Das Erbe des als Gebärmaschine missbrauchten PSI-Mädchens

F.E.A.R. 3 ist ein Spiele-Highlight der diesjährigen Nebensaison

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Monolith gehören zu den alten Hasen der FPS-Branche. Ihr 1997 veröffentlichtes, mit der ursprünglich für den Duke programmierten Build-Engine erstelltes Spiel [indiziert] ist ein früher Klassiker des Genres, der wie eine begehbare Zeichentrickversion von klassischen Horrorfilmen aussah und, wegen seiner bereits im Titel angedeuteten Blutrünstigkeit, hierzulande auf dem Index landete. Auch die im Jahr darauf veröffentlichte Fortsetzung lieferte schauriges Ambiente und einen oft die Grenze zur Misanthropie überschreitenden schwarzen Humor zuhauf und wirkte aufgrund erweiterter grafischer Möglichkeiten in der Gewaltdarstellung nicht mehr so comichaft, sondern bereits sehr realistisch.

Nach einigen eher moderaten Spielen der Firma stellte Condemned - Criminal Origins im Jahr 2005 einen neuen Höhepunkt grafischer Gewaltdarstellung dar. Die Notwendigkeit, Suchtkranken mit Zaunlatten den Schädel einzuschlagen, verursachte selbst bei alteingesessene Spielern das eine oder andere flaue Gefühl im Magen - über die Beschlagnahmung durch deutsche Behörden wunderte sic h hier niemand.

Alle Bilder: Warner Bros. Interactive Entertainment

Auch nicht gerade zimperlich, aber wesentlich interessanter fiel das im selben Jahr zunächst für die 360, dann auch für Windows veröffentlichte F.E.A.R. Der Plot um ein mit gefährlichen PSI-Kräften begabtes Mädchen, das seine "Betreuern" in ein künstliches Koma versetzen und als Gebärmaschine missbrauchen, wurde im Verlauf des Spiels nur häppchenweise preisgegeben. In Verbindung mit hervorragend umgesetzten, stilistisch an japanische Gruselfilme wie The Ring angelehnten Schocksequenzen, aber auch erbitterten Scharmützeln gegen verblüffend intelligent agierende KI-Gegner ergab das einen Shooter, den viele auf dem Niveau von Bestleistungen wie den Half-Life - oder Bioshock -Serien sehen.

Nach einer ebenfalls erfolgreichen Fortsetzung (F.E.A.R. - Project Origin) im Jahr 2009 erstaunte die letztjährige Ankündigung, dass die Erstellung von F.3.A.R. in die Hände von Day One gelegt wurde, die für die Programmierung der Konsolenversionen der Vorgänger und ihrer Erweiterungen verantwortlich waren. Als eigenständige Spieldesigner können die in Chicago und Maryland beheimateten Day One Studios bisher auf zwei hochklassige MechAssault -Teile für die erste Xbox und das eher zwiespältig aufgenommene Fracture von 2008 verweisen. Würde es der vergleichsweise unerfahrenen Firma gelingen, das Werk der Genre-Dinosaurier Monolith adäquat fortzuführen? Und warum macht Monolith das nicht selbst?

Die erste Frage ist mit einem klaren "Ja!" zu beantworten. Natürlich fürchtet man sich nicht mehr so wie im Jahr 2005 - heute wissen wir schließlich in etwa, was uns erwartet, wenn ein neuer F.E.A.R.-Teil über den Bildschirm flimmert. Day One war sich dessen offensichtlich bewusst und hat die entsprechenden Visionen, Spukheimsuchungen etc. reduziert, ohne deswegen das Feeling der Serie aus den Augen zu verlieren. Das Spiel ist durchaus atmosphärisch - F.E.A.R. verlässt sich aber nicht darauf, sondern versucht mit kleinen Modifikationen seinen eigenen Reiz zu entwickeln. Ganz hervorragend ist das Gameplay, wenn man etwa das neue Deckungssystem verwendet. Die Gegner sind meist recht strategisch unterwegs, verstecken sich, gruppieren sich um, flankieren - alles in so hoher Geschwindigkeit, dass der Spieler meist unter hohem Druck steht. Auch der Spannungsbogen der Kampagne ist gut justiert.

Das Design der Schauplätze ist sehr gut gelungen, wird aber von der leicht überforderten Engine ein wenig behindert; das eine oder andere Treppchen muss zumindest der Konsolero in Kauf nehmen. Die Gegner sind durch die Bank ausgezeichnet animiert, manche Kreatur ist wirklich grausig anzusehen. Die Kampagne ist zwar nicht besonders lang geraten, die Programmierer haben aber den Wiederspielwert mit einer netten Idee erhöht: Level für Level spielt man die Figur Fettel frei, so dass man das bereits erlebte als Koop-Spiel noch einmal unter veränderten Bedingungen spielen kann. Während der Koop-Partner die ursprüngliche Rolle des Point Man übernimmt, kann man selbst als Fettel mitlaufen neben anderem Hokuspokus die Gegner dämonisch besetzen. Eine sehr erfreuliche Geste der Firma, gerade in Zeiten, wo man jedes Höschen für seinen Avatar als kostenpflichtigen DLC erwerben soll.

Das ist also nicht die Neuerfindung des Rades, nicht das beste oder schaurigste F.E.A.R. aller Zeiten - aber es ist auch nicht das zwölfte Call Of Duty, sondern ein konkreter Ego Shooter mit gutem Timing, forderndem Schwierigkeitsgrad und angenehm gruseliger Atmosphäre. Ein rundum gelungener dritter Teil, der noch dazu in der an Highlights raren Sommersaison erscheint - in Deutschland allerdings, wie beide Vorgänger, nur massiv zensiert.

Epilog: Monolith, mittlerweile im Besitz von Warner, haben keine Zeit mehr für die F.E.A.R.-Franchise, denn sie dürfen gerade einen Multiplayer-Shooter kreieren, der im Batman-Kosmos spielt: Gotham City. Unangenehm stößt in dem Zusammenhang die Ankündigung auf, das Game nur als Download zu veräußern. Steht zu hoffen, dass diesem weiteren Versuch, der Kundschaft einen physikalisch vorhandenen, auch nach Systemcrash verwendbaren Datenträger als Gegenleistung für etwa 60 Euro zu verweigern, eine Absage erteilt wird. Zu deutlich ist die Absicht erkennbar, jeden Handel mit gebrauchten Medien zu unterbinden - eine blanke Unverschämtheit angesichts der Unsummen, die man heutzutage für ein Spiel hinblättern soll. Auch für eine neu erschienene BlueRay zahlt man nicht mehr als Drittel …

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