Covid-19: Höhepunkt nach 40 Tagen, Ende bei 60 Tagen unabhängig von Maßnahmen?
Nach einem israelischen Wissenschaftler gleichen sich die Verläufe weltweit, ob Lockdown oder nicht soll die Pandemie in sich zusammenbrechen
Aufsehenerregend in der Flut der wissenschaftlichen Studien zu Aspekten von Covid-19 sind die Ergebnisse einer Analyse des israelischen Militärwissenschaftler und Mathematikers Isaac Ben-Israel, der Vorsitzende der israelischen Weltraumbehörde und des Nationalen Rats für Forschung und Entwicklung des Wissenschaftsministeriums. In einer Studie, die am 16. April veröffentlicht wurde, kommt er zu dem Schluss, dass die Statistik zeige, dass die Coronavirus-Pandemie nach 70 Tagen ihr Ende erreiche, egal wo sie stattfindet und unabhängig davon, welche Maßnahmen die Regierung ergriffen haben.
Sollte dies zutreffen, sind nicht nur viele Regierungen blamiert, sondern auch deren wissenschaftliche Berater. Der Lockdown wäre dann weder die einzige, noch überhaupt eine richtige Lösung. Ben-Israel sagt, er und sein Team hätten die Statistiken der Coronavirus-Pandemie geprüft und seien zu dem Schluss gekommen, dass diese 40 Tage nach dem Ausbruch ihren Höhepunkt erreiche und nach 70 Tage praktisch gegen Null gehe. Bestritten wird vor allem die These, dass die Ausbreitung exponentiell geschehen würde, wenn nicht massiv eingegriffen wird.
Unsere Analyse zeigt, dass dies ein konstantes Muster in allen Ländern ist. Überaschenderweise ist dieses Muster Staaten gemeinsam, die ein hartes Lockdown mit der Paralyse der Wirtschaft realisiert haben, aber auch Ländern, die sehr viel leichtere Maßnahmen ergriffen und das Alltagsleben fortgesetzt haben.
Isaac Ben-Israel
In Deutschland wird gerade vor einer Lockerung der strengen Maßnahmen gewarnt, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor gefährlichen "Diskussionsorgien" gewarnt, der israelische Wissenschaftler empfiehlt, die Lockdown-Strategie in Israel in den nächsten Tagen zu beenden und durch eine Strategie der gemäßigten sozialen Distanzierung zu ersetzen.
Kein exponentielles Wachstum
Anhand der Fallrate in Israel weist der Wissenschaftler darauf hin, dass die Neuinfektionsrate nicht konstant angestiegen sei, weswegen man schon deswegen nicht von einer exponentiellen Zunahme sprechen könne. Auf die Zahl der Tests und die zeitverzögerte Erfassung der Daten geht er nicht ein, allerdings wird klar, dass der Höhepunkt der Neuinfektionen am 41. Tag war und seitdem zurückgegangen ist. Hatte sich die Zahl zunächst alle 2-4 Tage verdoppelt, so geschieht dies jetzt nur noch alle 30 Tage. Anfangs habe es zwar ein exponentielles Wachstum gegeben, aber jetzt nicht mehr. So gehe die Zahl der Neuinfektionen schon nach den ersten Tagen zurück.
Ganz genauso sei es etwa in den USA. Bei einer angenommenen Reproduktionsrate von nur 1,15 hätte die Zahl der Neuinfektionen pro Tag auf etwa 100.000 ansteigen müssen, sei aber im Trend rückläufig bei etwa 30.000 (und liegt jetzt bei etwa 25.000). Das sei ein globales Phänomen. Bei einem exponentiellen Wachstum würde die Zahl der Neuinfektionen bei täglich 300.000 liegen, sie ist aber unter 100.00 geblieben und beträgt jetzt 87.000.
