Das Öl, die Interessen und das Meer

Die NASA dokumentiert kontinuierlich mit Satellitenbildern die Ausbreitung des Ölteppichs, hier der Stand am 26. Juni 2010. Bild: NASA

Wie schafft es eine riesige Öllache, in der Informationsflut abzutauchen?

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Seit mehr als zwei Monaten sprudelt Rohöl aus einem Tiefsee-Bohrloch im Golf von Mexiko vor der US-Küste. Eine gigantische Umweltkatastrophe, über die ständig in allen Medien berichtet wird. Trotzdem bleibt die Ölpest seltsam blass. Nur die Pelikane mit ölverschmutztem Gefieder werden langsam zum Sinnbild der umfassenden Verschmutzung an den Küsten.

Am 20. April 2010 bricht nach einer Explosion auf der Ölplattform Deepwater Horizon rund 80 km vor der Küste Louisianas nach einer Explosion ein Feuer aus, elf Arbeiter sterben bei dem Brand. Über die Gründe und die möglicherweise mangelnden Sicherheitsmaßnahmen wird seitdem viel diskutiert (vgl. Gefahr aus der Tiefe). Zwei Tage später versinkt die Plattform, die immer noch in Flammen steht, im Meer. Es dauert noch zwei weitere Tage, bis klar ist, dass aus dem Bohrloch in 1500 Tiefe ständig Öl aus dem Meeresboden schießt. Am 26. April ist bereits ein riesiger Ölteppich an der Unfallstelle zu sehen, der auf den Wellen treibt.

Seit April strömt kontinuierlich Öl ins Meer und breitet sich sowohl unter wie auf dem Wasser aus (zu den Schätzungen über die Austrittsmenge siehe: Ölpest im Golf von Mexiko: Die Katastrophe nach der Katastrophe). Alle Versuche, das Bohrloch zu verschließen, schlugen bislang fehl. Bedroht sind neben den Meeresbewohnern vor allem die Ökosysteme der Küsten der US-Bundesstaaten Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida. Kontinuierlich aktualisierte Karten verdeutlichen die stetige Ausbreitung des Ölteppichs.

Die meisten unabhängigen Experten sind überzeugt, dass die aktuelle Katastrophe schon jetzt den so genannten IXTOC-Vorfall übertrifft, den Ölplattform-Unfall, der sich 1979 im Golf von Mexiko ereignete und 10 Monate dauerte. Wie viel Öl damals genau austrat, ist unbekannt, allerdings ereignete sich die Katastrophe viel weiter von den Küsten entfernt. Ein Überblick über große Ölunfälle zeigt, wie viele derartige schwarze Kapitel in der Geschichte bereits zu verzeichnen waren (vgl. List of oil spills).

Das historische Ausmaß

Die größte Menge Öl trat bislang im persischen Golf 1991 als Folge des ersten Golfkriegs aus, als irakische Soldaten die Plattformen vor der kuwaitischen Küste sprengten. Bis heute bedecken in der Region riesige Teerplatten Teile des Meersbodens und das Öl lagerte sich unter der Oberfläche der Mangrovenwälder und Salzmarschen ab. Mehr als eine Milliarde Liter Rohöl flossen damals und Meer (vgl. Umweltkatastrophe Golfkrieg und Die Ölkatastrophe von 1991 im Persischen Golf).

Viel spricht dafür, dass die aktuelle BP-Ölpest mindestens dieses Ausmaß erreichen wird, vor der Küste Amerikas ist sie jetzt schon der GAU der Ölindustrie. Eine nationale ökologische Katastrophe, aber auch ein Menetekel für die Welt, endlich eine nachhaltige Energiewende einzuleiten – selbst wenn die Experten nicht Recht behalten, was den Öltransport mittels des Golfstroms durch die Weltmeere angeht.

