Corona ist der neue Kaffeesatz
Virale Nachrichten aus dem Homeoffice
Medienforschern liefert die Corona-Berichterstattung unbezahlbares Material zur kollektiven Meinungsbildung über einen unbekannten Sachverhalt. Während sich Sokrates die Erkenntnis leisten konnte zu wissen, dass er nichts wusste, sahen sich die Medienvertreter zum Spreaden von Virenweisheiten verpflichtet. Die Halbwertszeiten von journalistischer Meinung, die durchs Dorf in Herdenstärke getrieben wird, ist bemerkenswert.
Noch im Januar - als man in China längst die Katastrophe erkannt hatte - lautete ein Narrativ, das Virus sei nicht schlimmer als eine gewöhnliche Grippe. Der Bayerische Rundfunk bewertete Andersdenkende in einem Video als Panikmacher. Dann aber sah man sich doch irgendwie veranlasst, das Video zu löschen mit der Begründung, das Video werde in Social-Media von "rechten Trollen" verbreitet, die Faktenlage habe sich geändert. Vermutlich hat sich nur deren Interpretation geändert …
Dann statt nun die Meinungsvielfalt zu gewährleisten - eigentlich die Existenzgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - verfiel man ins andere Extrem und konnte vom Social Distancing gar nicht genug predigen. Der Norddeutsche Rundfunk erklärte nunmehr gegenteilige Meinungen zu abstrusen Verschwörungstheorien, vermengte Kritiker mit esoterischen Impfgegnern und konstruierte sogar antisemitische Motive.
Als dann ein emeritierter Professor für Mikrobiologie, den man in persona nur schwer diskreditieren konnte, zu anderen Ergebnissen als die Journalisten kam und eigene Thesen an die Kirchentür nagelte, stigmatisierte das Zweite Deutsche Fernsehen diesen Frevel als "Fake News".
Wenig hört man allerdings vom Problem der Ausweichhandlungen, bei denen man nur schwer beurteilen kann, ob sie unterm Strich mehr schaden als nutzen, etwa das Verschieben normaler medizinischer Behandlungen, die Probleme, wenn sich Menschen zuhause zu lange auf die Pelle gehen oder die humanitäre Katastrophe der Menschen im Flüchtlingszentrum Moria, die man nun weitgehend sich selbst überlässt. Das Schließen etwa der US-Grenzen etwa führt zu Engpässen bei Blutplasma, da keine Mexikaner mehr zum Blut spenden kommen. Zur Aggregation von Klorollen muss wohl nichts mehr gesagt werden.
Doch auch die politische Einordnung des Geschehens bietet ausgiebig Gelegenheit zu intellektueller Höchstleistung. Der texanische Vizegouverneur Dan Patrick forderte, die Wirtschaft müsse weiterlaufen, daher sollten sich Großeltern für die Enkel opfern.
"Hold my beer" sagte sich Donald Trumps biblischer Berater Ralph Drollinger/ und erklärte die Pandemie zu Gottes Zorn über China, Homosexuelle und Umweltaktivisten. Und Mr. President Donald Trump himself, unzweifelhaft im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte läuft derart zu Hochform auf, dass ihn inzwischen manche US-Rundfunkstationen nicht mehr live sendet, damit man seine Weisheiten vorher noch korrigieren kann.
Während die US-Politiker also reichlich Arbeitsproben ihres Könnens liefern, bediente Julian Reichelts lustige BILD-Zeitung lieber ihre Feindbilder und warf den Russen Zersetzungspropaganda vor. Eifrig bildete man, dass endlich nunmehr der Verfassungsschutz den fiesen Russen-Sender beobachte - aber solcherlei Falschmeldung war dann sogar dem Verfassungsschutz zu BLÖD. Dass die Russen den Italienern Beatmungsgeräte geschickt haben und sogar die Kubaner Ärzte, wird es wahrscheinlich nicht auf den BILD-Titel schaffen.
Zwischendurch jubelte Reichelts Bild-Zeitung ausgerechnet den kindlichen Kanzler Kurz zum starken Mann hoch, so einen brauche man auch in Berlin. Tatsächlich jedoch hatte Kurz eine lange Leitung, denn statt Ischgl unter Quarantäne zu stellen, feierte man die Party heiter weiter und spreadete die Touristen in alle Welt.
Als zuverlässiger erweisen sich einmal mehr die Kabarettisten, etwa die Anstalt (ab Minute 8.50).
Also lassen wir das mit den Fakten besser konsequent ganz und vergleichen unsere Situation lieber mit Science-Fiction-Filmen. Exzellente Orientierung bietet dieses Diagramm.
Der Autor dieser Zeilen beansprucht für sich keine medizinischen Kenntnisse und hatte sich schon sehr früh entschlossen, keine Behandlung in Zeiten knapper Betten zu riskieren. Er praktiziert daher konsequent Homeoffice und Social Distancing und empfiehlt als Prophylaxe gegen Corona-Speck Tanztutorials, etwa eines der Black Eyed Peas.