Das Böse kommt vom Himmel

Frankreichs Regierung will "rassistischen und menschenverachtenden" Satellitenprogrammen per Gesetz den Maulkorb anlegen

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Premier Raffarin legt sich seit letzter Woche mächtig ins Zeug, um schleunigst ein Gesetz durchzusetzen, das "das sofortige Verbot von Sendern erlaubt, die rassistische oder antisemitische Bilder und Inhalte verbreiten". Den Stein des Anstoßes lieferte der Hisbollah nahe Sender Al-Manar, der zu aller Überraschung im November von der obersten Medienaufsichtsbehörde CSA zugelassen wurde. Nach einigen gepfefferten Provokationen will man dem libanesischen Sender nun wieder die Sendegenehmigung entziehen, die, nebenbei bemerkt, für den gesamten EU-Raum gilt. Ob allerdings gesetzlich verordnete Maulkörbe und von Medienpolizisten erteilte Rügen an EU-externe Sender viel ausrichten können, bleibt mehr als fraglich.

Website von Al-Manar

"Im Lauf der letzten Jahre hat es mehrere zionistische Versuche gegeben, gefährliche Krankheiten, wie beispielsweise AIDS, mittels Exporten in die arabischen Länder unter der Bevölkerung zu verbreiten", so lautete jedenfalls das Zitat, das laut CSA am 23.November von einem "Experten für zionistische Angelegenheiten" auf Al-Manar geäußert wurde. Also nur wenige Tage nach der Genehmigung des Hisbollah-Senders durch die französische Medienbehörde und dem damit gleichzeitig unterzeichneten Versprechen, nicht "zu Hass, Gewalt und Diskriminierung auf Grund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität" anzustiften.

Eine für die französischen Antirassismusbewegungen ohnehin "skandalöse" Zulassung, hatte doch Al-Manar bereits voriges Jahr mit der Serie "Al Shatat" (Diaspora) für mediale Erregung gesorgt. Für SOS-Racisme propagiert der libanesische Sender "offen antisemitischen Hass". Laut CSA sollte die umstrittene Genehmigung es erlauben, das muntere Treiben auf "Al-Manar" besser im Auge zu behalten. Ein frommer Wunsch, den die Medienbehörde, siehe obiges Zitat, schnell bitter bereuen sollte. Aber auch ein gerüttelt Maß an politischem Druck - die Tageszeitung "Libération" erwähnt an dieser Stelle die beiden französischen Journalisten, die seit über 110 Tagen im Irak als Geiseln festgehalten werden - soll bei der überraschenden Zulassung ein wenig nachgeholfen haben.

Nun richtet der CSA eine "letztmalige Aufforderung" an den unkontrollierbaren Sender und wendet sich gleichzeitig mit der Bitte um ein umgehendes Verbot "Al-Manars" an den Staatsrat. Denn der CSA selbst verfügt nicht über die nötigen Kompetenzen, um eine an einen extraeuropäischen Sender erteilte Genehmigung wieder zu entziehen. Bis spätestens Weihnachten soll der Staatsrat über das europäische Schicksal des libanesischen Senders entschieden haben.

Willkommen im globalisierten Mediendschungel

Der ins Kreuzfeuer der Kritik geratene Präsident der CSA, Dominique Baudis, scheint allerdings langsam aber sicher an der Unübersichtlichkeit der nationalen Gesetzgebung einerseits, und der Unmenge an technischen Möglichkeiten andererseits, zu verzweifeln: "Es wäre ungerecht und illusorisch, dem französischen CSA die Aufgabe aufzuhalsen, allein dem weltweit tobenden Krieg der Bilder Einhalt zu gebieten", wie Baudis in einem Rechtfertigungsartikel schreibt.

Das ArabSat-Netzwerk in Nordafrika und im Nahen Osten

Folglich fordert der aufgebrachte CSA-Präsident die anderen europäischen Staaten dazu auf, endlich eine konzertierte Politik in Sachen Satellitenprogrammen zu führen, gilt doch eine von einem EU-Mitgliedsstaat ausgestellte Genehmigung, für den gesamten EU-Raum. Ganz abgesehen davon, dass eine Unmenge von Satellitenprogrammen derzeit auch ohne diese Genehmigung auskommt ...

Einstweilen will Premier Raffarin den Weg zum Verbot eines in Ungnade gefallenen Senders ein wenig verkürzen: Mit dem versprochenen Gesetz soll es künftig dem CSA erspart bleiben, sich an den Staatsrat wenden zu müssen, was ziemlich umständliche Prozeduren auslöst. Künftig soll sich die Medienkontrollbehörde direkt an die Regierung wenden können, die dann per Dekret für ein eventuelles Verbot sorgen soll.

Ein solches Verbot freilich dürfte wohl alles andere als leicht umzusetzen sein. Gerade am Beispiel "Al-Manars" lässt sich wunderbar aufzeigen, dass es im himmlischen Kommunikationsdschungel wohl ebenso schwierig sein dürfte, für Recht und Ordnung zu sorgen, wie im Netz. Man erinnere sich nur an die schier endlose Geschichte rund um Yahoo und seine versteigerten Nazidevotionalien (Letztes Kapitel im unendlichen Fall Yahoo).

"Al-Manar" gelangt via dem französischen Recht unterstehenden Satellitenprovider Eutelsat in die europäischen Haushalte. "Eutelsat" hat allerdings keinen direkten Zugriff auf den libanesischen Störenfried, da die Gesellschaft bloß einen europäischen Zugang an die arabische Firma Arabsat vermietet, die wiederum 9 arabische Sender durch diesen Zugang schleust. Sollte "Eutelsat" vom Staatsrat dazu angehalten werden, "Al-Manar" den himmlischen Hahn zuzudrehen, würde den anderen 8 Sendern das selbe Schicksal blühen.

Allerdings könnte sich das französische Satellitenunternehmen direkt an "Arabsat" wenden, um darauf zu drängen, "Al-Manar" aus dem europäischen Angebot zu entfernen. Eine Bitte, die allerdings wenig Aussichten auf Erfolg hat. "Arabsat" hatte bereits bei den schwierigen Verhandlungen rund um die Genehmigung "Al-Manars" durch den CSA damit gedroht, die Ausstrahlung von französischen Programmen im Mittleren Osten zu unterbinden, falls man den libanesische Sender nicht genehmige.

Mittwoch hat sich nun der Direktor des umstrittenen Senders selbst zu Wort gemeldet, und wittert hinter den französischen Verhinderungsversuchen "zionistische Machenschaften", wie der "Nouvel Observateur" meldete: "Falls die Sache von einem Machtkampf zwischen der israelischen und der arabischen Lobby in Frankreich bestimmt wird, dann ist die Schlacht bereits verloren. Deswegen zählen wir auf die Unparteilichkeit der französischen Justiz." Man setzt nun alle Hoffnung auf den Staatsrat, damit die unterschriebene Autorisierung respektiert werde. Eines ist jedenfalls gewiss: Auch hier droht eine unendliche Geschichte, wie sie die moderne Kommunikation haufenweise zu produzieren scheint.