Das Grauen hatte schon immer viele Facetten

Resident Evil Zero: Horror-Cocktail aus auf den Zombiedobermann gekommener Gothic-Tradition und Hightech-Fear & Loathing

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Man hat es ja schon immer geahnt: Management-Seminare sind eine ziemlich gruselige Angelegenheit. Aber die armen, beruflich aufstrebenden Seelen, die das Trainings-Zenter der Umbrella Corporation zu Ausbildungszwecken betraten, müssen sich noch mehr als üblich gefragt haben, ob sie nicht etwas falsch gemacht haben. "Augen auf bei der Berufswahl!", wird mancher nachher gedacht haben. Weil: Dass der Biotech-Branche der Ruf ethisch-moralischer Bedenklichkeit anhaftet ist eine Sache. Dass man sich da als Manager in spe dann aber in einem Gemäuer wiederfindet, welches der Behausung eines transsylvanischen Grafen oder eines an Körper und Geist siechen Poe-Protagonisten alle Ehre machen würde; dass die burgartigen Schulungsräume mit Gemälden von Krieg, Tod, Leid dekoriert sind; dass hier jeder zweite Raum als Gruft mit dem Rätselschloss daherkommt und dauernd menschenfleischhungrige Raben durch die Fenster krachen - das ist dann doch ein bisschen viel.

Mit anderen Worten: RESIDENT EVIL ist wieder da und rührt einmal mehr einen Horror-Cocktail zusammen aus auf den Zombiedobermann gekommener Gothic-Tradition und Hightech-Fear & Loathing.

RESIDENT EVIL ZERO ist das zweite von mindestens drei exklusiv auf dem Gamecube erscheinenden RESIDENT EVIL-Spielen, folgend dem schönen Remake des Playstation-Urahnen der Reihe. Was aus Anlass dieses Remakes von mir mit einiger Ausführlichkeit dargelegt wurde über die RE-Inkarnation auf Nintendos schicker, aktueller Konsole, gilt grundlegend auch für ZERO, ist bequem nachzulesen, und soll hier nicht noch einmal vorgekaut werden. (Ein Wort der Warnung und Wertung vorab: Weil vieles, was an RESIDENT EVIL ZERO großartig ist, auch schon am RESIDENT EVIL-Remake großartig war, wird es hier nicht nochmal ausdrücklich Erwähnung finden. Deswegen wird dieser Text möglicherweise ein Licht auf RE0 werfen, das scheinbar unvorteilhafter ist als verdient. Drum sei erst einmal explizit gesagt: RESIDENT EVIL ZERO ist ein wirklich schönes, spielenswertes Game.) Allerdings ist RE0 eben keine Neuauflage eines älteren Spiels, sondern der erste eigenständige Teil der RESIDENT EVIL-Saga auf dem Gamecube.

Was ihm gar nicht unbedingt zum Vorteil gereicht: Beim RE-Remake lagen die Ähnlichkeiten zum Vorbild nicht nur sowieso in der Natur der Sache - sie waren auch sehr bewusst und geschickt als Folie verwendet, durch die die zahlreichen Differenzen erst sicht- und lesbar wurden. Wo immer hingegen RESIDENT EVIL ZERO sich im Fundus seiner diversen Vorgänger bedient (und das ist nicht wenig), sieht man diese Ähnlichkeiten nicht unbedingt mit einem ebenso wohlgesonnenen Blick.

Lebendig gewordene Ölgemälde

Dass der neue RESIDENT EVIL-Teil audiovisuell da weitermacht, wo die Gamecube-Premiere der Reihe angefangen hat, kann freilich nur freuen. Optisch ist der Stil von ZERO sehr nah dran am Look des RE-Gamecube-Remakes. Aber noch ein bisschen mehr Sanftheit liegt über den Bildern, noch mehr gleichen sie lebendig gewordenen Ölgemälden. Vollends haben die CAPCOM-Designer das grafische Verfahren vom technischen wie künstlerischen Standpunkt so in den Griff bekommen, dass die statischen und die animierten Elemente nicht mehr wirken wie unabhängige Ebenen, sondern zu einem stimmigen Ganzen verschmelzen. Die bewegten Lichtquellen, animierten Details der Spielumgebungen sind zugleich noch zahlreicher und subtiler in ihrem Einsatz geworden; die Spielfiguren und Monster integrieren sich noch einen Tick gekonnter in diese Tableaus - nicht zuletzt, weil jetzt auch ihre Schatten die gelegentliche Pixeligkeit verloren haben und so die Illusion nicht mehr so leicht durchschaubar werden lassen.

Die Geräuschkulisse scheint mir als Beitrag zur Atmosphäre auch nochmal ein Quentchen an Kunstfertigkeit zugelegt zu haben - gerade der Regen in der ersten Spiel-Episode klingt (im doppelten Sinne) unheimlich überzeugend. Dafür plündert die Musik diesmal arg den Klangvorrat der klassischen Moderne - allerdings: Wenn es einem Stanley Kubrick recht ist, in THE SHINING mit keineswegs gruselig gemeinten Bartók- und Ligeti-Stücken Angst und Schrecken hervorzukitzeln, dann ist wohl der Rückgriff auf ein paar kompositorische Klischees für so ein Videospiel nur billig.

