Crazy-Con
Der Erfolg des Moderators Glenn Beck
In der South-Park-Folge "Dances with Smurfs" verbreitet Eric Cartman als Schuldurchsager in bizarren Theorien immer wieder den Vorwurf, dass Schülersprecherin Wendy Testaburger Schlümpfe töten und die Schule in ein "sozialistisches Hurenland" verwandeln will. Trey Parker ließ ihn hier eine Figur parodieren, die den deutschen Fernsehzuschauern noch relativ unbekannt ist: den Fox-News-Moderator Glenn Beck.
Obwohl Beck seine Fox News Fernsehshow erst seit Barack Obamas Amtsübernahme moderiert, ist er extrem erfolgreich. Forbes schätzte sein Jahreseinkommen im April auf etwa 32 Millionen Dollar - mit steigender Tendenz. Nur ein relativ kleiner Teil davon - nämlich 2 Millionen - ist das Honorar, das er vom Murdoch-Sender bezieht. Der Rest setzt sich aus diversen Merchandising-Einnahmen zusammen, darunter Tantiemen für sechs Bestseller-Bücher, Vortragshonorare und Gebühren für seine "Online-Universität".
Beck polarisiert die USA derzeit stärker als jede andere öffentliche Figur: Während ihm seine zahlenden Anhänger eine geradezu religiöse Verehrung entgegenbringen, geben sich die meisten Kritiker nicht mit Einschätzungen oberhalb von "verrückt und gefährlich" zufrieden. Der Schriftsteller Stephen King etwa nannte ihn den "geistig behinderten kleinen Bruder Satans" und der Daily-Show-Moderator Jon Stewart meinte, mit Beck habe man endlich jemanden gefunden, der "sagt, was Leute denken, die nicht denken". The Buffalo Beast wählte den trockenen Alkoholiker im Januar auf Platz 1 der Liste der widerlichsten Amerikaner und beschrieb ihn vorher als einen "verrückten Obdachlosen, der auf einer Umhängetafel den Untergang prophezeit, und den Jemand rasiert, mit Sertralin vollgepumpt und in eine Show gesteckt hat".
Bemerkenswert an Beck ist, dass die Kritik an ihm nicht nur von demokratischer und unabhängiger, sondern auch von republikanischer Seite kommt. David Klinghoffer, der ehemalige Feuilletonredakteur der Zeitschrift National Review, beklagte sich in offensichtlicher Anspielung auf das enfant terrible, dass im amerikanischen Konservativismus die Visionäre durch "crazy-cons" ersetzt worden seien, die für "Demagogie und Hausierertum" stünden und der ehemalige Fox-News-Watch-Moderator Eric Burns verglich den Mormonen mit Huey Long und Father Coughlin und meinte, er wäre allen "wirklichen Konservativen" peinlich.
Wirtschaftlich wirkt sich dies insofern aus, als die Zahl derjenigen Fox-Werbekunden, die ihre Spots nicht in Becks Show ausgestrahlt sehen möchten, innerhalb des letzten Jahres von 26 auf fast 300 stieg. Offenbar möchte nicht jede Firma damit in Verbindung gebracht werden, wenn jemand Gewaltfantasien offenbart, in denen er den Abgeordneten Charles Rangel mit einer Schaufel erschlägt. Sogar dann, wenn Beck nur als Gast in anderen Shows auftritt, spürt Fox News diesen Effekt, weshalb Sendungen mit ihm als so genannte "empty calories" gelten, die zwar hohe Einschaltquoten erzielen, aber Gift für die Werbeeinnahmen sind.
Die hohen Einschaltquoten erklären sich unter anderem daraus, dass Beck unbestreitbar unterhaltsam ist. Und diese Unterhaltsamkeit rührt zu einem großen Teil aus seiner Unberechenbarkeit und aus Tabubrüchen. So lud er beispielsweise einen Gast ein, der plant, eine "islamfreundliche" Schwulenbar in unmittelbarer Nähe der umstrittenen Park-51-Moschee zu eröffnen und diskutierte mit ihm Namensideen wie "Turban Cowboy" und "You Mecca Me Hot".
Möglich sind ihm diese Tabubrüche deshalb, weil der gebürtige Katholik nicht in der evangelikalen Parallelkultur aufwuchs und ihm die populäre Kultur keineswegs fremd ist: Seinen eigenen Angaben nach rauchte er 15 Jahre lang täglich Marihuana und dachte zeitweise über ein Re-Enactment von Kurt Cobains Selbstmord mit Nirvana-Soundtrack nach. Seine Begeisterung für das Radio führt er auf den Aktionskunst- und Hörspielklassiker War of the Worlds zurück und Orson Welles' Mercury Theater diente ihm als Vorbild bei der Benennung seiner Produktionsfirma Mercury Radio Arts.
Bereits als Teenager begann Beck mit der Moderation von Frühstücksradiosendungen. In diesem Metier scheint er sich wenig von anderen Exponenten des Formats abgesetzt zu haben: Auch er arbeitete mit dem Standardrepertoire aus Telefonstreichen, Soundeffekten und Akzentparodien. Allerdings bewies er einen gewissen Willen zur Grenzüberschreitung, als er bei der Frau eines Konkurrenten anrief und Witze über deren Fehlgeburt machte.
In den 1990ern schloss sich Beck dann den Anonymen Alkoholikern an und wurde politischer - wobei er damals allerdings noch für das Recht auf Abtreibung plädierte. Seine erste Nachmittagstalkshow übernahm er 1999 in Tampa beim Sender WFLA. Kraig Kitchin, der den Moderator später zu einem landesweit ausgestrahlten Radioprogramm verhalf, erinnerte Becks Behandlung von Themen in dieser Sendung damals an die Serie Seinfeld.
2006 holte ihn Joel Cheatwood, der angebliche Erfinder des Nachrichtenauswahlmottos "if it bleeds, it leads" zum Kabelfernsehsender CNN Headline News. Dort erregte Beck unter anderem Aufsehen, als er den demokratischen Abgeordneten Keith Ellison, der als erster Moslem in den Kongress gewählt wurde, wie folgt ansprach:
Ich muss ihnen sagen, dass ich wegen dieses Interviews mit ihnen nervös war. Denn was ich meinem Gefühl nach sagen möchte, ist "Sir, beweisen Sie mir, dass Sie nicht mit dem Feind zusammenarbeiten." Und ich weiß, dass Sie das nicht tun. Ich beschuldige Sie nicht, der Feind zu sein, aber das sind meine Gefühle und ich glaube, eine Menge Amerikaner fühlen da wie ich.
Nachdem zahlreiche Beschwerden eingingen, musste sich Beck auf Druck des Senders für die "schlecht formulierte Frage" entschuldigen. Seitdem er 2008 zu Fox News wechselte, hat er mehr Freiheiten, die er teilweise in bemerkenswerter Weise nutzt. Denn hätte amerikanischen Fernsehmachern jemand prophezeit, dass eine Art alternative Geschichtsstunden mit Schiefertafel ein Publikumsrenner werden könnten, hätte man ihn bis vor Kurzem wahrscheinlich ausgelacht.
In Teil 2 der Glenn-Beck-Story: Geschichte als Religion
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