Das Neue Europa im Neuen Irak

Die US-Regierung braucht die Unterstützung der osteuropäischen Länder, um der Besatzungsmacht einen internationalen Anschein zu geben

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Seit anderthalb Monaten ist der Golfkrieg II zu Ende. Seitdem sind die Todesfälle unter den Koalitionstrupen langsam, aber stetig auf ein oder zwei Tote am Tag gestiegen. Von irakischen Guerillagruppen wurden bislang mehr als 80 amerikanische Soldaten getötet und über 300 verletzt. Zusammen mit dem Fakt, dass bislang keine Massenvernichtungswaffen gefunden worden sind - und auch nie gefunden werden, wie manche sagen -, ist in den USA und Großbritannien die Unruhe hinsichtlich des Iraks größer geworden.

Die USA haben daher auf ihre Alliierten im Neuen Europa Druck ausgeübt, Unterstützung bei der Kontrolle des Neuen Irak zu leisten. Die Verzweiflung der amerikanischen Regierung ist so groß, dass sie sogar bereit ist, teilweise für diese zusätzlichen Truppen zu bezahlen, um die Belastung für die Koalitionstruppen zu verringern.

Das unglaubliche Angebot der US-Regierung an Indien hat der Indian Express enthüllt. Es zeigt, wie verzweifelt Bush mittlerweile um Unterstützung und Entlastung ringen muss. Trotz der vielen Versprechungen hatte die Indien die Entsendung von Truppen abgelehnt, solange es sich nicht um ein UN-Mandat handelt:

  1. Accommodate an Indian army general as liasion officer at Central Command headquarters in Tampa, Florida as well as post 35 Indian officers at its command and control headquarters in Iraq.
  2. Offer progress on the "trinity issues": nuclear, hi-tech and space cooperation. Implied in this was that like Russia and France, US would be more accommodating towards India when it came to the Nuclear Suppliers Group (NSG) for transfer of critical technologies.
  3. Pick up the estimated $300-million tab for troop deployment.
  4. Help India recover its investments made during the Saddam regime as well as get a share of the economic reconstruction efforts in Iraq.

Im August wird eine ungarische Einheit von 300 Soldaten als sogenannte "peacekeepers" in den Irak gehen. Die USA kommen für den Transport in den Irak auf. Allerdings hat das Pentagon noch nicht entschieden, ob sie mit dem Flugzeug oder mit Zug und Schiff reisen werden. Bekannt ist bislang nur, dass die Gesamtkosten sich zwischen 2 und 3 Milliarden Forints (ungefähr 10 Millionen Euro) bewegen werden.

Die ungarische Beteiligung an von Amerikanern angeführten Abenteuern ist bislang vornehmlich wegen finanzieller Gründe beschränkt geblieben. Dieses Mal will Washington aber sicher gehen, dass Budapest sich die Aushilfe leisten kann. Doch die Kosten sind nur die eine Seite des Problems. Zu Beginn des Jahres wurde bereits die Entsendung einer ungarischen Einheit nach Afghanistan zu einem umstrittenen politischen Thema. Die Opposition verhinderte die Entsendung von bewaffneten Truppen, weswegen an der Stelle von diesen ein Ärzteteam geschickt wurde.

Internationalisierung und Entlastung

Wenn dieses Mal alles im Zeitplan geschieht, wird das Truppenkontingent Mitte August für die Reise in den Irak fertig sein. Ein Vorausteam ist bereits im Irak eingetroffen, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Die Ungarn werden unter polnischem Kommando stehen. Dazu gehören auch Bulgaren. Die Rumänen werden vermutlich ein Technikerteam schicken.

Mit der Entsendung einer kleinen Truppe aus dem Neuen Europa in den Neuen Irak hoffen die USA, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Erstens sucht Washington nach einer Möglichkeit, die Besatzung des Neuen Irak zu "internationalisieren". Und zweitens suchen sie nach einer Möglichkeit, den Einsatz der amerikanischen Truppen zu reduzieren.

In den USA hat inzwischen der politische Krieg gerade erst begonnen. Vor dem Irak-Konflikt hatte US-Verteidigungsminister Rumsfeld behauptet, dass zur Besetzung des Nachkriegs-Irak nicht viele Truppen erforderlich seien. Doch nachdem sich die Dynamik des Konflikts in der Zwischenzeit grundsätzlich geändert hat und von einem Kampf zwischen Armeen zu einem "low-intensity" Guerillakrieg geworden ist, hat Rumsfeld viel Kritik auf sich gezogen. Die Zahl der amerikanischen Truppen in der Region ist nach dem Sturz des Regimes gleich hoch geblieben, manche sagen, dass sie sogar noch erhöht werden müsste.