Erweitertes Grundrepertoire

Man kann RESIDENT EVIL ZERO auch keineswegs unterstellen, in spielerischer Hinsicht stur an der Vergangenheit der Serie festzuhalten. Die auffälligste Neuerung: Man steuert nicht mehr nur eine Spielfigur durch die virtuelle Standbilder-Geisterbahn. Über weite Strecken befehligt man nun ein Zweier-Team; ein Mitglied davon hat man jeweils unter unmittelbarer Joypad-Kontrolle, das andere dackelt auf Befehl automatisch hinterdrein (und hilft wahlweise auch selbständig bei Kämpfen aus) oder verharrt allein an einem Ort. Wobei der Wechsel zwischen den Figuren (ein paar dramaturgisch geschickt eingebaute Solo-Sequenzen ausgenommen) jederzeit flott und reibungslos auf Knopfdruck möglich ist.

Diese Konstellation erweitert das Grundrepertoire von RESIDENT EVIL um Puzzles nach dem LOST VIKINGS-Prinzip (ohne der Raffinesse der Rätsel dieses Games nachzueifern): Den Figuren eignen ein paar individuelle Fähigkeiten, die richtig eingesetzt oder auch kombiniert sein wollen; in gewisse Abschnitte der Spielwelt kann jeweils nur eine der Figuren vordringen, um dort die nötigen Verrichtungen zu erledigen, den weiteren gemeinsamen Weg zu eröffnen; und/oder zwei virtuelle Körper sind nötig, um Aufgaben zu erledigen, die gleichzeitig Handlungen an zwei verschiedenen Orten erfordern.

Freudige, fernöstliche Wiederaufbereitung amerikanischer B-Picture-Klischees

Was dabei die Gestaltung der beiden "Hauptdarsteller" angeht, so huldigt RESIDENT EVIL ZERO optisch wie erzählerisch der bekannten Vorliebe dieser Spielreihe für die freudige, fernöstliche Wiederaufbereitung amerikanischer B-Picture-Klischees. "Billy Coen" ist Ex-Marine, verurteilt wegen 23-fachen Mordes, auf dem Weg zu seiner Hinrichtung dem Gefangenentransport entflohen. (Und auch wenn er wahrscheinlich unschuldig ist und das Verbrechen außerdem während eines seiner Militär-Einsätze geschah, so hat RE es somit jetzt doch endlich auch geschafft, das bisher in seinem Horror-Katalog noch ausstehende Massen-/Serienmörder-Genre wenigstens sanft anzuzitieren.) Billy sieht aus wie ein enger Verwandter Patrick Swayzes (Sie erinnern sich noch?), bei dem in der Ahnenreihe ein bisserl ein Japaner dazwischengemendelt hat. "Rebecca Chambers" (bekannt als Nebenfigur aus dem ersten RESIDENT EVIL und dessen Remake) hingegen, traue ich mich wetten, ist nicht ganz unbeeinflusst von Natalie Portman in Luc Bessons LÉON - THE PROFESSIONAL.

Sie hat ein abgeschlossenes Uni-Studium, ist Mitglied der Eliteeinheit S.T.A.R.S. - und 18 Jahre alt. (Ob sie auch für einen Nobelpreis nominiert ist, erwähnt das Spiel nicht...) Das mit den 18 ist aber wahrscheinlich auch nur eine Schutzbehauptung, gern würde man mal den Ausweis der jungen Dame sehen, denn die wirkt doch eher, als hätten die Spieldesigner als Zielgruppe Belgier anvisiert.

Mathematische Variablen in einer abstrakten Gamedesign-Gleichung

RESIDENT EVIL ZERO nutzt, wie gesagt, das Team-Prinzip selten für sonderlich vertrackte Puzzles, lässt es aber einen abwechslungsreicheren, mehr Gamer-Aktivität vortäuschenden Fluss ins Spiel bringen. Zugleich aber lässt seine narrative Einbindung, lassen die Stories hinter den beiden Charakteren, viel bewusster werden, wie unberührt voneinander in einem RESIDENT EVIL-Spiel im Grunde das eigentliche Gameplay und die erzählte Geschichte ihre Parallellexistenzen führen: Solange die Helden in RE allein unterwegs waren, hatten sie auch innerhalb der Spielwelt wenig Grund, mehr zu tun als das, wozu sie die Spieler befehligen konnten - Laufen, Schießen, Dinge aufklauben, Rätsel lösen, Türen öffnen. Virtuelle Mitmenschen, mit denen eine komplexere Interaktion möglich gewesen wäre, tauchten da nur am Rande, und dann meist in den filmischen Zwischensequenzen, auf.

Das Team Rebecca-Billy aber macht offensichtlich, dass die Spielfiguren, sobald sie sich interaktiv steuern lassen, reine, hohle Puppen sind, nichts als mit Menschengestalt verkleidete mathematische Variablen in einer abstrakten Gamedesign-Gleichung. Der narrative Rahmen gesteht ihnen ein Innenleben zu, eine Biographie, aber sobald es wirklich ans Spielen geht, verschwindet jegliche Psychologisierung. Wortlos stapfen die beiden hintereinander her, nur wenn sie vom Gamer auf getrennte Wege geschickt werden oder wieder zusammengeführt werden, haben sie ein "Let's split up!" oder ein "Let's regroup!" füreinander übrig. Es fühlt sich kein Jota anders an, ob man gerade Rebecca befehligt oder Billy, obwohl beide - die in den Zwischensequenzen erzählte Handlung ernst genommen - doch einen ganz anderen Blick auf die Welt dieses Spiels haben müssten. Nie muss man sich Sorgen um das machen, was der andere, der automatischen Steuerung überlassene von sich aus tun könnte. (Auch nicht, wenn man eben Rebeccas Rolle übernimmt, die laut der Story da ja immerhin einen angeblich 23-fachen Mörder schwerbewaffnet neben sich herlaufen hat...)

