Covid-19 und das Wetter

Seite 3: Wien, São Paulo, Reykjavik

Die Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien verglichen die Überlebensrate der Viren unter natürlicher UV-Strahlung in der österreichischen Hauptstadt und im subtropischen São Paulo (Brasilien) sowie in Reykjavik (Island). In Island reicht die Strahlungsintensität nur in den Sommermonaten Juni und Juli aus, um Coronaviren zu neutralisieren. Innerhalb von 30 bis 100 Minuten sind 90 Prozent der Viren vernichtet, nach einem Tag so gut wie alle Viren. Im äquatornahen Brasilien funktioniert dieser Effekt während des gesamten Jahres. In Mitteleuropa reicht die UV-Strahlung im Frühjahr, Sommer und Herbst aus, in akzeptabler Zeit 90 Prozent der Viren abzutöten; im Sommer geht das besonders rasch.

Gerade das Beispiel São Paulo dürfte aber die Grenzen der frohen Botschaft aufzeigen. In fast keinem Land der Welt gibt es so viele Corona-Tote wie in Brasilien; im Verhältnis fast zweimal so viele wie hierzulande. Eine hohe Zahl an Todesfällen trifft dort Kinder in der Altersgruppe von null bis neun Jahren. Hier fehlt es auf ganzer Linie an belastbaren Erklärungen.

Für die Forscher ist die UV-Strahlung im Frühjahr, Sommer und Herbst zwar der wichtigste natürliche Begrenzungsfaktor für das Überleben des Virus im Freien. Eine direkte Übertragung von Person zu Person bleibt aber weiterhin das Schreckgespenst. Auch im Sommer, wenn wolkenloser Himmel für die Luftdesinfektion eigentlich ideal ist, bleibt eine Covid-19-Infektion unter freiem Himmel im direkten Kontakt möglich. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass andere Faktoren wie Oberflächentyp, Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit eine weit geringere Rolle spielen.

Betrachtet man die Ergebnisse beider Studien, so scheint der Einfluss kurzfristiger variabler Wettereffekte gering, die saisonale Veränderung der Witterung aber durchaus relevant. Mit den Jahreszeiten verändert sich auch das Auftreten bestimmter Wetterlagen. Ein sonniger November reicht aber dennoch nicht für eine effektive UV-Sterilisation der Atemluft, dafür steht die Sonne zu tief am Himmel.

"Starkes saisonales Muster"

Allerdings wurde eine Verbreitung von Sars-CoV-2 in fast allen Ländern der Erde unabhängig von der Jahreszeit beobachtet, und auch in Deutschland kam es im Sommer zu Übertragungen und Ausbrüchen. Hörbar ist die Warnung für eine erhöhte Übertragung während der Wintersaison allemal; hoffentlich trifft sie im Sommer 2021 auf offene Ohren.

"Die Vielfalt möglicher Ursachen macht es außerordentlich schwierig, die verschiedenen saisonalen Faktoren voneinander zu trennen", erklären die Forscher der jüngsten Oxford-Studie, auf die Karl Lauterbach sich bezog. Eine der Thesen lautet: Die UV-Strahlung könnte die RNA im Virus aufbrechen. Damit wäre der Erreger nicht mehr aktiv und somit auch nicht mehr in der Lage, sich weiter zu verbreiten.

"Ein starkes saisonales Muster" erkennt Studienautor Jan Kulveit jedenfalls. Dies deutet darauf hin, dass die Saisonalität einen stärkeren Effekt hat als bisher angenommen. Das betrifft auch die Mutationen wie die deutlich infektiösere Delta-Variante. Die Daten beziehen sich aber lediglich auf Europa und eine Sommer-Winter-Periode: "In anderen Klimazonen ist die Saisonalität wahrscheinlich anders", erklärt Kulveit. Und damit sind wieder viele Fragen offen.