Der Präsident und das Volk

Es wird viel berichtet in den Medien und die Politik trägt mit ihrer Aktivität zu den Schlagzeilen bei. US-Präsident Obama hat mehrfach das Katastrophengebiet besucht. Er verhängte ein sechsmonatige Verbot für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko – ein Moratorium, das kurz darauf von einem US-Bundesgericht aufgrund von Klagen der Öl-Industrie aufgehoben wurde. Der Präsident fordert, dass BP als verantwortliche Firma für alle Schäden aufkommt und brachte den Konzern dazu, einen 20 Milliarden Dollar schweren Entschädigungsfond einzurichten.

"BP ist für dieses Leck verantwortlich. BP wird die Rechnung begleichen“, erklärte Obama bereits Anfang Mai, und im Juni versprach er der Öffentlichkeit im Fernsehen, er werde den Verantwortlichen „in den Arsch treten“. Er war vor Ort, zeigte Entschlossenheit und hielt dazu eine Rede an die Nation, die aus dem Oval Office in alle amerikanischen Wohnzimmer strahlte. Er kündigte eine Wende in der Energiepolitik an, meinte "wir können uns nicht leisten, weiterhin auf diese Weise Energie zu produzieren und zu nutzen", blieb aber dann bezüglich der Konsequenzen ziemlich vage. Kein Wunder, denn die Amerikaner sind nicht wirklich bereit, mehr für Öl und Benzin zu bezahlen, und weder die Wirtschaft noch die Privathaushalte wollen tatsächlich Energie einsparen.

Obama weiß das und wie jeder demokratisch gewählte Regierungschef ist er auf Mehrheiten angewiesen, sonst wird er an der Wahlurne abgestraft und kann gar nichts mehr bewegen. Das weiße Haus hat sogar eine eigene Website zum Thema Oil Spill eingerichtet.

Nach Meinungsumfragen sind die Amerikaner nicht sehr zufrieden mit dem Krisenmanagement ihrer Regierung, mehr als die Hälfte der Befragten fand es Ende Juni „unzureichend“. Andererseits gibt es kaum Unterstützung für den von Obama verhängten Stopp der Tiefseebohrungen, nur ganz langsam verändert sich die öffentliche Meinung, die sich im Februar diesen Jahres zu 63 Prozent noch mehr Regierungsgenehmigungen für Ölbohrungen vor den US-Küsten wünschte – im Juni waren es immerhin noch 44 Prozent. Nur rund ein Fünftel der US-Amerikaner ist für ein komplettes Verbot der Offshore-Ölbohrungen. Angesichts des ständig wachsenden Ölteppichs im Golf von Mexiko erstaunliche Zahlen.

BP, die Börse und die Dividenden

Viele Medien bieten komplette Dossiers zum Oil spill an; besonders intensiv ist die Berichterstattung der Wirtschaftsredaktionen. Kein Wunder, denn es geht um sehr viel Geld und einen der größten internationalen Energie-Konzerne mit 80.000 Mitarbeitern. Vor dem Brand und dem Untergang der „Deepwater Horizon“ war BP nach Angaben der Financial Times mehr als 189 Milliarden Dollar wert, durch die Katastrophe hat sich der Börsenwert auf 99,5 Milliarden halbiert (Stand 21. Juni). Rating-Agenturen stuften den Konzern auf fast "Ramschstatus" herab. Erst kamen die Diskussionen, ob BP überhaupt Dividenden zahlen werde, jetzt verklagen Aktionäre die Firma auf Schadensersatz.

Analysten gehen zwar davon aus, dass BP mit ungefähr 250 Milliarden Dollar Vermögenswerten über genug Geld verfügt, um alle Verluste aufzufangen, aber schon kreisen die Geier, es wird in den letzten Tagen viel über neue Geldgeber oder die Übernahme zumindest von Teilen des Konzerns spekuliert.

Mehr als drei Milliarden Dollar hat BP bereits für die Folgen der Katastrophe ausgegeben, und das Loch im Meersboden ist trotz aller Bemühungen weder durch den Bau und Einsatz einer Stahlkuppel, noch die Methode Top Kill mit schwerem Schlamm gestopft worden. Inzwischen wird ein Teil des Öls durch eine Beton-Glocke aufgefangen und an die Oberfläche in Schiffe gepumpt. Spezialisten gehen davon aus, dass die ca. 4 Millionen Liter, die täglich so nach BP-Angaben aufgefangen werden, nur die Hälfte des ausströmenden Öls darstellt.