Und wenn man das Team für eine Weile trennt und nur einen der beiden Charaktere führt, dann mutiert der andere derweilen zu einem Stück Mobiliar ohne jegliche Initiative.

Das Grauen hatte schon immer viele Facetten

Dagegen sollte man meinen, dass die andere "große" Gameplay-Neuerung in RE0 viel dazu beitragen sollte, die pure Spieldesign-Mechanik weniger illusionsdurchbrechend, ein Stück unsichtbarer zu machen. Denn in einer Hinsicht scheint RESIDENT EVIL ZERO ein großer Durchbruch gelungen gegenüber der bisherigen Formel - eine schnell entzauberte Hoffnung jedoch, der vermeintliche Fortschritt entpuppt sich bald als gar nicht so revolutionär. Das Grauen hatte schon immer viele Facetten in RE-Spielen, eine der wahrlich schrecklichsten davon war seit jeher die arg eingeengte Handhabung des Inventars an mitgeführten Gegenständen. Nicht nur war die Zahl an gleichzeitig tragbaren Dingen stets streng begrenzt (bei RE0 ist sie es immer noch, auf sechs pro Protagonist) - einen einmal aufgenommenen Gegenstand konnte man auch nur durch Benutzung wieder loswerden, oder dadurch, dass man ihn in einer von den spärlich über die Level verteilten Item-Truhen deponierte.

Beim ersten Durchspielen eines RE-Games waren deswegen nicht selten bis zur Hälfte aller Wege aufgenötigt, weil man einen unbekannten Abschnitt mit einem falsch zusammengestellten Inventar betreten hatte: Da fehlte die richtige Waffe oder ein benötigter Gegenstand, reichten die Heilkräfte nicht, oder (stets ein besonderes Ärgernis) es war kein freier Platz mehr zum Aufnehmen einer weiteren Sache - und selbst wenn man diesen neuen Gegenstand sofort hätte einsetzen wollen in dem Raum, in dem er lag, hieß es dann stets "Zurück zur letzten Truhe", Inventar neu ordnen. Welch ein Segen also, frohlockt man spontan, dass die Charaktere in RESIDENT EVIL ZERO endlich, endlich gelernt haben, Dinge, die sie bei sich tragen, bei Bedarf einfach auf den Boden zu legen, wo immer sie gehen und stehen! Erweist sich jetzt ein eben gefundener Gegenstand als wichtiger denn ein mitgeführter, dann ist der Austausch an Ort und Stelle kein Problem. Und man kann vorerst nicht benötigte Ausrüstung an den Plätzen hinterlassen, die man selbst für strategisch am günstigsten hält.

Das Inventar-System von RE

Alles wunderbar, sollte man meinen. Nur wurden im Gegenzug zu dieser überfälligen Neuerung wiederum die Item-Truhen völlig abgeschafft - und die hatten ja nebenbei den nicht unerheblichen Vorzug, dass alles, was in EINER von ihnen abgelegt wurde, auf magische Weise in ALLEN Truhen des gesamten Spiels wieder zur Verfügung stand. (Dies nur einer von vielen Beweisen, dass das gesamte Inventar-System von RE eine völlig abstrakte, willkürliche Gamemechanik-Entscheidung war, die nichts mit der "realistischen" Überlegung zu tun hatte, dass Menschen nicht unbegrenzt Dinge schleppen können.)

Mit anderen Worten: Was man in RE0 einmal wo hinlegt, bleibt dort, und nur dort, auch schön brav liegen. Und will exakt dort wieder abgeholt werden, wenn man es später einmal andernorts braucht. Schwupps, sind sie schon wieder da, die ärgerlichen Wege quer durchs halbe bisher erkundete Terrain, weil man das Benötigte nicht bei sich trägt und es am anderen Ende des Levels zurückgelassen hat.

Zugegeben, mit etwas Umsicht beim Fallenlassen von Gegenständen und etwas Gottvertrauen statt übermäßigem Horten von Heilungs-Items müssen diese überflüssigen Aufklaub-Touren lang nicht so exzessiv ausfallen wie im Ur-RESIDENT EVIL. Aber noch immer verbringt man bei ZERO mindestens so viele Minuten wie in Monster-Kämpfen und beim Rätsel-Lösen im Inventar-Menu beim Jonglieren mit viel zu vielen potentiell nützlichen Dingen angesichts viel zu knapp bemessener Möglichkeit, sie zu tragen. Ein Beibehalten der Item-Truhen zusätzlich zum neuen Ablege-System hätte da wenigstens spürbare Linderung gebracht.

