Das Pentagon erhält noch mehr Geld – den Preis werden die US-Amerikaner zahlen
Demokraten und Republikaner sind sich nur in einem einig: höhere Militärausgaben. Für die USA ist das verheerend. Und es wird im Ringen mit China und Russland nicht helfen.
Überparteilichkeit ist ein seltenes und gefährdetes Phänomen im heutigen, erbittert gespaltenen Washington. Außer, wenn es um eine Sache geht: den Haushalt des Pentagons.
Von der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und ihren demokratischen Parlamentskollegen bis hin zum Minderheitenführer Mitch McConnell und seinen republikanischen Mitstreitern im Senat sind sich alle einig, dass das Verteidigungsministerium – dessen Budget bereits größer ist als während des Kalten Krieges und größer als die Militärbudgets der neun Länder mit den höchsten Ausgaben zusammen – noch mehr Geld erhalten soll. Der einzige Streitpunkt ist, wie hoch die "Obergrenze" sein soll.
Ironischerweise ist dieser einzige parteiübergreifende Konsens kein Beleg für die Weisheit der politischen Mitte, sondern ihrer Torheit. Denn auch wenn der Militärhaushalt immer weiter ansteigt, leben die US-Amerikaner immer unsicherer.
Die Pandemie hat mehr als einer Million US-Amerikaner das Leben gekostet. Da es in weiten Teilen der Welt immer noch keine Impfstoffe und keine funktionierenden öffentlichen Gesundheitssysteme gibt, steigt die Zahl der Opfer auf globaler Ebene weiter an. Und weder die Vereinigten Staaten noch der Rest der Welt sind auch nur annähernd auf die nächste Pandemie vorbereitet, die angesichts unserer globalen Wirtschaft mit Sicherheit kommen wird.
Allein in den Vereinigten Staaten gab es im vergangenen Jahr 20 Klimakatastrophen, die Schäden in Höhe von über einer Billion US-Dollar verursacht haben. Dürre bedroht jetzt große Teile des Westens. Überschwemmungen bedrohen das Landesinnere. Es wird vorhergesagt, dass die Hurrikane immer heftiger werden.
Der Yellowstone-Nationalpark mit seiner jüngsten drastischen Schneeschmelze und den anschließenden verheerenden Überschwemmungen sind nur das jüngste Opfer der zerstörerischen Auswirkungen der Klimaerwärmung. Und dennoch wird das Pentagon mehr Geld erhalten, während die Bemühungen, Investitionen zur Bekämpfung des katastrophalen Klimawandels anzustoßen, von der republikanischen Opposition im Senat blockiert werden.
Wofür sind all diese neuen Verteidigungsausgaben gedacht? Ein Teil wird in den Aufbau von Stützpunkten und Waffen in Asien fließen, um China zu bekämpfen. Aber die Chinesen fechten den Konkurrenzkampf am effektivsten, nicht mit militärischen Kräften, aus, sondern mit erfolgreichen wirtschaftlichen Maßnahmen.
Rüstungsausgaben ersetzen Versäumnisse im zivilen Bereich nicht
Sie konzentrieren sich darauf, Märkte zu erobern, sich den Zugang zu Ressourcen zu sichern und zu investieren, um die aufkommenden Industrien und Technologien der Zukunft zu beherrschen.
Die neuen Waffen und Stützpunkte des Pentagons sind also kein Ersatz für unser Versäumnis, in Spitzenforschung und -entwicklung, in eine moderne und effiziente Infrastruktur und in eine Handelspolitik zu investieren, die den US-Amerikanern und nicht den multinationalen Konzernen dient.
Das andere Ziel ist Russland. Einige der populärsten Argumente für höhere Militärausgaben haben sich als schwach erwiesen, während der Krieg in der Ukraine die Grenzen des russischen Militärs aufzeigt und Deutschland wie andere Nato-Verbündete versprechen, ihre Militärausgaben drastisch zu erhöhen.