Zudem wird das Öl an der Oberfläche abgefackelt und Flugzeuge versprühten Millionen Liter der hochgiftigen Chemikalie Corexit zur Auflösung des Ölteppichs, denn es bringt das Öl zum Absinken auf den Meeresgrund. Inzwischen hat BP bereits mehr als hundert Millionen Dollar allein an Entschädigungen gezahlt und den bereits erwähnten Entschädigungsfonds im Wert von 20 Milliarden Dollar eingerichtet. Analysten schätzen, dass das Desaster den Konzern am Ende mindestens 50 Milliarden, vielleicht sogar 60 Milliarden kosten wird.

Verharmloser an der Spitze

Zur Ölkatastrophe kam ein katastrophales Krisenmanagement, bei dem sich besonders der BP-Vorstandsvorsitzende Tony Hayward hervortat, der alles klein reden wollte. Er meinte, der Golf von Mexiko sei ja ein großes Meer und versicherte am 18. Mai im Fernsehen der Öffentlichkeit: "Die Folgen der Katastrophe werden sehr, sehr begrenzt sein“ – seit Ende Juni ist er nicht mehr für das Ölpest-Management zuständig.

Der Verharmloser an der Spitze musste die Segel streichen, aber der Imageschaden und der gigantische finanzielle Verlust bleibt – genau wie die Ölpest. Sollte BP allerdings am Ende insolvent sein, hätten nur die konkurrierenden Energiekonzerne etwas davon, Entschädigungen gibt es dann nicht mehr und der Staat bliebe auf der Öllache sitzen.

Und andere Ölmultis produzier(t)en ihre ganz eigenen Katastrophen, auch wenn wie im Fall von Shell und der vehementen Umweltverschmutzung in Nigeria kaum noch öffentlich angeklagt (siehe auch: Video:: Shell Oil - The Awful Truth) wird. Ganz zu schweigen von der hervorragenden Zusammenarbeit von Ölfirmen mit korrupten Politiker auf Kosten der Bevölkerung wie im Nigerdelta (siehe Video: Oil War - Nigeria).

Vorher und Nachher für einen verölten Pelikan im Fort Jackson, LA Oiled Wildlife Center, Foto: International Bird Rescue Research Center. Lizenz: CC-BY-2.0

Site, Links und Facebook

Es ist natürlich im Interesse von BP, die Probleme eher herunterzuspielen und den Eindruck aufrecht zu erhalten, sie hätten alles im Griff. Ihre Versuche, die Öffentlichkeit möglichst das BP-Bild sehen zu lassen, sind entsprechend verständlich.

Neben dem „lockeren“ Auftreten von Tony Hayward setzte der Konzern dabei vor allem auf Informationskontrolle. Dazu gehörte der Kauf von einschlägigen Suchbegriffen wie „Oil Spill“ oder „Deepwater Horizon“ bei den Suchmaschinen Google und Yahoo. Wie eine Sprecherin des Konzerns mitteilte, diente das dazu, den Opfern der Ölpest einen schnellen Zugriff auf Hilfsangebote und Ansprechpartner zu ermöglichen. Kritiker sahen in der Aktion, die möglichst viele User auf die von BP eingerichtete Site Gulf of Mexico response bringen sollte, einen Versuch der Manipulation der öffentlichen Meinung. Die Kosten von ungefähr 10.000 Dollar pro Tag über Wochen hinweg kamen zu den 50 Millionen, die BP seit der Explosion für TV-Spots ausgegeben haben soll.

Das inzwischen eingerichtete Online-Portal Deepwater Horizon Response erweckt den Anschein, unabhängig zu sein (im Impressum steht die US-Küstenwache), in Wirklichkeit wird sie aber von PR-Profis im Auftrag von BP betreut (vgl. auch Gulf Spill Unified Command Communications Powered by PIER). Die entsprechenden, nach Bundesstaaten aufgeteilten lokalen Plattformen wie Florida Gulf Response oder Louisiana Gulf Response sind dagegen klar als BP-Sites gekennzeichnet.

