Covid-19: Anders als Deutschland spricht die schwedische Regierung weiter nur Empfehlungen aus
Angesichts auch in Schweden steigender Infektionszahlen gelten ab letzten Montag neue Regeln, die aber nicht strafbewehrt sind, aber für nächstes Jahr ist ein Pandemiegesetz geplant, das Verbote ermöglichen soll
In Schweden steigen die Infektionszahlen derzeit ebenfalls an. Aber im Unterschied zu Deutschland greift man nicht zu einer Anordnungspolitik, die das Parlament aushebelt, sondern bleibt bei in der Regel Empfehlungen, die auch nicht strafbewehrt sind. Ausnahmen gibt es wenige, beispielsweise ein Verbot von Versammlungen über 50 Personen und einige Regeln für Restaurants und Kneipen.1 Bislang hatte sich die Strategie auch bewährt, Schweden kam nicht schlechter weg als manche Länder, die Lockdowns verhängt haben und die jetzt wieder hohe Infektionszahlen aufweisen.
Neu ist eigentlich nur, dass nun auch regionale Behörden bestimmte Empfehlungen - allmänna råd - aussprechen können, weil natürlich auch in Schweden erkannt wurde, dass die von der WHO ausgerufene Pandemie sich regional sehr unterschiedlich ausbreitet. Was das Infektionsgeschehen betrifft, unterscheidet sich Schweden derzeit nicht wesentlich von Deutschland (Der schwedische Kurs in den Corona-Winter).
Empfehlungen statt Verbote und Zwänge
In der Gesundheitsbehörde spricht man von einer ernsthaften Empfehlung, da die Empfehlungen nicht gesetzlich bindend sind und deren Übertretung eben auch keine Strafen nach sich zieht. Gleichwohl sollen sie für alle gelten, die sich in Schweden aufhalten, und irgendwie verbindlich sein. Lokale Behörden dürfen auch nicht einfach selbst solche Empfehlungen aussprechen, ähnlich wie deutsche Landesregierungen eigenmächtig Anordnungen erlassen können, sondern nur in Absprache mit der Gesundheitsbehörde. Allerdings dürfen Regionen weitere Maßnahmen anordnen.
Die am 13. Oktober angekündigten Empfehlungen, die am 19. Oktober in Kraft traten, wenn man das überhaupt so sagen kann, oder die, vielleicht besser, ihr moralisches Gewicht in Gang setzten, können einem Lockdown gleichen, ohne ein solcher zu sein. Empfohlen wird in Risikogebieten u.a.
- den öffentlichen Nahverkehr zu vermeiden
- unnötiges Reisen aus der Region oder einem Risikogebiet zu vermeiden
- den Besuch von Menschen in Risikogruppen über 70 Jahren oder Pflegeheimen zu vermeiden
- Menschen in Risikogruppen sollen Kontakte einschränken, nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und nicht in Supermärkten und Apotheken gehen
- Innenräume zu meiden, in denen sich Menschen wie in Geschäften, Einkaufszentren, Museen etc. versammeln, ausgenommen Supermärkte und Apotheken
- Versammlungen, Konzerte, Vorträge, Sporttraining und -wettbewerbe vermeiden
- Bars, Restaurants und Café vermeiden
- körperlichen Kontakt mit allen vermeiden, mit denen man nicht zusammenlebt
Das Tragen von Masken in öffentlichen Räumen wird weiterhin nicht empfohlen, geschweige denn, ein Maskenzwang ausgesprochen, da die Wirksamkeit von Masken weiterhin unklar sei. Überdies könne das falsche Tragen einer Maske zur Verbreitung des Virus oder zur Nachlässigkeit führen, etwa bei Symptomen nicht Zuhause zu bleiben. Generell wird empfohlen, die Distanz zu wahren und persönliche Verantwortung zu übernehmen, also bei Erkrankung, Zuhause zu bleiben, auf Symptome zu achten, die Hände zu waschen, nicht Mund, Nase und Augen zu berühren und in den Ellbogen zu niesen sowie möglichst Zuhause zu arbeiten.
Behörden, Unternehmen und Organisationen müssen Mitarbeiter, Kunden oder Besucher informieren, Abstände markieren, Vorsorge treffen, dass sich keine Staus bilden, möglichst digitale Treffen organisieren, Treffen von Menschen in beengten Räumen vermeiden und Möglichkeiten bieten, dass die Hände gewaschen werden können.
Kommunen können, je nach Lage, alle Empfehlungen oder eine Auswahl aussuchen. Johan Nöjd, der Infektionskontrollarzt in der Region Uppsala, wo die Infektionsraten auch stark angestiegen sind, meint, dass bislang die Kontaktrückverfolgung keine deutlichen Hinweise auf bestimmte Orte aufzeigt, also Empfehlungen wie die Vermeidung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder des Besuchs von Pflegeheimen davon nicht gestützt würden. Es gebe kein "spezifisches Milieu, in dem die Ansteckung durch den Virus" erfolge. Aber es kämen laufend Ansteckungsberichte, so dass durchaus auch einmal Konzerte oder Restaurants eine Rolle spielen könnten. Allerdings ist es so, dass bei Empfehlungen, den Besuch von Bars oder Restaurants zu meiden, diese auch nicht geschlossen werden müssen, wenn die Inhaber dies nicht wollen.
Neues Pandemiegesetz geplant
Allerdings bereitet die schwedische Regierung nun doch neue gesetzliche Vorgaben vor, weil die vorhandenen nicht zur Bekämpfung der Pandemie ausreichen würden. Gesundheitsministerin Lena Hallengren erklärte, die Regierung brauche mehr Werkzeuge. Das im April verabschiedete Pandemiegesetz, das es der Regierung erlaubt hätte, Restaurants, Geschäfte, Schulen, Häfen etc. zu schließen, ist am 30. Juni ausgelaufen und nicht verlängert worden.
Gefragt, warum die Regierung ein solches Pandemiegesetz erst jetzt plant, sagte Hallengren, man befinde sich wahrscheinlich noch nicht in der Mitte der Pandemie, die noch lange dauern werde. Das neue Gesetz wird aber erst im Sommer nächsten Jahres erwartet und soll nicht nur Obergrenzen festlegen können, sondern es auch ermöglichen, tief in die von der Verfassung garantierten Rechte einzugreifen und die Bewegungs-, Ausgangs- und Geschäftsfreiheiten zu begrenzen. So könnte die Höchstmenge an Personen für Geschäfte oder Transportmittel festgelegt werden.