Das wahre Problem bleibt aber die willkürliche Begrenzung der mitführbaren Gegenstände. Es wäre längst an der Zeit, diesen alle Videospiel-Evolution überdauernden Wurmfortsatz aus antiken Computer-Adventure-Tagen auszuselektieren. Es gibt - außer sturem Traditionalismus - nur einen Grund, der dagegen spräche, die Figuren in künftigen RESIDENT EVIL-Spielen jederzeit beliebig viele Gegenstände gleichzeitig herumtragen zu lassen: Das könnte die Zeit, die das erste Durchspielen beansprucht, glatt halbieren. Den ungetrübten Spaß während dieser verkürzten Spieldauer allerdings würde es mindestens verdoppeln.

Nicht anders ist es beim System der Spielstand-Speicherung: RE0 ist da nur zaghaft moderner geworden. Haben frühere RESIDENT EVIL-Spiele die Gamer da mutwillig an der extrem kurzen Leine gehalten und teilweise in der Endwertung für's zwischenzeitliche Abspeichern sogar bestraft, ist ZERO da überhaupt nicht mehr knausrig, läßt insgesamt über 40 Save-Vorgänge zu, mehr als ausreichend. Aber es tut dies unter Beibehaltung des überkommenen Designs von in den Levels verteilter Schreibmaschinen als Speicherstationen, die mit zu findenden Farbbändern zu füttern sind. Die Farbbänder liegen durchwegs offen und in genügender Zahl direkt neben den Schreibmaschinen - aber sie beanspruchen noch immer einen Platz im Trage-Inventar. Das ist schlichtweg sinnlos umständlich, ein Tribut an die RE-Nostalgie, der in bloße Beschäftigungstherapie ausartet.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum das Design hier nicht endlich konsequent spielerfreundlich sein sollte - mit Speicherstationen, die jederzeit ohne weiteres beliebig oft zu benutzen sind. RESIDENT EVIL ZERO ist da nur mal wieder ein Beispiel mehr, wie konservativ und scheuklappenbewehrt das Medium Games zum Großteil ist; wie zäh es an Traditionen festhält, die ihren Sinn im aktuellen Kontext längst verloren haben (wenn sie je wirklich einen hatten...).

Das verschleiert (zumindest beim ersten Spielen) etwas den Blick dafür, dass das Fortschreiten durch RESIDENT EVIL ZERO im Grunde zügiger, geradliniger ist als durch die meisten seiner Vorgänger. Viel seltener ist man genötigt (außer eben, um ungünstig abgelegte Gegenstände aufzuklauben), bekanntes Terrain wieder und wieder zu kreuzen, um alle Teilchen eines Puzzles zusammenzufügen. (Weswegen sich ZERO im Gegensatz zum RE-Remake auch die Wiederauferstehung bereits besiegter Zombies als "Crimson Heads" und die damit verbundene präventive Einäscherung toter Untoter sparen kann.) Das Öffnen neuer Abschnitte in der Spiel-Architektur erfordert hier meist weniger Schritte, im doppelten Sinne: Die "Rätsel" (die selten sonderlich rätselhaft sind) verlangen zur Lösung eine geringere Anzahl von Gegenständen und Handlungsabläufen, und üblicherweise kann man beim einmaligen Besuch in einem Level-Teilbereich alle benötigten Dinge einsammeln, diese anschließend direkt zu ihrem anderswo gelegenen Einsatzort bringen und damit einen weiteren, unbekannten Teilbereich aufschließen, ohne dass man zwischen den vertrauten Abschnitten andauernd hin- und hergeschickt würde.

Lediglich ein paar zentrale Säle und Verbindungsgänge werden selbst bei optimalem Management des Inventars unweigerlich zu Stationen ausgetretener Trampelpfade. Überhaupt scheinen bei ZERO sowohl Komplexität als auch Häufigkeit wahrer "Puzzles" abgenommen zu haben - Vorankommenshindernisse, die zu ihrer Beseitigung zumindest ein Minimum an gedanklicher Leistung erfordern und nicht nur die bloße Ausführung des Offensichtlichen oder einzig Möglichen. Da gibt es nichts, das sich nicht zur Not auch (wenn die empirische Bemerkung gestattet ist) nachts um drei nach einer Flasche Wein problemlos noch bewältigen ließe. Einsamer Höhepunkt in Puzzle-Hinsicht ist ein recht nettes Kisten-Verschiebe-Rätsel, das tatsächlich ein wenig Vorausdenken um ein, zwei Züge benötigt.

RESIDENT EVIL ZERO nutzt (wie inzwischen die überwiegende Zahl modernerer Videospiele) sein Gamedesign weniger dazu, das Vorankommen der Spieler möglichst stark zu behindern, sondern eher, es zu strukturieren, ihm einen dramaturgischen Fluss zu geben und dabei einen Grundpegel an interaktiver Gefordertheit, an überlebensnotwendiger Wachsamkeit und Spannung aufrechtzuerhalten. Es ist schade, dass RE0 nicht noch mehr Mut hat, entschlossen in diese Richtung zu gehen. Dass es nicht gründlich aufräumt mit den letzten Widerborstigkeiten der Spielmechanik, um so das Augenmerk wegzulenken von den Steinen, die im Weg liegen, hin auf das, was entlang des Wegs zu erleben ist. RE-Mastermind Shinji Mikami hat den Willen bekundet, die RESIDENT EVIL-Reihe noch lange und mit zahlreichen Teilen fortzusetzen. Es wäre gut vorstellbar, dass dabei das Gewicht immer stärker auf das erzählerische Element gelegt würde; dass das eigentliche Gameplay weitgehend standardisiert und widerstandsfrei gehalten würde, quasi eine Art Transparenz erreichend, die die Haupt-Aufmerksamkeit frei lässt für die Story der Spiele.

