Das Schattenreich der Seilschaften in Wirtschaft, Verbänden und Politik

Seite 4: Einflüsse auf Gesetze bleiben im Verborgenen wie in einer Bananenrepublik

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Tatsächlich wirken externe Berater und Anwaltskanzleien zunehmend an Gesetzen mit. Das zeigte zuletzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion zum Thema Mitarbeit von Privaten an Gesetzentwürfen von Oktober 2009.4

Demnach arbeiteten allein 2009 externe Mitarbeiter an 16 Gesetzen mit. Von 1990 bis 1999 war es gerade mal ein Gesetz. Nach einem an den Haushaltsausschuss gerichteten Bericht des Bundesrechnungshofs vom Frühjahr 2011 wurden von 2005 bis 2009 bei 33 von 537 Normgebungsverfahren Aufträge an Externe vergeben.

Die Praxis des "Outsourcing von Gesetzen" begann unter Rot-Grün und wurde von der großen Koalition von 2005 bis 2009 fortgesetzt und ausgebaut. Vorher gab es nur 1991 einen einzigen Fall. Insgesamt gaben die Ministerien für externe Beratungsleistungen bei der Gesetzgebung in den drei Jahren von 2006 bis 2009 Honorare in Höhe von 4,1 Millionen Euro aus. Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, in welchem Ministerium Externe an wie vielen Gesetze mitwirkten. Besonders oft war dies im Bundesministerium für Umwelt der Fall, gefolgt vom Verkehrsministerium und dem Innenministerium.

Insgesamt bezahlten die Ministerien von 2000 bis 2009 über sechs Millionen Euro für die Mithilfe an Gesetzen an externe Berater. Allerdings sind die Zahlen unvollständig: Nicht öffentlich zugänglich ist, welche Honorare das Bundeswirtschaftsministerium und das Finanzministerium für das Mitwirken an ihren Gesetzen zahlten.

So wirkte beispielsweise die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer am Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Oktober 2008 und dessen Ergänzung im Februar 2009 und Juli 2009 mit. Wie stark das endgültige Gesetz aber letztlich davon beeinflusst wurde, bleibt im Unklaren. Und das ist schlimm genug; denn nun ist nicht einmal mehr der Gesetzgebungsprozess transparent.

Wie in einer Bananenrepublik bleibt im Verborgenen, wer Einfluss auf Gesetze genommen hat und in welchem Umfang er das getan hat.

In der ihm eigenen zurückhaltenden Art schreibt der Bundesrechnungshof in seinem Bericht an den Haushaltsauschuss, es sei "nicht ohne weiteres nachvollziehbar", warum Bundesministerien "Kernaufgaben" auf externe Berater übertragen. Über das Risiko, dass Lobbyisten Einfluss nehmen könnten, dächten die Auftraggeber wohl kaum nach. Es habe kaum Überlegungen zu möglichen Interessenkonflikten oder der Gefahr der Beeinflussung gegeben.

Die Begründung vieler Ministerien, der Beratungsbedarf bei der Arbeit an Gesetzesentwürfen sei dringend und es gebe zu wenig Sachverstand im eigenen Haus, lassen die Rechnungsprüfer nicht gelten

Dass einige Normsetzungsverfahren immer noch nicht abgeschlossen sind, macht deutlich, dass das Argument Dringlichkeit nicht durchweg sachgerecht war.

Man kann das auch ohne die vornehme Zurückhaltung der Diktion des Rechnungshofs sagen: Wenn Ministerien wie beispielsweise das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unter ihren gut 1.500 Mitarbeitern keinen dabei haben, der einen ordentlichen Gesetzentwurf schreiben kann, dann ist das ein jämmerliches Armutszeugnis für die Personalausstattung der Ministerialbürokratie. Dann hängen in dem Ministerium eben vorwiegend nichtsnutzige Penner ‘rum, die ihre Aufgaben nicht erfüllen können. Ja, zu was sind die denn da?

Der gewaltige Staatsapparat ist vorwiegend eine Versorgungseinrichtung für Beamte geworden, auf deren Qualifikation es nicht mehr wirklich ankommt. Reguläre Qualifikation muss gesondert bezahlt werden. Es ist offenbar geradezu naiv anzunehmen, es sei Aufgabe der Politik, ihre Ministerien auch ordentlich auszustatten…

Ohnehin trifft die Bundesregierung in Geheimsitzungen mit Wirtschaftsvertretern immer öfter Entscheidungen in Hinterzimmern und meidet offene Diskussionen im Parlament, wenn immer das geht. So kam 2010 beispielsweise auch der berüchtigte Atomdeal zu Stande, der die Grundlage für die von der CDU-FDP-Regierung einst geplante (wegen Fukushima 2011 wieder aufgegebene) Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bildete.

Damals setzten sich die Chefs der Energieriesen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall mit der Kanzlerin und ohne Teilnahme des zuständigen Bundesumweltministers hinter verschlossenen Türen zusammen und handelten einen Geheimvertrag aus, der es gestattete, die Atomkraftwerke durchschnittlich zwölf Jahre länger am Netz zu lassen, als im Gesetz vorgesehen.

Durch den Vertrag schlossen sich die vier Atomkonzerne und die Bundesregierung zum Schaden der Bevölkerung zusammen. Offensichtlich waren der Regierung die wirtschaftlichen Interessen der Energiekonzerne wichtiger als das Gemeinwohl. Und dies zeigt exemplarisch einmal mehr, dass im fortgeschrittenen Verfallsstadium demokratischer Systeme in wachsendem Maße partikulare wirtschaftliche Interessen größere Bedeutung und höhere Wichtigkeit haben als das Gemeinwohl.

Es hat eine radikale Umkehr stattgefunden: Die Politik dient nicht länger dem Wohl der Allgemeinheit, sie hat sich zum gefälligen Diener wirtschaftlicher Partikularinteressen degradiert. Das wiederum ist aber nicht einfach nur ein erbärmliches Anzeichen einer Bananisierung der politischen Landschaft.

Es geht an die Substanz demokratischer Politik. Wenn die Politik nur noch Vollstrecker wirtschaftlicher Sonderinteressen ist, dient sie nicht mehr der Mehrheit der Bevölkerung. Die Politik hat sich ins demokratische Aus manövriert. Und dieses Land hat nicht länger ein politisches System, das den Namen Demokratie verdient.

Wenn - wie in diesem Fall - ein bestehendes Gesetz den Oligarchen in Regierung und Wirtschaft nicht passt, dann wird es durch einen Geheimvertrag ausgehebelt. Dass dies gesetz- und verfassungswidrig und darüber hinaus zutiefst undemokratisch ist, interessiert dort keinen. Und dass die Hinterstuben der Politik für die Entscheider längst wichtigere Institutionen als die Parlamente geworden sind, zeigt nur wie heruntergekommen der demokratische Willensbildungsprozess längst geworden ist.