Das 94-Prozent-Durchfall-Desaster
Der AStA beklagt didaktische Mängel an der Kölner Universität
Bei der Veranstaltung "Einführung in die Mathematik" für Grundschul- und Sonderpädagogik-Studenten an der Universität zu Köln fielen vergangenes Wintersemester im ersten Anlauf 94 Prozent der Teilnehmer durch. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) sieht darin auch ein Zeichen für strukturelle Defizite bei der akademischen Ausbildung. Telepolis unterhielt sich darüber mit Luisa Schwab, der Vorsitzenden der Studentenvertretung.
Frau Schwab, der AStA der Universität Köln spricht in einer Pressemitteilung davon, dass in der Veranstaltung "Einführung in die Mathematik" für Studierende der Grundschule und Sonderpädagogik von 428 Teilnehmern lediglich 100 die Abschlussklausur bestanden. Sind diese Zahlen zutreffend?
Luisa Schwab: Die Zahlen stimmen so. 372 von den 428 haben durch Übungsblätter die Zulassung zur Klausur erhalten. In der ersten Klausur haben lediglich 21 bestanden und in der Nachklausur 79.
Eine Durchfallquote von 94 Prozent, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung schreiben, ist dies aber nicht – oder geht es hier noch um andere Prüfungen?
Luisa Schwab: In der ersten Klausur ergab sich eine Durchfallquote von 94% in der zweiten Klausur war die Quote bei nur noch 66%. Allerdings ist das noch deutlich zu hoch.
Der AStA beklagt angesichts der Durchfallquote "Missstände in der Lehre". Warum schließen Sie Gründe wie ungeeignete Teilnehmer oder eine Absicht des Aufgabenstellers aus?
Luisa Schwab: Es kann in jedem Fach ungeeignete Teilnehmer geben. Allerdings beschränkt sich diese Zahl meist auf Wenige. Studierende haben sich bei uns beklagt, dass sie in der Vorlesung kaum etwas gelernt haben. Auch die Übungen waren teils nicht hilfreich. Das lässt uns darauf schließen, dass die Lernatmosphäre in der Vorlesung nicht gegeben war. Zusätzlich beklagten Studierende über die Art der Dozentin, auf Fragen zu antworten.
Wurde der Kurs in der Vergangenheit von einer anderen Dozentin abgehalten?
Luisa Schwab: Die Dozentin war dieses Semester nur für eine Vertretungsprofessur an der Uni. Den Kurs vor einem Jahr hat der diesjährige Übungsleiter gegeben.
Und bei dem gab es keine solchen Durchfallquoten?
Luisa Schwab: Es gab leider schon immer Probleme mit diesem Kurs. Vorher konnten Studierende teilweise die Uni wechseln, um einen leichteren Kurs besuchen zu können. Aufgrund des Bachelors ist dieser Wechsel nun nicht mehr möglich. Die Durchfallquoten lagen früher bei etwa einem Drittel. Quoten, wie die jetzigen, schockieren uns daher.
Das heißt, Studenten wechselten für ein Semester die Universität und kamen dann wieder zurück?
Luisa Schwab: Nein leider ist das kaum möglich. Sie wechselten dann meist für das gesamte Studium.
Wie darf man sich die Lernatmosphäre in der Vorlesung und die Art der Dozentin, auf Fragen zu antworten, konkret vorstellen?
Luisa Schwab: Der Lernstoff wurde, oft ohne Beispiele, an die Tafel geschrieben. Die Studierenden hatten daher Probleme mit dem Nachdenken und Verstehen hinterherzukommen und versuchten nur, alles Mögliche mitzuschreiben. Auf den Wunsch von Studierenden hin, den Stoff langsamer zu vermitteln, kamen von der Dozentin Reaktionen, wie zum Beispiel "Hier wird gegessen und zu Hause wird verdaut". Also, dass die Studierenden alles zu Hause nacharbeiten sollten, was nicht verstanden wurde. Bei einem Vorlesungstermin wurde von der Dozentin eine Email einer Studentin vorgelesen und an Studierende verteilt. Dabei korrigierte die Dozentin die Rechtschreibfehler und nannte sogar den Namen.
