Das Ende des Flüchtlingspakts für Griechenland
Die Türkei reagiert auf die Freilassung der "Hubschrauber-Flüchtlinge". Offen ist, welche faktischen Konsequenzen dies für den EU-Pakt mit der Türkei hat
Als Reaktion auf die Freilassung der acht türkischen Militärs, welche in Griechenland Asyl gesucht und erhalten haben, kündigte die Türkei heute den Flüchtlingspakt mit Griechenland. Die acht Hubschrauberflüchtlinge, die direkt nach dem gescheiterten Putsch der Militärs gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach Griechenland geflohen sind, können sich nach Gerichtbeschluss frei in Griechenland bewegen.
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu erklärte, dass das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei als Strafe für das griechische Asyl hinsichtlich Griechenlands ausgesetzt sei. Er bemerkte, "die Regierung in Griechenland möchte diese Situation wirklich lösen, aber gleichzeitig sehen wir, dass vom Westen aus Druck auf Griechenland ausgeübt wird".
Çavuşoğlu führte seinen Gedankengang weiter und behauptete, dass die griechische Justiz mehr als die Regierung unter der Fuchtel westlicher Interessen stehe. Er zog als Konsequenz das immer verkündete Credo einer unabhängigen Justiz in Griechenland in Zweifel.
Tage zuvor hatte das türkische Außenministerium auf die Freilassung mit den folgenden Worten reagiert: "Für ein Land, welches sich als die Wiege der Demokratie rühmt, ist es nicht statthaft, auch nicht mit dem internationalen Recht oder mit den Regeln guter Nachbarschaft, Verräter freizulassen, welche mit einem Putsch im Nachbarland versucht haben, dessen demokratische Ordnung auszulösen."
Türkei: Abkommen mit EU wird nicht ausgesetzt
Allerdings, so berichten griechische Medien in Berufung auf türkische Nachrichtenquellen, würde das Abkommen hinsichtlich der Europäischen Union nicht ausgesetzt. In der Praxis bedeutet dies wahrscheinlich, dass die Türkei Flüchtlinge, die in übrige EU-Staaten kommen und deren Asylanträge abgelehnt werden, zurücknehmen wird.
Dass die überwiegende Mehrzahl der aus der Türkei in die EU Flüchtenden nach Griechenland kommt, bestreitet die türkische Regierung nicht. Sie hält sich mit ihrem Schachzug jedoch die Hintertür für die Geldtransfers im Zusammenhang mit dem EU-Türkei-Pakt offen.
Aber faktisch ...
Es ist nicht anzunehmen, dass die übrigen EU-Staaten nun Griechenland solidarisch zur Seite stehen werden und ihrerseits die Flüchtlinge und Immigranten aus Griechenland aufnehmen, um danach die Abgelehnten mit Berufung auf den EU-Türkei-Pakt in die Türkei zurückzusenden. Damit ist der Pakt faktisch ausgesetzt.
Entführungsdrohungen
Die acht Hubschrauberflüchtlinge möchte sich die Türkei übrigens selbst aus Griechenland abholen. Da dies auf juristischem Weg, wegen entsprechender Gerichtsurteile nicht möglich ist, drohen türkische Regierungsvertreter offen mit einer Entführung durch den türkischen Geheimdienst MIT: "Wir werden sie finden, einpacken und in die Türkei zurückbringen."
Die Äußerungen des türkischen Vizepremierministers Bekir Bozdağ gehen noch einen Schritt weiter. Er kommentierte, "wir dachten, dass das Wort Tsipras‘ das Wort eines Mannes wäre". Tsipras hat bislang nicht bestritten, dem türkischen Präsidenten versprochen zu haben, die mutmaßlichen Putschisten auf schnellstem Wege zurückzuschicken.
Er beruft sich allerdings auf die Unabhängigkeit der Justiz. Bozdağ erläuterte, dass der türkische Geheimdienst bereits zahlreiche Gülen-Anhänger aus dem Ausland zurück in die Türkei geholt habe. Die Türkei selbst hält seit mehr als 100 Tagen zwei griechische Offiziere wegen "illegalen Grenzübertritts" fest, die während einer Streife im Zusammenhang mit dem Grenzschutz im Rahmen der Flüchtlingskrise kurzfristig türkisches Territorium betreten hatten.
Die freigelassenen acht türkischen Militärs werden nun in Griechenland von neunzig Spezialkräften der Polizei bewacht. Ihre Wohnungen sind mit Kameras ausgestattet und die Telefonate in der Umgebung der Wohnungen werden mit Rasterfahndungsmethoden systematisch abgehört. Darüber hinaus sind Geheimdienstler im Einsatz. Zusätzlich zu den neunzig Polizisten wird das Wohnviertel von zehn Scharfschützen überwacht.