Weiße Flecken in der RE-Plot-Landkarte

Damit das dann aber richtig überzeugend funktioniert, müssten Mikami und sein Team anders am Inhalt der Spiele feilen, als sie es bei RESIDENT EVIL ZERO getan haben: Dem fehlen vor allem zwei Dinge, um in dieser Hinsicht zu begeistern - einfache Klarheit und Abwechslungsreichtum.

Im Grunde scheint es keinen Anlass zu geben, der Geschichte von RE0 übergroße Komplexität vorzuwerfen: Zwei Helden werden durch einen Unfall in eine bedrohliche, ihnen zunächst unverständliche Situation geschleudert und müssen dieser mit heiler Haut entkommen und dabei Licht in die rätselhafte Sache bringen. Klingt, in diesen groben Zügen, nicht viel anders als die Handlung so ziemlich jedes anderen RE-Spiels. Trotzdem entwickelt ZERO nicht den erzählerischen Drive, diese Kraft einer archetypischen Geschichte, den zumindest die ersten beiden RESIDENT EVIL-Games durchaus hatten - weil es, obwohl Story-chronologisch gesehen ein Prequel, bei seinen Enthüllungen zu sehr geizt mit klaren Antworten. Einst war ja mal angekündigt, ZERO würde viele offene Fragen beantworten und weiße Flecken in der RE-Plot-Landkarte ausfüllen.

Ein Ding voller Unschärfen und Möglichkeiten

Das Gegenteil scheint eher der Fall - die Fragezeichen sind nur zahlreicher geworden, ganz neue Gebiete mit eigenen unerforschten Zonen wurden betreten. Und das betrifft keineswegs nur den neu hinzugekommenen Protagonisten Billy, dessen Vergangenheit ganz offensichtlich weitgehend mysteriös bleibt, um in einer späteren RE-Fortsetzung aufgerollt zu werden: Statt nun die Vorgeschichte der bösen Umbrella Corporation endlich einmal umfassend und unmissverständlich darzulegen, schreibt ZERO - von dem man genau das erhoffte - noch eine neue, rätselhafte Stammvater-Figur in die Entwicklungsstory der außer Kontrolle geratenden Biowaffen-Viren. Zunehmend esoterisch werden da inzwischen die Details, die auf das große Ganze der RESIDENT EVIL-Saga verweisen, auf Kosten der Befriedigung, im Lauf des Spieles wirklich entscheidende Geheimnisse endgültig zu lüften. Das kann Fans begeistern, die jede Kleinigkeit der Serie im Gedächtnis haben und jede Anspielung, jede Spur in Internet-Foren diskutieren mögen. Aber selbst, wenn man alle bisherigen RE-Games bei ihrem Erscheinen gespielt hat und sich jetzt nurmehr in groben Zügen an sie erinnert, rauscht zuviel an Einzelheiten vorbei, ohne dass es "Klick" machte und das Puzzlesteinchen im Gesamtbild einrastete.

Für Leute, die die Reihe bisher nur teilweise oder gar nicht kennen, muss die Ausbeute an Informationen, die als wichtig empfunden werden, vollends ziemlich gering sein.

Das wird dadurch nicht besser, dass die RESIDENT EVIL-Saga inzwischen ohnehin ein schillerndes Text-Konglomerat ist, ein Ding voller Unschärfen und Möglichkeiten, aus dem halbwegs in sich konsistente Lesarten nur noch mit einer Mühe herauszupicken sind, die jedem Philologen Ehre machen würde: Jedes der Spiele hat mehrere unterschiedliche Pfade und Enden anzubieten, das Remake schreibt Teile des ersten Games um, dazu kommt der berüchtigte "Wesker's Report" (eine Beigabe zur japanischen Version von CODE VERONICA: COMPLETE), der Löcher im Plot stopfen sollte und doch wieder neue aufriss - gar nicht erst zu reden von Paul Andersons RESIDENT EVIL-Film und den amerikanischen Büchern zum Spiel, die sowieso außerhalb der offiziellen Chronologie stehen.

Kein Wunder, dass es inzwischen ellenlange FAQs gibt (siehe zum Beispiel ), die versuchen, aus all dem eine amtliche Geschichte herauszufiltrieren. Was darüber zunehmend verloren geht, ist die unschuldige Freude des ersten RESIDENT EVIL (und - auch wenn da schon all diese Fragen hineinzuspielen begannen - seines Remakes), das man wie einen dreckigen, kleinen Horrorfilm einfach genießen konnte, ohne nebenher Buch zu führen.

