Daimler baut Autowerk in Russland
Sind Standortentscheidungen deutscher Automobilhersteller auch eine Folge deutscher Technologiepolitik?
Gestern begann die baden-württembergische Daimler AG mit dem Bau einer 250 Millionen Euro teuren Fabrik in Esipovo bei Moskau, in der rund tausend russische Arbeitnehmer ab 2019 vorerst 20.000 SUVs und E-Klasse-Limousinen jährlich produzieren sollen.
Nach Angaben gegenüber Telepolis ist das Investitionsprojekt zur PKW-Produktion nicht von den aktuell geltenden Sanktionsregelungen betroffen. Auf die Frage, ob deutsche Politikdebatten - zum Beispiel zu Einschränkungen für autonomes Fahren und zu Verboten für Dieselfahrzeuge und Verbrennungsmotoren - Einfluss darauf hatten, nicht in Deutschland, sondern in Russland zu investieren (vgl. Mögliches Diesel-Verbot in München), geht Daimler nur indirekt ein.
"Wichtig, zu spüren, dass das Land und die Region uns offen begrüßen"
Die Standortentscheidung basierte dem Unternehmen zufolge sowohl auf quantitativen als auch auf qualitativen Kriterien. Die wichtigsten Aspekte waren nach Angaben des Konzerns die "Verfügbarkeit und Eignung des Grundstücks", die Infrastruktur mit Straße, Schiene und Flughafen, die Verfügbarkeit der Ressourcen Strom, Wasser und Gas, die "Zulieferer-Landschaft", das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften, die Lebensqualität und das "Wirtschaftsklima". Außerdem sei es "wichtig, zu spüren, dass das Land und die Region uns offen begrüßen."
Darüber hinaus sei Russland für Mercedes-Benz ein "strategisch wichtiger und absatzstarker Markt" - und mit der geplanten lokalen Produktion können man "die Nachfrage [der] Kunden in Russland besser bedienen und gleichzeitig [die] globale Wettbewerbsfähigkeit stärken".
Neues BMW-Werk im russischen Ostpreußen?
Daimler ist womöglich nicht der einzige Automobilkonzern, der in Russland gerade in großem Maßstab investiert und Arbeitsplätze schafft: Am 19. Juni gab Anton Alichanow, der Gouverneur des russischen Teils Ostpreußens, bekannt, dass die Bayerischen Motorenwerke (BMW) angeblich einen Investitionsvertrag zum Bau einer Autofabrik in der Region unterschreiben wollen, in der nicht nur Fahrzeuge für den russischen Markt, sondern auch für den Export produziert werden sollen. BMW stellt bereits seit 18 Jahren im Kaliningrader Avtotor-Werk BMW 3er-Limousinen, BMW X1, BMW X3, BMW X4, BMW X5 und BMW X6 für den russischen Markt her. 2016 hat die BMW Group bei Avtotor 18.192 Einheiten fertigen lassen, das entspricht einer Steigerung um über 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Diese sieben Hektar große Fabrik des "lokalen Auftragsfertigers" könnte Alichanows Angaben nach zu einem "Autocluster" ausgebaut werden. Bei BMW heißt es auf Anfrage von Telepolis dazu allerdings, die Firmengruppe beschäftige sich "regelmäßig" mit der "langfristigen Weiterentwicklung ihrer Produktion weltweit", habe jedoch nicht "bestätigt, dass sie das Werk in Russland ausbauen oder ein neues Werk bauen wird."
Man beobachte aber "die Marktsituation und die regulatorischen Rahmenbedingungen genau" und schätze "in hohem Maße die Bemühungen der föderalen und regionalen Behörden [in Russland], einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb sicher zu stellen". Die "Einführung neuer handelspolitischer Regularien" stelle die "Wettbewerbsfähigkeit des Standortes" Kaliningrad auch nach der Aufhebung der Sonderwirtschaftszone sicher. Die Frage, ob die deutschen Russlandsanktionen solche Investitionen behindern oder Investitionsentscheidungen anderweitig beeinflussen, wird von BMW ebenso wenig beantwortet wie die nach der oben geschilderten Rolle deutscher Technologie- und Ökopolitikdebatten bei der Standortwahl.
"Intelligentere Maßnahmen als Fahrverbote"
Zur Verbesserung der Luftqualität in Großstädten gibt es BMW und dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zufolge jedoch "intelligentere […] Maßnahmen als Fahrverbote", die alleine in München, wo 295.000 der 720.000 zugelassenen Autos mit Dieselmotoren laufen, zwischen 133.000 und 170.000 Fahrzeuge aussperren würde (vgl. Grüner Fraktionschef will höhere Steuern auf Diesel und Ist der Dieselmotor nach dem VW-Skandal das Problem?). In Elektroautos sieht man bei den deutschen Automobilherstellern (anders als bei den Grünen) nicht das alleinige Heil - auch deshalb, weil ihre Akkus einer neuen schwedischen Studie nach ebenfalls "das Klima belasten".
Auch andere Automobilhersteller wie Toyota und der koreanische Konzern Hyundai errichteten in den letzten Jahren Autowerke in Russland. Darüber hinaus gibt es einheimische Marken wie Lada, deren Anteil am größten Automobilmarkt Europas zwischen 2012 und 2016 von 14 auf 21 Prozent stieg.
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