Mithilfe der Vorlesung sollten die Studierenden die Übungsblätter lösen, welche für die Zulassung zur Klausur nötig waren. Leider war es für die Studierenden kaum möglich, die Übungsblätter zu lösen, da es ja kaum Beispiele in der Vorlesung gab. Auch einige Hilfskräfte, die den Studierenden in den Übungen helfen sollten, hatten teilweise Probleme, den Weg zu Lösung zu finden - oder gar die Lösung der Aufgabe.
Ihr zweiter Vorsitzender Philipp Schubert fordert als Konsequenz verpflichtende didaktische Weiterbildungskurse für Lehrkräfte. Was soll in denen gelehrt werden? Und was sind solche Weiterbildungsverpflichtungen ohne die Möglichkeit zur Entlassung schlechter Didaktiker wert?
Luisa Schwab: In der Uni hat bisher jeder Professor einen Lehrauftrag. Daher ist es schier unmöglich, schlechte Didaktiker zu entlassen. Von den verpflichtenden Kursen erhoffen wir uns, dass Lehrende lernen mit Studierenden umzugehen. Auch Didaktik ist in den Grundzügen zu erlernen und aus nicht so guten Didaktiker könnten so etwas bessere werden. Natürlich sollte bereits bei der Einstellung auf die didaktische Erfahrung Rücksicht genommen werden. Aber einen großen Teil könnten auch die Kurse dazu beitragen.
Sie kritisieren, dass die Veranstaltung aus Personalmangel nur im Winter- und nicht im Sommersemester stattfindet. "Einführung in die Mathematik" klingt nicht nach einem Spezialgebiet, das nur ein einziger Professor beherrscht. Haben Sie schon vorgeschlagen, selbst organisierte Tutorien mit Prüfungsmöglichkeit zu erlauben?
Luisa Schwab: Mir ist bisher nicht bekannt, ob es diese Möglichkeit gibt. Dieser Kurs ist allerdings nur ein Grundkurs und wird daher von mehreren Dozenten gehalten. Allerdings haben diese auch andere Veranstaltungen. Bisher mussten die Studierenden ein Semester warten, um überhaupt mit dem Studium beginnen zu können.
Und das konnten Sie jetzt für das Sommersemester einmalig ändern?
Luisa Schwab: Ja das konnte jetzt geändert werden. Wir hoffen, dass es auch in den nächsten Semestern so bleibt. Die Uni hatte allerdings kaum eine andere Möglichkeit, da sowohl im Sommersemester als auch im Wintersemester Studierende das Fach belegen müssen. Da hätte die Uni im nächsten Wintersemester Probleme gehabt, alle Studierenden unterzubringen.
Gibt es eine Anwesenheitspflicht in den Kursen?
Luisa Schwab: In den Vorlesungen nicht. Dafür aber meines Wissens in den Übungen.
Könnte man das Problem dadurch entschärfen, dass man diese Anwesenheitspflicht abschafft? Dann hätten die Studenten ja mehr Zeit, sich den Stoff auf sinnvollere Weise zuzuführen.
Luisa Schwab: Der AStA spricht sich generell gegen Anwesenheitspflichten aus. Wir sind der Meinung, dass jeder Studierende auf seine eigene Weise lernt und da müssen Verpflichtungen nichts bringen.
Abgesehen von der Anwesenheitspflicht und der bereits angesprochenen Möglichkeit des Wechsels der Universität - wären solche Probleme weniger ernst, wenn das Studium nicht so bürokratisiert wäre?
Luisa Schwab: Unter anderem könnte das etwas bringen. Aber die anderen Möglichkeiten sollten damit einhergehen.
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