Und doch bleibt die russische Bedrohung, wie sie sich in der Invasion in der Ukraine manifestiert hat, als Ausrede für mehr Pentagon-Ausgaben bestehen, anstatt dass sie vermindert werden.
Der Kern des Arguments ist zugleich logisch wie auch absurd. Die Vereinigten Staaten unterhalten mehr als 700 Stützpunkte in rund 80 Ländern der Welt. Das Pentagon hat in mindestens 85 Ländern – das heißt in fast der Hälfte aller Staaten weltweit – Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen durchgeführt.
Washington rüstet nun auf, um es sowohl mit Russland als auch mit China aufnehmen zu können. Wenn die Vereinigten Staaten aber die Rolle der Weltpolizei einnehmen, wird der Militärhaushalt per definitionem immer unzureichend sein.
Das Ansinnen mutet schon jetzt absurd an - und ruinös, wenn wir eine gesunde und florierende Demokratie im eigenen Land wiederaufbauen und sichern wollen.
Der überparteiliche Konsens über die Militärausgaben ist weder durch Logik noch Sicherheitsstreben erklärbar. Die Ausgaben des Pentagons werden von dem militärisch-industriellen Komplex eingefordert, vor dem uns Präsident Dwight D. Eisenhower vor mehr als 60 Jahren gewarnt hat.
Eisenhower war vorausschauend, aber zu optimistisch. Jetzt haben wir, wie der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Ray McGovern es nennt, "MICIMATT" – einen militärisch-industriellen-kongressionalen-intelligenten-medialen-akademischen-Think-Tank-Komplex. Er bildet die mächtigste Lobby von allen.
Hunderte Lobbyisten in Washington
OpenSecrets, die wichtigste überparteiliche Quelle für Wahlkampffinanzierung und Lobbyismus, weist nach, dass die Waffenindustrie während des Budgetzuwachses des Pentagons nach 9/11 etwa 300 Millionen US-Dollar für Wahlkampfspenden und 2,5 Milliarden Dollar für Lobbyarbeit aufgewendet hat.
Jährlich beschäftigt diese Industrie durchschnittlich 700 Lobbyisten, mehr als einen für jedes Mitglied des Kongresses. Das Pentagon hat die Drehtürpolitik praktisch erfunden: In einem kürzlich erschienenen Bericht des Government Accountability Office wurden 1.700 Generäle, Admiräle und Beschaffungsbeamte des Pentagons identifiziert, die nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung für die 14 größten Rüstungsunternehmen arbeiteten.
Einem Bericht aus dem Jahr 2020 zufolge haben die Auftragnehmer und das Pentagon von 2014 bis 2019 mehr als eine Milliarde US-Dollar an die 50 größten Denkfabriken des Landes gespendet, eine weitere Quelle für Pfründe für ehemalige Militärbeamte.
Keine Lobby ist so mächtig wie jene, die Verträge und Produktion der Rüstungsindustrie koordiniert, die also systematisch Arbeitsplätze in wichtigen Wahlbezirken im ganzen Land schafft.
William Hartung, Senior Research Fellow am Quincy Institute for Responsible Statecraft, berichtete unlängst, dass sich auf der Website von Lockheed Martin, einem führenden Rüstungsunternehmen, eine Karte findet, die die Verteilung von 250.000 Arbeitsplätze, die von der Produktion des problembehafteten F-35-Kampfjet abhängen, auf die einzelnen Bundesstaaten zeigt. Das Unternehmen gibt an, Unterauftragnehmer in 45 Staaten und Puerto Rico zu haben.
Während der Kongress sich derzeit der Verabschiedung des Verteidigungshaushalts widmet, wird die parteiübergreifende Allianz die Obergrenze wahrscheinlich sogar noch höher ansetzen, als das Pentagon oder der Präsident gefordert haben.
Doch je mehr das Militär wächst, desto unsicherer leben die US-Amerikaner. Sie sind von realen Bedrohungen betroffen, die sich mit noch mehr Waffen nicht bekämpfen lassen.