Das Comeback des Mitt Romney
Im ersten Fernsehduell wirkte Obama müde und passiv, während Romney auf ganzer Linie punkten konnte
Die erste Debatte ist vorbei. Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney haben sich eine unterhaltsame Schlacht geliefert. 90 Minuten lang ging es an der University of Denver im US-Bundesstaat Colorado um die brennenden Themen der Nation: Gesundheitsvorsorge, Jobs, Verschuldung und die Rolle der Regierung. Aber vor allem ging es um eins: die flaue Wirtschaft. Obama lag vor der Debatte in Umfragen vor seinem Herausforderer; er musste also lediglich einen kühlen Kopf bewahren und komplizierte Antworten vermeiden. Romney wollte und musste punkten. Und genau das tat er, von Minute Eins bis zum Ende des Abends.
Obwohl Barack Obama die Debatte eröffnen durfte und mit dem Witz gut aus der Ecke kam, er hätte sich vor 20 Jahren nicht vorstellen können, seinen Hochzeitsjahrestag mit seiner Frau Michelle einmal vor 40 Millionen (TV-) Zuschauern zu feiern, war es Romney, der den besseren Start erwischte: Moderator Jim Lehrer wollte die unterschiedliche Strategie bei der Schaffung von Arbeitsplätzen wissen.
Obama ging einen Schritt zurück und erklärte zunächst, dass er die schwerste wirtschaftliche Lage seit der "Great Depression" geerbt habe, um dann seinen Wahlspruch von den "zwei Möglichkeiten zu wiederholen, zwischen denen sich die Wähler entscheiden dürfen. Romney dagegen ging gleich in Angriff-Stellung. Er lieferte klar umrissen seinen 5-Punkte-Plan ab, der 12 Millionen Jobs kreieren soll. Die von CNN ausgewählten, bisher unentschlossenen Wähler aus Colorado, die an den Reaktions-Ticker des Senders angeschlossenen waren, schienen beeindruckt. Sie reagierten deutlich positiver auf Romneys Antwort als auf Obamas. Ein Trend, der sich durch die gesamte Debatte ziehen sollte.
Ob beim Streit um geplante Steuererhöhungen- oder senkungen, über den nationalen Schuldenberg, das Sozialversicherungssystem, die Gesundheitsführsorge oder selbst über die Regulierungen von Banken - überall machte Romney einen eindeutig besseren Eindruck. Der ehemalige Gouverneur wirkte kompetent, sprach klar und leidenschaftlich, ohne abzuheben, und griff dabei konstant an.
Obama dagegen reagierte kaum auf die Angriffe. Er wirkte müde und derart passiv, dass man den Eindruck bekam, er hätte Alis Rope-a-Dope-Taktik im Weltmeisterkampf 1974 gegen George Foreman zur Gewinnstrategie für diesen Abend auserkoren. Das Problem war allerdings nicht nur, dass Romney sich im Gegensatz zu Foreman nicht müde kämpfte. Obama ließ dazu auch noch nahezu alle Angriffsmöglichkeiten ungenutzt verstreichen.
Das Thema Wirtschaft war nach einer Dreiviertelstunde quasi abgearbeitet, als Obama überhaupt zum ersten Mal den Namen Paul Ryan in den Ring warf, ohne Romney jedoch wirklich auf die radikalen Ideen seines Vizepräsidenten fest zu nageln, der etwa Medicare zum Voucher-System umbauen will. Als Romney dem Präsidenten vorwarf, dass er sich für den Simpson-Bowles-Plan zur Reduzierung des Staatsdefizits hätte aussprechen, ihn verbessern und durch den US-Kongress bringen sollen (ein Plan aus Kürzungen und Steuererhöhungen), verpasste Obama den Gegenangriff: Romneys Vize Ryan selbst hatte gegen den Plan abgestimmt. Auch Bain Capital brachte Obama kein einziges Mal ins Spiel - vielleicht baut Obama in dieser Hinsicht weiter darauf, dass seine erfolgreichen TV-Negativwerbungen, ihm schon den Weg zum Sieg ebnen werden.
Mitt Romney hatte bisher zwei Chancen, Euphorie für seine Präsidentschaftskampagne zu generieren: die Wahl Paul Ryans zum Vizepräsidenten und der Parteitag im August in Florida. Beide hat er verpatzt. Dies war die dritte Chance und die hat er auf ganzer Linie genutzt. Er gelang ihm mit seiner Vision von einem "Pro-Growth America", zusammengebaut aus der Rechnung: Steuererleichterungen fördern Investitionen, diese fördern mehr Jobs, diese wiederum fördern mehr Steuereinnahmen. Dabei weckte er nicht Erinnerungen an die Vergangenheit, sondern Hoffnung auf die Zukunft.
Er punktete an diesem Abend mit allem, was er ansprach, sogar mit Antworten, die offenkundig nur darauf ausgelegt waren, schnell Eindruck zu schinden. Demnach würde er jedes Regierungsprogramm und jede Institution, die Subventionen aus D.C. erhalten, nach folgendem Gesichtspunkt evaluieren: Ist es gerechtfertigt, dafür Geld von China zu borgen oder nicht? Das würde auch heißen, so Romney, dem übertragenden Sender dieser Debatte, PBS, die Gelder zu streichen. Dabei schätze er durchaus, was PBS leiste.
Romney wirkte sogar überzeugend, als er seine Zeit als Gouverneur dazu nutze, um den Zuschauern zu versichern, dass er der parteiübergreifende Präsident sein werde, den das Land so nötig braucht. Obama dagegen ließ sich zu oft ohne Gegenwehr in die Defensive drängen, beim Versuch sich mittels langer Antworten wieder heraus zu graben, sank der CNN-Ticker auf die Plus-Minus-Null-Linie, einzig die Frauen schienen ab und zu zum Amtsinhaber zu halten. Zwar machte Obama durchaus ein paar gute Punkte, sie verblassten allerdings neben Romneys dynamischer Performance. Bei der Abschlussrede machte Obama den Eindruck, als würde er spontan versuchen, die richtigen Worte zu finden; weit weg war die emotionale Überzeugungskraft seiner Wahlkampfreden. Romney dagegen nutze die Chance und polierte noch einmal seinen Sieg.
Das Ergebnis der CNN-Umfrage bei registrierten Wähler kurz nach der Debatte spricht Bände: 67 Prozent fanden, Romney hätte gewonnen, für Obama stimmten gerade einmal 25 Prozent. John King erklärte darauf hin: "In polarized America, for any candidate to get over 50 percent, is huge."
Romney gewann durch die Bank: Führungsstärke (58 vs 37 Prozent), Umgang mit Haushaltsdefizit und Gesundheitssystem (57 vs 41 und 52 vs 47), Steuerfrage (53 vs 44). Sogar den Sympathiefaktor gewann Romney, wenn auch nur knapp mit einem Prozentpunkt Vorsprung. Ob der klare Sieg das Momentum entwickelt, das Romney braucht, um in den Umfragen an Obama vorbeizuziehen, werden die nächsten Tage zeigen. Noch liegen fünf lange Wochen und zwei weitere Debatten vor den Kandidaten bis zu Entscheidung am 6. November.