Zudem setzte die Firma mit mäßigem Erfolg auf Twitter und Facebook. Über letztere Plattform vernetzen sich auch die Gegner, darunter mehr als 750.000 BP-Boykott-Unterstützer. Ende Juni war ihre Site plötzlich für mehr als neun Stunden offline. Ein reines Versehen, wie Facebook sofort versicherte (vgl. Admin glaubt nicht an versehentliche Abschaltung.

Viel kritisiert wird die Art wie BP grundsätzlich mit Journalisten umgeht. Manche vergleichen die starken Beschränkungen mit dem Embedded Journalism während des Golfkriegs und sprechen von Zensur. Nur wer sich alles vorher genehmigen lässt, bekommt Zugang zu verschmutzten Stränden oder eine Taucherlaubnis. Das ganze Gebiet sei eine einzige Sperrzone, so sorge BP dafür, dass möglichst wenige kritische Bilder produziert würden und das firmeneigene Material (Fleißige saubere Helfer am Strand, Flugaufnahmen vom blauen Meer, Einbringen von orange leuchtenden Ölsperren vor Schilfinseln etc. – kein Öl weit und breit zu sehen) von den Medien verwendet werde. Und von BP engagierte Ölbekämpfer vor Ort würden jede Auskunft verweigern, weil die Firma mit ihnen Stillschweigen vereinbart habe.

BP argumentiert dagegen mit Sicherheitsbedenken und der Notwendigkeit, dass die Helfer unbehindert arbeiten könnten. Immerhin gab es so viele Proteste von Medien, dass am 1. Juli in einer Pressemitteilung klar gestellt wurde. So erläuterte Manager Doug Suttles:

Ich kann es wirklich nicht oft genug betonen: BP stellt es natürlich allen Beteiligten frei, sich mit Journalisten über ihre persönliche Sichtweise und Erfahrungen auszutauschen, so sie dies tun wollen. BP hat bis jetzt niemanden davon abgehalten und wird dies auch zukünftig nicht tun, über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen oder ihre Meinungen zu äußern.

Eine mit Öl bedeckte Schildkröte wird auf dem Meer, mehr als 30 Kilometer von der Küste entfernt, gerettet und anschließend gereinigt. Bild: NOAA and Georgia Department of Natural Resources

Fische und Tourismus

Tatsächlich ist BP federführend für das Management der Krise und damit auch die Schadensbehebung vor Ort an den Küsten verantwortlich. In den USA ist der Verursacher derjenige, der die Kontrolle über die Koordination aller Maßnahmen hat, der Staat ist nur Überwacher. Die Küstenwache, die staatlichen Institutionen, die Experten vor Ort, alle bezahlten und freiwilligen Helfer, kurz: Alle Beteiligten werden von BP koordiniert. Und dass BP nicht begeistert ist, wenn da jemand die Klappe weit aufreißt, ist allen Beteiligten deutlich. Aber wer sollte der Welt überhaupt die schlimmsten Schäden zeigen wollen?

Die hauptsächlich Betroffenen an den Küsten von Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida sind die Fischer, die in großen Teilen des Golfs von Mexiko nichts mehr fangen dürfen (vgl. NOAA Expands Fishing Closed Area in Gulf of Mexico) und somit ihrer Existenzgrundlage beraubt sind, dazu kommen die im Tourismusgewerbe Arbeitenden.

Die Fischer haben selbst ein großes Interesse daran, dass die Ölpest nicht zu grauenhaft dargestellt wird, damit sie bald wieder in ihre Fischereigründe ausfahren können. Außerdem bietet ihnen BP gerade lukrative Jobs in der Ölbeseitigung an. Allerdings sollten sie dafür Verzichtserklärungen bezüglich Entschädigungen unterschreiben, bzw. Pauschalen akzeptieren, was viele wohl bereits taten.

