Das Stromverteilnetz muss flexibler werden

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Bislang war der gleichzeitige Stromverbrauch von Haushalten kein Problem. Mit Wärmepumpen und E-Mobilen ändert sich das. Was getan werden muss.

In der Vergangenheit stellte die Gleichzeitigkeit von Stromverbrauchern in privaten Haushalten kein Problem dar. Bei den dort installierten Großverbrauchern handelte es sich zumeist um Elektroherde und Durchlauferhitzer, die jeweils nur für einen kurzen Zeitraum im Tagesgang genutzt wurden.

Mit der politisch gewünschten Elektrifizierung durch den Einbau von Elektrowärmepumpen in Wohngebäude und den Ausbau der Elektromobilität ergeben sich neue Herausforderungen für das Verteilnetz. Erweitert werden diese noch durch die zunehmende Einspeisung durch PV-Anlagen in das Niederspannungsverteilnetz.

Die Verteilnetze waren darauf ausgerichtet, wie der Name auch nahelegt, Strom, der von den zentralen Großkraftwerken erzeugt und in einem kaskadierten System über die Übertragungsnetzbetreiber geliefert wurde, in der Fläche zu verteilen.

Dieses vermaschte System war als Einwegsystem von groß zu klein ausgelegt. Die steigende Einspeisung aus PV-Anlagen fordert nun einen Umbau des Verteilnetzes. Die extreme Regulierung des Netzbetriebs als Konsequenz aus der Liberalisierung vor über zwanzig Jahren hat vorausschauenden Investitionen der Netzbetreiber deutliche Grenzen gesetzt.

Um die Netzkosten nicht steigen zu lassen, war die Bundesnetzagentur politisch angehalten, Investitionen nur sehr zurückhaltend freizugeben. Diese Zurückhaltung fällt uns heute auf die Füße.

Netzdienliches Verhalten soll sich lohnen

Der Ausbau der Verteilnetze kann derzeit nicht so schnell erfolgen, dass er dem geänderten Bedarf unmittelbar folgen kann. Dies hat inzwischen vornehmlich Kapazitätsgründe. Die Erhöhung der Verzinsung von neuen Investitionen in die Verteilnetze kann sich für den Netzausbau erst dann auswirken, wenn dieser Ausbau im Detail auch genehmigt wird.

Mit der inzwischen beschleunigten Einführung von Smartmetern, die auch Steuerungsaufgaben an den jeweiligen Hausanschlüssen übernehmen können und der Digitalisierung der Netze bietet sich schon in naher Zukunft die Möglichkeit, den Verbrauch von jetzt hinzukommenden Wärmepumpen und Wallboxen zum Laden von E-Mobilen so zu organisieren, dass deren Verbräuche als Flexibilität im Verteilnetz aktiv eingesetzt werden können.

In der Praxis sollen Geräte aus diesen beiden Gruppen künftig gedimmt werden können, was als sogenanntes netzdienliches Verhalten eingesetzt werden kann. Damit dies auch praktisch realisiert werden kann, muss dies vertraglich mit den Kunden fixiert werden, die dafür mit niedrigeren Tarifen für die Netzkosten entschädigt werden können.

Die Rahmenbedingungen hierfür werden von der Bundesnetzagentur festgelegt, welche im Vorfeld über Konsultationsverfahren das weitere Vorgehen mit den Marktbeteiligten abstimmt.

Die Bundesnetzagentur hat inzwischen die Regulierung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen in der Folge der Konsultation deutlich überarbeitet. Neue Wärmepumpen- und Wallboxbetreiber sollen künftig mehr garantierte Leistung erhalten.

Zudem sollen zeitabhängige Netztarife eingeführt werden. Damit scheinen sowohl die Netzbetreiber als auch die Automobilwirtschaft, die in den steuerbaren Wallboxen eine Hemmschwelle für ihren E-Mobilabsatz wahrgenommen hatte, gut leben zu können.

Die Fehler der Vergangenheit rächen sich jetzt

Die Elektrifizierung des Wärme- sowie des Verkehrssektors zählen zu den wesentlichen Pfeilern der beabsichtigten Energiewende.

Der als Folge daraus entstehende Hochlauf insbesondere von Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen und ihren Ladenpunkten stellt die existierenden Verteilnetze für die nächste Zeit jedoch vor große Herausforderungen. Denn diese Netze müssen andere Anforderungen erfüllen, als bei Planung und Bau dieser Netze üblich war.

Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und zukünftig auch Batteriespeicher bedingen in Teilen deutlich höhere Bezugsleistungen in der Niederspannungsebene, welche die Verteilnetzstruktur umfasst.

Bei den neu hinzukommenden Verbrauchergruppen muss mit einer deutlich höheren Gleichzeitigkeit als bei den bisher üblichen Verbrauchseinrichtungen gerechnet werden.

Wenn Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen oder Batteriespeicher jedoch ansteuerbar sind, ohne einen nennenswerten Komfortverlust für die zweckgemäße Verwendung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erleiden, besteht die Möglichkeit, ihnen für ein vertraglich festgelegtes netzdienliches Verhalten auch entsprechende Vorteile zu gewähren.

Um eine zeitnahe Ertüchtigung der Verteilernetze ermöglichen zu können, soll daher eine schnelle Integration der steuerbaren Verbraucher in Netz und Markt erfolgen. Damit will man Stromausfällen wegen Überlastungen örtlicher Leitungen zuvorkommen.

Damit es beim Anschluss der Wärmepumpen und Ladeeinrichtungen nicht zu Verzögerungen kommt, die die Energiewende bremsen könnten, will man das Instrument der Steuerung durch den Verteilernetzbetreiber einsetzen, dessen Regularien von der Bundesnetzagentur festgelegt werden.

Im ersten Schritt sollen mit den betroffenen Kunden Zeitfenster für die Nutzung der neu hinzukommenden Verbraucher festgelegt werden, die sich an den Erfahrungen mit der Netzbelastung orientieren und den Verbraucher wirtschaftliche Vorteile gewähren.

Die Steuerung dieser Verbraucher durch den Netzbetreiber soll nur dann erfolgen, wenn zusätzlicher Bedarf dazu besteht.

Die technischen Herausforderungen bei der Umgestaltung der Verteilnetze scheinen gelöst zu sein. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing sieht derzeit bei den Plänen der Bundesnetzagentur zur Steuerbarkeit des Stromnetzes im Bedarfsfall noch einen wunden Punkt:

Das Sammelsurium bei reduzierten Netzentgelten schießt auf den ersten Blick über das Ziel hinaus.

Bei allem Verständnis für möglichst flexible und motivierende Angebote für die Verbraucher müsse das Modell auch durch Netzbetreiber und Lieferanten administrierbar bleiben.