Das Muster ließe sich in allen Ländern finden. Verglichen wird Italien, das einen Lockdown umgesetzt hat, mit Schweden, das eine sehr liberale Strategie verfolgte. In Italien kam seit 24. Februar der Anstieg der Neuinfektionen Ende März zu einem Höhepunkt von über 5000 und fällt seitdem (jetzt 3000), in Schweden wurde beginnend am 2. März ein Höhepunkt um den 6. April mit mehr als 500 Neuinfektionen am Tag erreicht, seitdem geht es zurück. Bei einem exponentiellem Wachstum wäre eine tägliche Neuinfektionsrate von 2500 zu erwarten gewesen. Gerade geht es allerdings mit den Neuinfektionen in Schweden wieder bergauf mit täglich über 800 und auch vermehrten Todesfällen.
Ben-Israel versucht, der Grund zu eruieren, warum die Pandemie in den Ländern nicht exponentiell gewachsen ist. Die Verlaufskurve sei zwischen Ländern, die ein Lockdown frühzeitig oder auch später umgesetzt haben, und solchen, die wie Taiwan, Südkorea oder Schweden "fast das Alltagsleben" fortsetzen, ganz ähnlich. Es gebe anfänglich ein schnelles Wachstum und dann einen Niedergang der Pandemie. In allen Ländern sei die wöchentliche Zunahme der Neuinfektionen in der ersten Phase gleich bei durchschnittlich 30 Prozent, falle aber nach 6 Wochen auf 10 Prozent, um dann eine Woche später weiter auf 5 Prozent zurückzugehen.
Eine Erklärung für die angeblich kurze Lebensdauer von Covid-19 bietet Ben-Israel nicht. Auch keinen Vergleich mit anderen Pan- oder Epidemien. Auch nicht dafür, warum in manchen Ländern die Todeszahlen so hoch sind, in anderen Ländern nicht. Es wird sich zeigen, ob seine Diagnose zutrifft. Man könnte aber auch fragen, warum er überhaupt Distanzierungsstrategien befürwortet, wenn das Ergebnis immer dasselbe ist. Allerdings ist es nicht immer dasselbe: In manchen Ländern sterben mehr als in anderen.
Lockdown soll keinen Sinn machen
Ein vollständiger Lockdown verringere zwar die Zahl der Neuinfektionen, aber das sei eben in Ländern ähnlich, die viel laxer handeln. Da ein Lockdown ernsthafte Folgen habe, beispielsweise zum Anwachsen der Arbeitslosigkeit und zum Rückgang des BIP (in Israel monatlich um 8 Prozent) führe, die Armut und die Todesfälle durch andere Erkrankungen ansteigen lasse, sei es besser, das Lockdown zu beenden und kostengünstige Maßnahmen wie das Tragen von Masken, das Verbot von Massenveranstaltungen und die Ausweitung der Tests weiterzuführen.
Für Israel empfahl er eine Beendigung des wirtschaftlichen Lockdowns bis Ende April und die Durchführung von 20.000-30.000 Tests täglich. Israel werde vermutlich nicht eine Überforderung des Gesundheitssystem wie Italien, Spanien oder New York erleben. Es könne aber zu einem Mangel von Beatmungsgeräten kommen, was man aber durch den Kauf von solchen verhindern könne.
Die israelische Regierung folgte dem Rat, allerdings sehr vorsichtig. Ab heute können die Geschäfte (aber nicht die Einkaufszentren oder Malls), Friseur-, Schönheits- und Kosmetikläden wieder öffnen, Restaurants dürfen Essen zum Mitnehmen anbieten. Im öffentlichen Raum müssen ab dem Alter von sieben Jahren alle Atemschutzmasken tragen. Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass ein Abstand von 2 Metern gewahrt wird und die Angestellten in Schichten arbeiten. Geschäfte sollen die Körpertemperatur der Kunden messen und sie nach ihrem Gesundheitszustand befragen, das gilt auch für Frisöre u.a., ein Abstand von 2 Metern zwischen den Kunden muss gewahrt werden.
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