Und hier kommen die Kontingente aus dem Neuen Europa zur Geltung. Auch wenn sie klein sind, stellen sie dennoch die Avantgarde einer Beteiligung dar, die vermutlich zahlenmäßig mit den partizipierenden Ländern ansteigen wird. Trotzdem gibt es Begrenzungen, da die militärischen Kapazitäten des Neuen Europa klein sind und das Militär nicht gut ausgerüstet ist. Zudem haben alle Länder, die Truppen entsenden, schwere Wirtschaftsprobleme. Ungarn hat beispielsweise im Augenblick mit Kreditproblemen zu kämpfen.

Aus diesem Grund fordern nun viele führenden Politiker im Kongress die Bush-Administration auf, in Verbindung mit ihren ernster zu nehmenden europäischen Alliierten, insbesondere mit Deutschland und Frankreich, zu treten. Es gab bereits Forderungen nach einer stärkeren Beteiligung der UN, was eine vollständige Kehrtwende der Position von Washington darstellt, nachdem am 1. Mai der Sieg erklärt wurde.

Die Möglichkeit der USA, die Besetzung des Irak ganz zu internationalisieren, ist durch die Tatsache beeinträchtigt, dass es noch immer eine schlechte Stimmung zwischen der USA und einigen ihrer europäischen Alliierten gibt, auch wenn die Rhetorik, die "Wunden zu heilen", von allen Seiten geäußert wurde. Zudem sind die USA nicht gewillt, die Kontrolle über den Irak ein Stück weit aufzugeben.

Die Bush-Administration setzt folglich auf eine wirre Vorstellung von einer Nato-Beteiligung, damit es so aussieht, als sei die Besatzungsmacht bereits internationalisiert. Zumindest für Rumsfeld ist die Nato bereits im Irak engagiert, auch wenn Frankreich und Deutschland nicht teilnehmen. Die Beteiligung einiger Staaten aus dem Neuen Europa soll eine Pseudo-Rechtfertigung dafür liefern.

In Wahrheit ist die Nato offiziell nicht beteiligt, das Nato-Hauptquartier in Brüssel hat bislang nichts in dieser Richtung verlauten lassen. Trotzdem haben die Regierung von Ungarn und andere Regierungen des Neuen Europa die "Nato-Beteiligung" als einen Vorwand benutzt, um sich in Afghanistan und jetzt im Irak zu engagieren.

Noch herrscht resignierte Zustimmung

Letztlich lässt sich der Status der Friedensmission im Neuen Irak durch das Neue Europa an der Art der Truppen erkennen, die in die Region geschickt werden. Das ungarische Truppenkontingent wird wie die anderen aus dem Neuen Europa amerikanische Army-Uniformen tragen. Die Begründung lautet, dass amerikanische Uniformen besser für das Klima im Irak geeignet seien. Schnell wurden jedoch von den für die Truppenkontingenten Verantwortlich darauf hingewiesen, dass die Soldaten jeweils noch die nationalen Zeichen tragen, um sie zu unterscheiden, auch wenn dies nicht im Vordergrund steht. In Zeiten des Kriegs sind solche Unterscheidungen nicht genug. Ein Feind ist ein Feind, egal welche Uniform er trägt. Man muss nur noch Afghanistan schauen: Nicht nur US-Soldaten sind dort getötet worden.

Wie leistungsstark und zuverlässig die Truppenkontingente des Neuen Europa sein werden, wird davon abhängen, wie sich der Guerillakrieg weiter entwickeln wird. Die Soldaten werden nicht nur mit dürftiger Ausrüstung und einem knappen Budget entsendet, sondern es wird auch sicher zum Aufruhr in den Heimatländern kommen, wenn sie so wie die amerikanischen und britischen Soldaten angegriffen werden. Dann dürften Länder wie Ungarn nicht mehr in der Lage sein, den USA direkte militärische Unterstützung anzubieten.

Die breite Öffentlichkeit des Neuen Europa hat sich gegenwärtig damit abgefunden, Truppen in den Irak zu senden. Trotzdem gibt es eine latente Opposition gegenüber dieser ganzen Angelegenheit. In Ungarn haben sich bereits einige Soldaten, die in den Irak gehen sollten, geweigert. Wenn der "low-intensity"-Krieg im Irak so bleibt, wie er jetzt ist, dann werden nicht nur in den USA und in Großbritannien die politischen Mehrheiten protestieren, sondern auch diejenigen im Neuen Europa.