Dabei ist auch bei RE0 das alte Videospiel-Phänomen (oder auch: -Problem) zu beobachten: An die 15 Stunden Spiel (für einen gemütlichen, gründlichen ersten Durchgang) sind gerade einmal genug, einen narrativen Inhalt zu transportieren, der selbst bei ausführlicher literarischer Schilderung kaum ausreichen würde, auch nur 15 Buchseiten zu füllen. Games sind halt prinzipiell nicht das Medium dafür, sich erzählerisch auf die Ereignisse zu konzentrieren, die ein Buch, ein Film als einzig wichtig herauspicken würde - zu Spielen gehört es, den Spielern die Freiheit zu lassen, auch Nutzloses auszuprobieren. Von dieser hypothetischen RESIDENT EVIL ZERO-Kurzgeschichte würde deshalb auch wiederum lediglich eine Handvoll Absätze zurückbleiben (und nicht mal die für die Story selbst besonders wichtigen, spannenden, interessanten), wenn man sich wirklich auf die Spielabschnitte beschränken würde, die tatsächlich interaktiv sind.

Spektakuläre Filmeinlagen

Den Löwenanteil der eigentlichen Erzählarbeit haben mal wieder vollautomatisch abschnurrende Filmsequenzen zu bewältigen. Bei denen aber gelingt RESIDENT EVIL ZERO etwas, das schon länger kein Game mehr geschafft hat: Als einst die ersten Spiele begannen, vorgerenderte CGI-Filmchen in ihren Ablauf einzustreuen, da hatte das noch überwältigenden Schauwert. Die Technologie, die das überhaupt möglich machte, war neu und ließ da bewusst protzend ihre Muskeln spielen, der Kontrast zur Grafik des eigentlichen Spiels war stets eklatant, und das ganze Verfahren war noch unvertraut und spärlich verwendet genug, um jedem dieser Filmchen die Aura des Besonderen zu geben. Meist waren diese Sequenzen dann auch so in die Struktur des Spiels integriert, dass sie als Belohnung schienen für eine vollbrachte Gamer-Leistung. Inzwischen ist computergenerierte Animation Allerweltsware geworden - im Kino ist man bald froh um jeden Film, der noch irgendwo zwei, drei unretuschierte Pixel unterbringt, so ziemlich jedes Game haut einem schon als Vorspann mehr CGI-Videos um Augen und Ohren, als früher in einem ganzen Spiel zu finden waren, und was die technische Qualität der gerenderten Sequenzen in der Generation Playstation One angeht, so wäre die auf den aktuellen Konsolen kaum noch für die interaktiven Teile eines Spiels akzeptabel.

Aber obwohl RESIDENT EVIL ZERO ohnehin ungleich schöner und beeindruckender aussieht als so ziemlich alles, was je auf der alten Playstation an Full Motion Video zu sehen war, bekommt es das Spiel hin, seine Filmeinsprengsel doch noch mal zu bestaunenswerten Ereignissen zu machen. In diesen Sequenzen führt die virtuelle Kamera Kabinettstückchen vor, zieht die Regie alle Register, die im Game selbst (wo die Orientierung der Gamer gewahrt bleiben muss) nie möglich wären, selbst wenn die Rechenleistung da wäre, sie in Echtzeit auf den Bildschirm zu bringen.

Da wird mit Tiefenschärfe, Farben und Kontrast gespielt, mit verqueren Perspektiven, verrückten Subjektiven, mit Zeitlupe, Bullettime und Jumpcuts, das ganze Repertoire aktueller Videoclip-, Werbe- und Actionfilm-Ästhetik rauf und runter bis knapp an die Grenze schon zur Parodie. Gerade in der Schlussphase von RE0 brennen die Kinoeinlagen in dieser Hinsicht ein Feuerwerk ab, das genau wieder dieses Gefühl von Belohnung für's Durchspielen, von befriedigenden dramaturgischen Höhepunkten im Game-Ablauf hervorrufen, mit dem der Computertrickfilm einst überhaupt Einzug hielt ins interaktive Medium Spiel.

Diese spektakulären Filmeinlagen empfindet man nicht selten auch als angenehmen Ausbruch, wann immer das Spiel selbst droht, zu sehr im Altbekannten stecken zu bleiben. Sicher, RESIDENT EVIL ZERO ist der fünfte Teil einer Serie (noch nicht einmal mitgezählt das Remake, die GUN SURVIVOR-Ableger der Reihe und RE GAIDEN auf dem Gameboy); da noch umwerfende Frische zu erwarten wäre etwas viel verlangt. Aber wie bei der Story des Spiels scheint es auch in anderen Belangen, dass das Game den Abwechslungsreichtum und das Eigenständige, in sich Abgeschlossene gar nicht sucht, sondern absichtlich lieber zu Verweisen, Bezügen, Zitaten greift. Wie sehr sich der Charakter eines RESIDENT EVIL-Spiels ändern könnte, ganz ohne dass das eigentliche Spielprinzip groß angetastet würde, führt der erste (und in vieler Hinsicht stärkste) Abschnitt von RE0 selbst wunderbar vor: Einfach durch den Schauplatz und die Struktur der Räume, in denen man das Gameplay-Prinzip aus-agieren darf, entsteht ein Gesamteindruck, der so in der bisherigen RE-Reihe kein direktes Vorbild hat.