Verölte Algen im Golf von Mexiko. Bild: Georgia Department of Natural Resources

Ähnliches gilt für die lokalen Hoteliers und Gastronomen. Fast 45.000 Helfer hat BP vor Ort angeheuert, sie bringen Ölbarrieren aus und reinigen Strände. Sie haben Entschädigungen beantragt oder bereits bekommen, genau wie alle anderen, die sonst ihr Geld hauptsächlich mit Touristen verdienen wie die Ladenbesitzer, Taxifahrer oder Bootsverleiher. Niemand beißt gerne die Hand, aus der er Geld entgegen nehmen will – und alle vom Tourismus Abhängigen haben vor allem ein Interesse, dass möglichst bald wieder möglichst viele Urlauber kommen. Deshalb liegt ihnen eher daran, die Katastrophe eher klein zu reden, als sie aufzubauschen.

Ein Beispiel dafür ist der beliebte Badeort Pensacola in Florida, dessen Strände regelmäßig zu den schönsten der USA gekürt wurden. Am Unabhängigkeitstag tummeln sich jedes Jahr viele tausend Reiche und Schöne im feinen weißen Sand. Dieses Jahr nicht, draußen auf dem Meer schwimmt ein Ölteppich, die Wellen tragen Teerbatzen und Ölklumpen an den Strand und nur vereinzelte Touristen lassen sich blicken.

Da kann eine extra eingerichtete Website mit ständig aktualisierten Fotos – auf denen garantiert kein bisschen Öl zu sehen ist – noch so sehr zu beruhigen versuchen, längst haben die Touristen in Massen ihre Buchungen storniert. Und private Websites veröffentlichen ganz andere, erschreckende Bilder.

Da mag sich ein Augenzeuge aufregen, wenn BP einfach Sand über die Ölklumpen an einem Strand schütten lässt – die Tourismus-Branche vor Ort wünscht sich vor allem ölfreie Fotos ihrer Küsten-Abschnitte.

Arbeitsplätze und Republikaner

Die Ölindustrie mit ihren Plattformen auf dem Meer ist ein wichtiger Arbeitgeber in den Küstenregionen – wo es wenig andere Jobs gibt. Und an jedem Ölarbeiter hängen fünf weitere Jobs an Land, sagen Experten. Kein Wunder, dass Obamas Moratorium für einen Bohrstopp hier auf breite Ablehnung stößt.

Die Republikaner haben zudem jahrelang Propaganda für die Erschließung eigener US-Ölquellen – auch vor den Küsten – gemacht, um sich aus der Abhängigkeit von der arabischen Staaten zumindest ein wenig zu befreien. Nach dem 11. September eine in den USA durchaus populäre Idee.

Traditionell gibt es eine enge Beziehung zwischen Big Oil und der Politik, sie gehören zu den großen Geldgebern bei Wahlkämpfen und pflegten einen sehr freundschaftlichen Umgang mit den Behörden, die sie eigentlich kontrollieren sollten.

Und nicht zuletzt positioniert sich gerade der Gouverneur von Mississippi, Haley Barbour nachdrücklich in der Öffentlichkeit, ein gestandener Republikaner, den manche bereits kommenden Präsidentschaftskandidaten handeln. Er bestreitet schlicht, dass es seine Ölkatastrophe gibt. Er behauptet, die Medien würden aus ein bisschen Öl eben eine Ölpest basteln, weil Bad News für die Presse eben Good News seien – und diese Berichterstattung verursache den eigentlichen Schaden, weil die Touristen weg blieben. Selbstverständlich ist er strikt gegen einen Bohrstopp und er stellt Obama als Zauderer und Schwarzmaler hin – während er sich selbst als den Macher präsentiert, der zusammen mit der Nationalgarde das Problem fest im Griff hat (Video: Gov. Haley Barbour).

Die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin macht sogar die Umweltschützer für das Desaster verantwortlich – weil sie Bohrungen an Land, z.B. im Naturschutzgebiet Alaskas, verhinderten und so die Ölindustrie zu Bohrungen in der Tiefsee zwinge.

