Dänemark will sich den Nordpol aneigenen

Doch auf die vermuteten Bodenschätze sind auch Russland und Kanada aus

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Man hätte eigentlich denken sollen, dass es mindestens im westlichen Europa keine Wünsche nach Erweiterung des Territoriums mehr gibt. Doch nun hat überraschenderweise Dänemark nördlich von seinem Staatsgebiet noch etwas gefunden, auf das womöglich nach dem UN-Seerechtsabkommen Besitzansprüche geltend gemacht werden können: der Nordpol. Aber nicht nur Dänemark ist lüstern auf die dort vermuteten Bodenschätze.

Grönland und der Nordpol. Karte: Dänisches Wissenschaftsministerium

Das Seerechtsabkommen von 1982, das 1994 in Kraft getreten ist und das Dänemark bislang noch nicht ratifiziert hat, sieht im Artikel 76 vor, dass Staaten die Ressourcen im Meeresboden normalerweise bis zu maximal 200 Seemeilen von der Küste aus nutzen können. Dazu gehört die "unter Wasser befindliche Verlängerung der Landmasse des Küstenstaates", nicht aber die Tiefsee. Die "exklusive Wirtschaftszone wird ergänzt durch eine 350-Seemeilen-Zone, innerhalb derer auch noch die Förderung von Öl oder Erdgas durch den Küstenstaat möglich ist.

Ausnahmen gibt es jedoch, wenn der Festlandssockel weiter in das Meer hinausreicht. Geregelt werden Ansprüche durch eine eigens eingerichtete Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels. Allerdings liegt der Nordpol ein ganzes Stück von Dänemark selbst entfernt. Daher will die Regierung über Grönland, das lediglich über 700 Kilometer weg ist, und/oder die Faröer Inseln seinen Anspruch erheben. Forscher hatten 2002 einige bislang unbekannte Inseln im Packeis entdeckt. Nun sollen Geologen im Rahmen des Festlandsockelprojekts fünf Regionen untersuchen, um festzustellen, wie weit sich der Festlandssockel im Norden von Grönland und den Faröer Inseln erstreckt.

Wissenschaftler bei der Arbeit im Rahmen eines Pilotprojekts im Noren Grönlands. Bild: Dänisches Wissenschaftsministerium

25 Millionen Euro ist der Regierung der Versuch wert, mit einem wissenschaftlich belegten Rechtsanspruch Zugriff auf wertvolle Ressourcen, vor allem Öl und Gas, zu erhalten. Das Wissenschaftsministerium, das die Expedition finanziert, nannte das Vorhaben ein "Projekt von historischem Ausmaß". Die Hoffnung richtet sich vor allem auf den Lomonosow-Rücken, einem Gebirgszug im Meer, der sich von Nordgrönland über den Nordpol allerdings bis zu Sibirien erstreckt. Genaue Messungen sind wegen der eisbedeckten Flächen, der Kälte und der oft schlechten Sichtverhältnisse schwierig.

Nach einem wissenschaftlichen Beweis für die "natürliche Ausdehnung" würde dann der vermutlich noch schwierigere politische Prozess folgen. Dänemark hat, wenn es das Seerechtsabkommen ratifiziert, 10 Jahre Zeit, seine Ansprüche zu erheben. Auf den Nordpol richten sich freilich nicht nur die Interessen von Dänemark, auch Kanada, Russland, Norwegen und womöglich die USA könnten Rechte geltend machen. Kanada und Russland haben bereits ihrerseits mit Vermessungen begonnen, Russland hatte schon einmal Anspruch erhoben, wurde aber abgewiesen.

Schwierigkeiten könnte es allerdings auch intern geben, denn Grönland und die Faröer Inseln haben ein Autonomie-Statur. Grönland mit seinen unter 60.000 Einwohnern auf einer Fläche von 2,2 Millionen Quadratkilometern, die weitegehend von Eis bedeckt sind, hat seit 1979 seine eigene Regierung und ein eigenes Parlament, die Verteidigungs- und ein Großteil der Außenpolitik wird von Dänemark geregelt. Zwei Abgeordnete vertreten es im dänischen Parlament. 1985 ist Grönland aus der EU ausgetreten. Ebenso wie die Faröer Inseln strebt Grönland auch die Unabhängigkeit von Dänemark an. Sollte also der Nordpol Dänemark über Grönland und die Faröer Inseln zugesprochen werden und sollte es tatsächlich reiche Ressourcenvorkommen geben, so wäre dies sicherlich noch einmal eine Bestärkung, den Schritt in die vollständige Autonomie durchzusetzen.