Latentes Gefühl der Panik

Die erste Sequenz des Games spielt nämlich in einem Zug - wobei sich die Reihe insofern treu bleibt, als auch der wie direkt aus dem 19. Jahrhundert dahergedampft wirkt: Der Orient-Express mag einst so ausgesehen haben, mit luxuriösem, plüschigen Interieur, voll gediegenem Holz und ornamentalem Messing; oder an die Eisenbahn aus Sergio Leones ONCE UPON A TIME IN THE WEST mag man sich erinnert fühlen. Jedenfalls haben es Züge nun einmal so an sich, dass sie länglich sind und schmal, und dass somit der Weg vom einen Ende zum anderen kaum anders sein kann als geradlinig. So ganz beugt sich RESIDENT EVIL ZERO nicht dem Diktat dieser Konstruktion: Die Waggons sind hier prinzipiell schon zweigeschoßig, und dann kann und muss man noch Ausflüge auf das Wagendach unternehmen; zudem gibt es noch einzelne verschlossene Abteile. Dies - und ein geschickter Einsatz des neuen Zwei-Spielfiguren-Konzepts - garantiert, dass zumindest im Ansatz der gewohnte RE-Gameplay-Ablauf gewahrt bleibt, mit dem allmählichen (und buchstäblichen) Erschließen der Level-Teilabschnitte.

Trotzdem ist der Fluss des Spiels durch diese Räume ein viel flotterer, linearerer als durch die Herrenhäuser und Labors, die man aus vorherigen RESIDENT EVIL-Episoden kennt; der Pfad hat deutlich weniger Ausweich- und Wahlmöglichkeiten, seine Stationen bieten weniger großflächige Erkundungsgebiete. Dazu kommt, dass die rüttelnde Fahrt des Zugs auch unmittelbar Unruhe und Bewegung in die Bilder bringt (sehr überzeugend übrigens, der Gamecube-Technologie sei Dank): War RE bisher immer eher ein Spiel des zaghaften Vorantastens, der bangen Erwartung, so hat diese Eisenbahn-Sequenz viel mehr Atemlosigkeit, Tempo, drängt vorwärts, ist getränkt von einem latenten Gefühl der Panik.

Nach diesem Ausflug auf die Schiene erscheint es als Rückschritt, wenn man danach schon wieder in einem Herrenhaus landet (auch wenn das jetzt angeblich ein Schulungszentrum der Umbrella Corporation ist), (aus früheren Teilen bekannte) Labors abklappert, in eine unterirdische Kläranlage (wie in RE2) vordringt. Unter Fans gibt es Diskussionen, wie sich diese Schauplätze nun genau in die Gesamt-Geografie der RE-Serie einfügen - aber ehrlich gesagt wirken sie so oder so wie bereits mehrfach benutzte Filmsets, die nur etwas umdekoriert wurden. Dabei liegt das noch nicht mal zwangsweise an den Orten selbst - das Management-Schulungszentrum beispielsweise hätte ja wirklich das Potential zu Neuem gehabt.

Der Stil ist Gothic, und Gothic allein

Was jedoch allem einen so ähnlichen Anstrich gibt, ist die Schauerromantik-Patina, die seit dem RE-Remake sich auf sämtliche Räume legt. Egal, wo man sich befindet - ihre Innenarchitekten scheinen die Leute in dieser Welt ausschließlich bei Matthew Gordon Lewis, Anne Radcliffe oder E.A. Poe gefunden zu haben. Der Stil ist Gothic, und Gothic allein. (Nicht ohne eine gewisse Komik ist, wie RE0 diesen Traditionsbogen diesmal konsequent bis ins Heute verfolgt - der unheimliche Fremde, der im Laufe des Spiels eine immer zentralere Rolle spielt, sieht tatsächlich aus wie einer mainstreamigen Hitparaden-Gothic-Band entlaufen.) Dass RESIDENT EVIL diesen Teil seines Ideen-Erbes inzwischen derart stark betont, dass die Reihe jetzt so stark auf den Grusel dieser alles durchdringenden Atmosphäre setzt, mag auch ein Versuch sein auszugleichen, dass ein anderer Haupt-Einfluss inzwischen ziemlich kraftlos dahinsiecht:

Die Zeit der Splatter-Ästhetik ist einfach vorbei; deren explizite Bilder der Zerstörung von Körpern haben in unserer Kultur nicht mehr den selben Stellenwert wie einst. Es hat seine Gründe, warum Splatter inzwischen (teilweise vom Mainstream assimiliert) als eigenständiges Genre von den Leinwänden verschwunden ist; warum ein George Romero kaum noch (und wenn, dann wenig Beachtung findende) Filme dreht und Leute wie Peter Jackson oder David Cronenberg ganz andere als einst. Schon als das erste RESIDENT EVIL-Spiel veröffentlicht wurde, befand sich der Splatterfilm-Zyklus auf dem abnehmenden Teil seiner Welle - inzwischen hat er an aktueller Relevanz völlig verloren.

Wo das Horror-Genre im Kino heute größeres Publikum erreicht, da tut es das mit diffuserem, körperfernerem Grusel; die Geistergeschichten sind zurück. Kein Wunder, dass da auch RESIDENT EVIL mehr mit Spukhaus-Atmosphäre zu locken und bangemachen sucht denn mit traumatischen Schrotflinten-Eingriffen am untoten Gewebe. Es ist durchaus passend, dass RE0 ohne Zensurkonzessionen eine USK-Freigabe ab 16 erhalten hat, obwohl es in Sachen Gewalt im einzelnen nicht zurücksteht hinter dem in Deutschland indizierten zweiten Teil der Serie und diesem gegenüber, technisch bedingt, viel expliziter, "realistischer", detailgenauer ist in deren Darstellung. Zusammen mit der kulturellen Relevanz hat der Splatter auch viel scheinbare Bedrohlichkeit eingebüßt.

