Covid-19, Home Office und häusliche Gewalt

Symbolbild: Luis Miguel Bugallo Sánchez. Lizenz: Public Domain

In der Folge der Covid-19-Pandemie wurden Beschäftigte zur Arbeit im Homeoffice verpflichtet und müssen nun in einer Arbeitsecke 24 Stunden täglich mit der Restfamilie zurecht kommen - die berufliche Herausforderung kollidiert da vielfach mit der Realität

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Anders als zur traditionell konfliktgeladenen Weihnachtszeit, in der sich die Familien zuhause drängeln, ist die Situation nicht zuletzt aufgrund der bedrohlichen Ungewissheit auch hinsichtlich der Dauer des Ausnahmezustands deutlich brisanter als zum Jahreswechsel üblich.

Wie bei den Zahlen zur aktuellen Corona-Pandemie sind auch die Angaben zur gegenwärtigen häuslichen Gewalt nicht wirklich belastbar. Bis die Polizeistatistiken hierzu verlässliches Material bereitstellen werden, dürfte noch einige Zeit vergehen. Schon heute gibt es jedoch warnende Stimmen, welche zumeist davon ausgehen, dass der Ansturm auf die Frauenhäuser und der Run auf die Scheidungsanwälte erst dann erfolgt, wenn die Corona-Pandemie sich dem Ende zuneigt, weil derzeit ein erhöhtes Infektionsrisiko im unbekannten Umfeld eines Frauenhauses befürchtet wird.

Warnungen vor einer Zunahme häuslicher Gewalt in China

Nach der Abschottung ganzer Provinzen in in der Folge der Verbreitung des Coronavirus kamen erste Berichte über eine Zunahme häuslicher Gewalt in China auch in der westlichen Presse an. So wird die Information einer in Beijing ansässigen NGOs, die sich mit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen befasst, wiedergegeben. Sie berichtete über eine steigende Zahl an Anrufen seit Anfang Februar, als die chinesische Regierung in Hubei einen Lockdown verordnete.

Auch die WHO warnte vor einer zunehmenden Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Folge der häuslichen Quarantäne. So gibt es Meldungen, dass die Fallzahlen häuslicher Gewalt nach Aussagen aus einer Polizeistation in Jingzhou in der Provinz sich im Februar 2020 im Vergleich zum gleichen Monat im Vorjahr verdreifacht haben.

Hinweise auf das Risiko verstärkter häuslicher Gewalt aus Frankreich

Am 17. März 2020 brachte Euractiv einen Beitrag zur Entwicklung der häuslichen Gewalt in Frankreich in der Folge des von Macron verordneten 15-tägigen Lockdowns. Die Krise, die man derzeit durchmache, und die Quarantäne könnten zu einer Steigerung der häuslichen Gewalt führen und man solle die Situation der Frauenhäuser im Auge behalten, welche sich um die weiblichen Opfer häuslicher Gewalt kümmern, wird die französische Staatssekretärin Marlène Schiappa wiedergegeben.

Obwohl auch die Gerichte vom allgemeinen Lockdown betroffen sind, werden Fälle häuslicher Gewalt wohl auch gegenwärtig vor Gericht verhandelt. Auch die Notfall-Hotline 3919 soll weiter betrieben werden und betroffen Frauen eine Möglichkeit biete, wie sie gewalttätigen Partnern auch in der aktuellen Situation entkommen können.

In Zeiten, in welchen viele Arbeitgeber ihre Beschäftigten anregen, im Homeoffice zu arbeiten und den direkten Kontakt zu den Kollegen zu vermeiden, kommt es wohl in zahlreichen Fällen inzwischen zu häuslicher Gewalt. Verstärkt wird die Stresssituation dabei durch die Tatsache, dass auch die Schulen geschlossen haben und sich die Eltern mit Home Schooling befassen müssen und zudem noch für die gesamte Familie kochen müssen.

Auch in Israel spricht man von einer Zunahme häuslicher Gewalt

In Israel, das seit geraumer Zeit in einer bislang ungelösten politischen Krise gefangen ist, nehmen die Fälle häuslicher und sexueller Gewalt seit dem Corona-Lockdown offensichtlich zu, wie die ZeitungHaaretz in verschiedenen Berichten meldet.

Man rechnet damit, dass die Frauenhäuser, welche bedrohten Frauen Schutz anbieten, in den kommenden Tagen voll ausgelastet sein werden, und erwähnt, dass das "Welfare Ministry" überlege, zusätzlichen Raum für betroffene Frauen anzumieten, da die vorhandenen Frauenhäuser schon zu 95 Prozent belegt seien. Dies hänge auch damit zusammen, dass die Frauen, welche sich in eines der Frauenhäuser geflüchtet hatten, jetzt vor dem Dilemma stehen, dass sie dort jetzt kaum wieder ausziehen können, weil sie in der derzeitigen Situation keinen Job finden können.

Häusliche Gewalt als weltweites Problem

Die Zunahme der häuslichen Gewalt scheint derzeit ein weltweites Phänomen zu sein, das jedoch schwerpunktmäßig in Städten zum Ausbruch kommt, wo die Wohnungen vielfach klein sind und der tägliche Auslauf in den Zeiten der Pandemie ziemlich begrenzt ist.

"UNO-Generalsekretär Guterres hat einen weltweiten Anstieg häuslicher Gewalt angesichts der Einschränkungen in der Coronavirus-Pandemie kritisiert", meldet der Deutschlandfunk am 6. April. In den vergangenen Wochen habe es als Folge der in der Krise gewachsenen wirtschaftlichen und sozialen Drucksituationen sowie der gestiegenen Ängste eine weltweite Zunahme der häuslichen Gewalt gegeben. "Für viele Frauen und Mädchen ist die Bedrohung dort am größten, wo sie am sichersten sein sollten. In ihrem eigenen Zuhause", wird Guterres zitiert.

In Deutschland gibt es für Kinder und Jugendliche, die Hilfe suchen, die deutschlandweite kostenfreie Notrufnummer 116 111. Für Frauen gibt es das Hilfetelefon unter der ebenfalls kostenlosen Nummer 08000/116016.