Was nun, was tun?

Wie groß die Umweltschäden bereits sind, darüber wird gestritten (vgl. Geheimnisumwitterte Ölpest). Gerade meldet die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA ) die ersten am texanischen Küstenabschnitt gefundenen Teerklumpen. Diese US-Bundesbehörde dokumentiert die Ausbreitung der dunkelbraunen Pest, definiert die Fischerei-Verbotszone, und zählt die dem Öl zum Opfer gefallenen Tiere (auf Deutsch beim WWF: Ölpest aktuell).

Es sind die Umweltschützer, die tatsächlich offizielle, schreckliche Bilder liefern, allen voran die Vogelschützer wie das International Bird Rescue Research Center (IBRRC), die wohl den ölverschmierten Pelikan zum Sinnbild des „Oil Spill“ im Golf von Mexiko machten. Die Tier-Lobbyisten haben kein Interesse, die Ölkatastrophe zu beschönigen.

NASA-Satellitenaufnahme von der Ölverschmutzung im Mississippi-Delta. Das Öl schimmert silbern, die Vegetation ist rot eingefärbt. Bild: NASA

BP arbeitet derzeit mit Hochdruck an Entlastungsbohrungen und Verbesserungen der Ölauffangsysteme. Fast 900 Kilometer Ölsperren sind vor der Küste ausgelegt und ein Riesenschiff ist angekommen, das so schnell wie möglich auf hoher See Öl und Wasser voneinander trennen soll. Wegen des schlechten Wetters konnte „The Whale“, wie der umgebaute Supertanker heißt, noch nicht eingesetzt werden. Der Eisen-Wal ist so hoch wie zehn Stockwerke und dazu drei Fußballfelder lang, er soll täglich nahe am Bohrloch 80 Millionen Liter Wasser-Öl-Brühe einsaugen, um dann das Öl zu fressen und das Wasser ins Meer auszuscheiden).

Klar ist, dass die Wirbelsturm-Saison begonnen hat, und dass der Ölgeysir in der Tiefsee weiter spuckt. Nach Angaben von BP-Chef Tony Hayward sollen sich sieben Milliarden Liter Rohöl unter dem Bohrloch befinden. Mindestens 400 Kilometer Küste sind bereits ölverdreckt, Experten von Greenpeace sprechen von mehr als 2.000 Kilometern.

Das in die Umwelt freigesetzte Rohöl macht längst auch die Menschen krank – und es kann noch viele Wochen dauern, bis die Quelle versiegelt ist. Das bis dahin freigesetzte Öl wird mit Sicherheit noch Jahre lang ein großes Problem bleiben.

Die Medien berichten, sie berichten ständig und ausführlich. Ausgewogen und möglichst objektiv – es fehlen nur die eindrücklichen Bilder, die sie bisher nur sehr schwer bekamen. Selbst die New York Times zeigt Fotos, die von Lesern eingeschickt werden. In der Informationsflut der traditionellen Medien verschwindet die Öllache auf seltsame Weise zwischen den Schlagzeilen über fallende BP-Aktienkurse und die ständig neuen Versuchen, das Loch im Meeresboden zu stopfen.

Die Gegenöffentlichkeit artikuliert sich vehement im Netz. Als wichtigstes alternatives Medium ist die Huffington Post zu nennen, die mit einer eigenen Oil Spill Big News Page die Katastrophe in Artikeln, Fotos und Videos abbildet. Bei youtube finden sich hunderte Videos, auf Flickr verfügt über eine Extra-Gruppe mit dem Namen Gulf of Mexico Oil Spill 2010, auf Facebook organisieren sich unter anderen die oben bereits genannten Boykott-Unterstützer.

Es bleibt zu wünschen, dass die aktuelle Ölpest im Golf von Mexiko eine breite gesellschaftliche Diskussion über Tiefseebohrungen, die Energiegewinnung durch fossile Rohstoffe, und letztlich eine Energiewende verursacht.