Die Zombies, einst Hauptdarsteller und Schreckensverbreiter im ersten RESIDENT EVIL, wirken in ZERO schon fast wie Statisten in ihrem ureigenen Spiel. Sie sind Ikonen eines Genres, das sich überlebt hat. Dafür wartet RE0 mit mehr tierischen Monstern auf als alle Teile zuvor: Die vertrauten Raben, Spinnen und Hunde, riesige Insekten, Fledermäuse, Frösche, sowie Killer-Affen, die möglicherweise eine Hommage sind an MONKEY SHINES, den Primaten-Horrorstreifen von George A. Romero, dessen LIVING DEAD-Trilogie der wohl wichtigste Impulsgeber für die RESIDENT EVIL-Reihe war. In Sachen filmische Bezüge (und die sind für RE nun einmal offen eingestanden prägend) ist man damit aber nicht in zukunftsweisenderem Territorium - die große Welle der Tierhorror-Filme hatte ihren Scheitelpunkt ja sogar noch lang vor dem Splatter-Genre.

Sicher, die RESIDENT EVIL-Reihe hat schon immer auch von dem Charme gelebt, leicht angestaubte B-Pictures zu imitieren und dabei auch ein klein wenig Augenzwinkern nicht zu scheuen. Aber angesichts der technischen Perfektion, die die RE-Spiele auf dem Gamecube erreicht haben, ist kaum Platz mehr für die unfreiwillige Komik, die das erste RE-Game noch so schön zelebriert hat - und wenn RESIDENT EVIL jetzt also ernsthafter und ernsthaft grusliger werden will, dann muss es aufpassen, nicht ZU charmant zu sein. Was RE ZERO wirklich drauf hat, das ist die pure Mechanik des Schreckens. Was prima gelingt, das sind reine Schockeffekte - die Gamer in falscher Sicherheit wiegen oder ahnungsvolle Spannung aufbauen, und dann zum unerwarteten Zeitpunkt eine unangenehme Überraschung hereinkrachen lassen - und gelegentlich das Ansprechen einfacher Ekel-Reflexe - monströse, schleimige Blutegel verfehlen selten ihre Wirkung.

Aber es gibt so wenig in ZERO, was einen auch auf tieferer Ebene erwischt, was sich festsetzt im Gehirn, wo der Horror mehr ist als kurzer Spaß am Erschrecken. Da muss sich der Horror-Game-Stammvater inzwischen von seinen Abkömmlingen überholen lassen, da ist beispielsweise SILENT HILL weiter - vielleicht auch, weil das von Anfang an wenig auf Splatter und viel auf das Unheimliche, "The Uncanny", gesetzt hat. Wenn RESIDENT EVIL da wieder in allen (und eben insbesondere inhaltlichen) Belangen zur absoluten Spitze vorrücken will, dann sollte es die Horror-B-Pictures nicht nur zitieren, sondern es ihnen auch gleich tun: Sollte sich nicht vertändeln in endlosen (Selbst-)Bezügen, sondern mehr im kollektiven Unterbewussten fischen nach den aktuellen Ängsten, die dort frei herumschweben. Im Kino sind es ja oft gerade die billigen Horrorstreifen, die (meist nicht mal bewusst) Bilder gefunden haben, die Nerven ihrer Zeit trafen, die wie Alpträume einer ganzen Gesellschaft wirkten. (Und gerade Romeros LIVING DEAD-Trilogie, eingestandener Pate für RE, ist ein Paradebeispiel dafür.) Ähnliches sollte derzeit einer Videospielreihe doch gar nicht so schwer fallen, die als Hauptthemen tödliche Viren, Biowaffen, gewissenlose Firmen mit finsteren Absichten hat.

Wie angenehm harmlos aber und antiquiert der Horror von RESIDENT EVIL (mittlerweile) über weite Strecken ist, welch wohliger Pappmaché-Grusel da herrscht und wie nett abgesichert das Grauen sich gibt, merkt man, wenn an einer Stelle in ZERO plötzlich eine ganz andere Form von Horror einbricht: In einer filmischen Rückblende finden wir uns wieder bei einem Militäreinsatz in Afrika, der in einem Massaker an einer Dorfbevölkerung endet. Kann gut sein, dass RE0 diese Sequenz in erster Linie abgekupfert hat aus alten Vietnam-Filmen. Aber die Bilder sind kaum anzuschauen, ohne sie auch in Verbindung zu bringen mit solchen, die immer wieder durch unsere Fernsehnachrichten spuken. Unvermittelt fühlt man sich aus dem spinnverwebtem Spukhaus herauskatapultiert und ins Hier und Heute gezerrt. Da droht die Unterhaltsamkeit des Ganzen abhanden zu kommen. Es ist ein unangenehmer, ein verstörender Moment; letztlich auch deplaziert, weil er so fremd bleibt zum Rest des Spieles, keine Begründung oder Folgen dort findet, so quer steht zu dessen klischeefreudigen Unernst.

Es ist aber auch der Beweis, dass der RESIDENT EVIL-Reihe das Grauen keineswegs ausgehen wird, wenn sie mal ein paar Schritte herauswagt aus ihrem heimeligen Gruselkabinett.