beispiel, als es um einen Deal mit Versicherungen ging, die Wirten coronabedingte Einbußen nicht erstatten wollten:
Also die haben jetzt schon das halbe Hendl bratfertig am Tisch. Die Alternative wäre gewesen, wenn ich mich zurücklehne, dass ich sag, da läuft das Hendl irgendwo hinten im Garten rum, fang dir’s ein, dann hast du ein ganzes Hendl. Du brauchst aber den Rechtsanwalt dazu. Ich garantier dir nicht, dass du das ganze Hendl jemals sehen wirst.
Aiwanger im Mai 2020
Genießen, sporteln, shoppen: Neben dem omnipräsenten Mahner Söder setzt Aiwanger in der Koalition auf Risiko und versucht sich als Verfechter der Lebensfreude. Zumindest sichert ihm das Aufmerksamkeit. "Aiwanger hat die Fähigkeit, die CSU zur Weißglut zu treiben", meinte die FAZ bereits vor zwei Jahren. Dass er dabei "den Pfad der Seriosität doch gerne mal verlässt", macht ihn in Bayern zu keiner Ausnahmeerscheinung.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag waren die Reihen dann jedoch geschlossen, der Kleine und der Große saßen Seite an Seite: Man werde "verlängern, vertiefen und helfen" kündigte Söder an, der sich mehrmals für die harmonische Zusammenarbeit in der Kabinettsitzung bedankte. Söder verzichtet diesmal auf einen bayerischen Sonderweg, die bayerischen Beschlüsse halten sich weitgehend eng an die Verschärfungen des Bundes ("Der Winter wird schwer, aber er wird enden").
Der kleine Bruder versäumte es dabei nicht, seinen Anteil daran zu reklamieren: "Ich habe gesagt, wir sollen den Bogen nicht überspannen und das wurde gehört", so Aiwanger. Er wolle die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gewahrt sehen. Als "Vertiefungsprozess" kündigte Söder jedoch an, dass Schulklassen ab Klassenstufe acht bei einer Corona-Inzidenz von mehr als 200 künftig geteilt werden müssen, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden können.
Bei Inzidenzen ab 300 würden Ausgangsbeschränkungen wahrscheinlich. Und wie geht es mit dem Skifahren weiter? Während Merkel sich in der EU dafür stark machen will, dass es europaweit bis mindestens 12. Januar keine Skiurlaube geben dürfe, führt Bayern schnurstracks eine Quarantänepflicht für Tagesausflüge ins Ausland ein.
Hubert Aiwanger sieht das wieder ein wenig anders: "Das Skifahren ist das Problem nicht", so der Wirtschaftsminister, da es ja draußen stattfinde. Er hoffe außerdem, dass man Mitte Dezember eine Perspektive für den Jahreswechsel geben, wieder "auf grün schalten" könne - für unbeschwertes Skifahren und eine geöffnete Gastronomie. "Gönnen wir den Menschen auch Freude am Leben", so Aiwanger.