Da waren's nur noch zwei
Der Online-Musikmarkt wird kleiner: Real Networks kauft Listen.com
Real Networks hat diese Woche bekannt gegeben, den Konkurrenten Listen.com für insgesamt rund 36 Millionen Dollar in bar und Aktien zu übernehmen. Damit setzt auf dem Markt der Musik-Abonnements eine Konsolidierung ein, bevor der Wettbewerb überhaupt so richtig begonnen hat.
Die Übernahme von Listen.com werde die Akzeptanz kostenpflichtiger Musikplattformen weiter beschleunigen, versprach Real Networks-CEO Rob Glaser am Montag. Listen.com betreibt das Abo-Angebot Rhapsody, das seinen Nutzern für einen Monatsbeitrag von rund zehn Dollar einen unbegrenzten Zugriff auf eine Art Streaming-Jukebox bietet. Rund 300.000 Songs können dabei on demand abgerufen werden. Zudem erlaubt Rhapsody das Brennen von Audio-CDs gegen Aufpreis.
Rhapsody ist nur eines von drei Abo-Angeboten, die vor gut einem Jahr mit dem Segen und den Inhalten der Musikindustrie gestartet sind. Damals wurden sie als legale Alternativen zu Napsters Nachfahren gehandelt. Die Wirtschaftsanalysten des Jupiter-Instituts versprachen, dass innerhalb weniger Jahre Millionen von Musikfans zu monatlich zahlenden Kunden werden würden. Die ersten Reaktionen der Netznutzer waren jedoch alles andere als begeistert. Besonders schlecht weg kamen Rhapsodys Konkurrenten Pressplay und Musicnet, da beide ihren Kunden nur einen streng begrenzten Zugriff auf kopiergeschützte Downloads anboten.
Eine typische Dotcom-Karriere
Mit dem Verkauf beginnt für Listen.com das wahrscheinlich letzte Kapitel einer typischen Dotcom-Unternehmensgeschichte. Nach seinem Start im Jahr 1998 versuchte das Unternehmen, sich als eine Art Yahoo der Netzmusik profilieren. Ein riesiges, redaktionell betreutes Verzeichnis legaler Downloads sollte die Suche nach Musik im Netz erleichtern. Doch der Durchstart von Napster und der Zusammenbruch des Werbemarktes trafen Listen.com gleich doppelt - mit legalen Angeboten ließ sich einfach kein Geld mehr verdienen.
Listen.com überlegte deshalb kurzzeitig, selbst in den Tauschbörsen-Markt einzusteigen. Im November 2000 bemühte sich die Firma vergeblich um die Übernahme der Tauschbörse Scour Exchange. Knapp ein halbes Jahr später veröffentlichte Listen.com zudem eine Art Plugin für Tauschbörsen wie Napster, mit dem das Suchen nach ganzen Alben erleichtert wurde. Intern hatte man zu diesem Zeitpunkt aber bereits die Richtung gewechselt und sich ganz dem Abo-Gedanken verschrieben.
Doch obwohl Rhapsody unter Kritikern einige Lorbeeren einheimsen konnte, erwies sich auch dieser Weg als steiniger denn erhofft. Genau Angaben zur Zahl der Abonnenten macht Listen.com nicht. CEO Sean Ryan sprach anlässlich der Übernahme lediglich von "mehreren Zehntausend" zahlenden Kunden. Wegen einer Auszahlung einiger Investoren im Sommer 2002 und des schleppenden Wachstums war Listen.com Anfang diesen Jahres in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten. Im Februar wurden einige Mitarbeiter entlassen, zudem gab es Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich. Aus eigener Kraft hätte Listen.com nur noch bis zum Frühsommer überleben können.
Zieht sich Real aus Musicnet zurück?
Ende Februar sicherte sich die Firma durch ein Investment von Real Networks vorläufig das Überleben. Dazu hatte es vorerst nur geheißen, Rhapsody werde dafür in Zukunft auf Real Audio an Stelle von Windows Media basieren. Offenbar war man sich jedoch bei den Verhandlungen jedoch näher gekommen, als es zuerst den Anschein hatte. Nun soll Rhapsody Reals Abo-Buffet erweitern. Entlassungen soll es nicht geben, die Arbeitszeitverkürzungen wurde bereits Anfang des Monats wieder zurückgenommen.
Für den Online-Musikmarkt stellt die Übernahme eine deutliche Konsolidierung dar. Der Clou: Real Networks ist selbst auch am Rhapsody-Konkurrenten Musicnet beteiligt. Das Abo-Paket Realone Music beinhaltet zudem bisher das Musicnet-Angebot. Allerdings spekulieren Branchen-Insider bereits darüber, dass diese Zusammenarbeit bald aufgelöst werden könnte. Musicnet wurde zuerst kommissarisch auch von Real-CEO Rob Glaser geführt. Nun soll Real Networks sich Gerüchten zufolge sogar aus dem Musicnet-Vorstand zurückgezogen haben. Musicnet hat es im Gegensatz zur Konkurrenz nicht geschafft, ein größeres Netz von Distributoren zu spannen. Neben Real wird die Plattform bisher nur über AOL angeboten. Rhapsody dagegen wird von Computerherstellern, Internet-Anbietern und Telekommunkationsunternehmen angeboten.