Robert Habeck: Der Stuhlkreis-Machiavelli
Der Wirtschaftsminister präsentiert sich bei "Caren Miosga" als nachdenklicher Politiker. Doch wie authentisch ist er? Eine Medienbeobachtung
Der Anspruch auf Führung erwächst nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern aus der Objektivität der Wirklichkeit.
Robert Habeck auf dem Grünen-Parteitag, November 2024
Es ist eine interessante Frage, ob das Lächeln von Robert Habeck natürlich und unwillkürlich oder bewusst eingesetzt ist. Diese Frage ist wichtig, denn sie entscheidet darüber, wie ehrlich Habeck die Gesten meint, die er in der Öffentlichkeit zeigt.
Robert Habeck, Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, war am Sonntag zu Gast bei "Caren Miosga".
Aber was ist er eigentlich: "Herr Habeck, wie darf ich Sie nennen? Spitzenkandidat? Kandidat der Menschen in Deutschland? Oder Kanzlerkandidat der Grünen?" fragte die Moderatorin. Antwort: "Herr Habeck ist schon toll."
Dann gab es ein erstes Rede-Pingpong, ob der Mann nun bescheiden sei oder nur so tue, und Habeck versuchte, den Spieß umzudrehen: "Ich weiß gar nicht, ob Bescheidenheit jetzt ein solcher Vorwurf ist. Bescheidenheit heißt nicht, dass wir ohne Anspruch in den Wahlkampf gehen."
Er glaube schon, und das sei auch der Grund für seine Kandidatur, dass seine Person und die Grüne Partei Antworten geben, die andere nicht geben.
"Wie ehrlich ist das hier?"
Der wohl ehrlichste Moment der Sendung war, als die Moderatorin zum Thema Medien und Authentizität kommen wollte und dann bei sich selbst landete: Miosga sprach den Minister auf seine Wahlkampfform der Küchentischgespräche an: "Wie intim, wie authentisch, wie ehrlich kann so ein Küchentischgespräch sein, wenn drei Kameras und ein ganzes Team dabei sind?" Habecks spontane Gegenfrage: "Wie ehrlich ist das hier?"
Die verblüffte Moderatorin versuchte zu erklären: "Äh Entschuldigung, das ist eine Fernsehkamera, da schauen Millionen Menschen zu, Sie sind Profi, ich bin Profi, die Erzieherin wahrscheinlich nicht, das ist doch ein Unterschied, oder?"
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Das verrät einiges über das eigene Selbstverständnis: Zwei Profis erklären Laien, was Sache ist. Es spricht für Habeck, dass er sich das offensichtlich nicht zu eigen machen wollte.
Denn wenn es um Ehrlichkeit geht, warum sollte dann ein Gespräch, in dem nicht Frau Miosga, sondern eine Frau Mustermann die Fragen stellt, das unehrlichere sein?
Nicht das Land und die Zukunft, sondern das vermeintlich Skandalöse
Ansonsten bot die Sendung viel Informatives für politisch interessierte Beobachter, aber wenig sachlich Neues. Es waren eher Eindrücke von der Person Habeck und seiner kommenden Wahlkampf-Persona. Es war interessant, hier einiges über die innere Verfasstheit der Ampel zu hören, und das Gespräch war für Historiker wie für Politikanalytiker bereichernd.
Miosga fragt nicht streng, sie fragt scheinbar neugierig, nicht ohne Wohlwollen, aber schon klar, und bemüht sich, nichts zu überhören und Habeck auch nicht zu sehr in seinen Habeck-Sound kommen zu lassen.
Wird gescheiterte Politik zum Test erklärt?
Miosga fragte auch nach Habecks inzwischen berühmter Aussage, das Wärmegesetz sei "ein Test" gewesen und Habeck habe zugegeben: "Ich bin zu weit gegangen". Das war für Habeck die Gelegenheit klarzustellen, dass es nie seine Absicht gewesen sei, die Bürgerinnen und Bürger zu "Versuchskaninchen" zu machen.
Miosga fragt nach den größten Fehlern und Versäumnissen, und sie fragt, wie es im deutschen Journalismus üblich ist, vorwiegend nach politisch-taktischen Themen und Vorgängen – aber nie nach dem Land, nie nach der Gesellschaft, nie nach der grundsätzlichen Zukunft, nie nach den großen Linien und Strategien einer Regierung oder – wenn es sein muss – einer Partei. Sondern immer nur nach dem Kleinen und vermeintlich Skandalösen, das aber über den Tag hinaus vollkommen belanglos ist: Wer hat damals das Papier zum Wärmegesetz voreilig durchgedrückt?
"Wer in der Regierung ist, muss für die Regierung sein"
Habeck weist auch auf seine Erfolge hin: die Schwierigkeiten nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges durch den Winter.
Er setzte feine Nadelstiche gegen die FDP: "Wer in einer Regierung ist, muss für die Regierung sein. Er kann nicht nebenbei etwas anderes machen und die Regierung kann nicht Mittel und Zweck für etwas anderes sein."
Warum aber will Robert Habeck Bundeskanzler werden? Er habe sich "intensiv gefragt", ob er der Richtige sei. Meine Antwort lautet: Ja. Ich kann und will es noch einmal versuchen und den Menschen erklären, was ich mir politisch vorstelle, aber das kann ich nur, wenn ich ganz bei mir bin.
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"Die Antworten, die wir geben oder die ich gebe, reichen an die Dimension der Wirklichkeit heran und sie unterscheiden sich von denen der anderen Parteien. Ich stelle nicht in Frage, dass wir die Erderwärmung eindämmen müssen, auch in Deutschland und Europa. Und ich sehe darin einen Wettbewerbsvorteil für Deutschland im Unterschied zu anderen.
Ich sehe in der weltpolitischen Lage, dass wir uns europäisch einigen müssen und nicht America first" oder Germany first" rufen dürfen - im Unterschied zu anderen. Daraus ergibt sich dann ein inhaltlicher Führungsanspruch."
Habeck will eine andere Republik
Robert Habeck will in der Tat eine andere Republik. Das ist für ihn nicht zuletzt eine Stilfrage: Etwas besser als "Caren Miosga" hat er das gleich am Tag nach dem Platzen der Ampel in seinem Pressestatement erklärt, als er sich gegen den "kommunikativen Stil der politischen Debatte" wandte, in der, so der Minister, "zögerliche Fragen vorschnell mit Antworten zugedröhnt werden" (8.40ff).
Die Strategie der Erfolgsmaximierung führe allzu oft dazu, dass Prozesse nicht zu Ende gedacht würden.
"Wenn wir uns die politische Kultur in Deutschland – und damit meine ich nicht nur das Verhältnis der Parteien zueinander – aus der Distanz anschauen und uns fragen, wie Demokratie eigentlich sein sollte - sind wir wirklich zufrieden? Ist das die Streitkultur, die wir eigentlich haben wollen? Ist das wirklich die Debattenkultur, um die Probleme in unserem Land zu lösen? Ich käme zu einem anderen Ergebnis".