Das Terrorspiel der Clowns
Seite 2: Avantgarde der kommenden Barbarei
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- Avantgarde der kommenden Barbarei
- Das irre Ich und die Anderen als potenzielle Opfermasse
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Dieser nackte Wahnsinn, die motivlose Leere der Vernichtung, ist es gerade, die das Publikum am Joker so faszinierte und ihn zu einer der populärsten Figuren der späten Kulturindustrie machten, deren Attraktion sich selbst deutsche Politprominenz nicht entziehen kann. Und es ist gerade die Vorwegnahme des sehr reellen globalen Wahnsinns - vom Islamischen Staat bis zum Europäischen Naziwahn - im Zug des akuten Krisendurchbruchs 2008, die in der Figur des Terrorclowns von Gotham City gelungen ist. Der Joker kündigt auf der Leinwand die kommende Krisenära entgrenzter Gewalt an.
In der Schlüsselszene des Films, in der Batman den Joker einem an Folter grenzenden Verhör unterzieht, wagt der Film eine kalkulierte Übertretung der Konventionen des Superheldengenres. Die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen der - vom Superhelden beschützten - Gesellschaft und den gewöhnlich als Außenseiter agierenden Bösewichten werden eingerissen. Batman und Joker fallen in eins. Er sei die Avantgarde der kommenden Barbarei, die gerade aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft entspringen werde, erklärte der fiktive Horrorclown in dem Verhör:
See, their morals, their code... it's a bad joke. Dropped at the first sign of trouble. They're only as good as the world allows them to be. I'll show you, when the chips are down, these... these civilized people? They'll eat each other. See, I'm not a monster, I'm just ahead of the curve.
The Joker
Die Gewalt kommt nicht von "außen", sie ist kein Fremdkörper. Sie wird in der Mitte der Gesellschaft ausgebrütet. Alle werden zum Joker, sobald der Wind sich dreht und die "Welt" es den Menschen nicht mehr erlaubt, "gut zu sein". Er sei nur "ahead of the curve", er geht nur der großen kommenden Welle voran, so der freimütige Horrorclown.
Was für eine Prophezeiung, bei der das Publikum in die Fratze der Irrationalität der eigenen Gesellschaft blickt, ohne es begreifen zu können. Das ungeheure Anschwellen von irren Krisenideologien in der vergangenen Dekade - vom arabischen Islamismus bis zum europäischen Rechtsextremismus - wird in dieser Aussage genauso antizipiert wie die regelrechte Epidemie vom Amokläufen der letzten Jahre (Fluchtpunkt Amok).
Ein Spitzenprodukt der Kulturindustrie antizipiert somit gesellschaftliche Entwicklungen, ohne auch nur annähernd über deren Ursachen aufzuklären. Alles bleibt im Unbewusst-Symbolischen verfangen, mit der Tendenz zum bloßen Kulturpessimismus. Die Faszination, die von der Figur des Joker ausgeht, schlägt letztendlich massenhaft in Identifikation um. Der Terrorclown ist "geil". Der Joker ist die Avantgarde der Barbarei, der nun alle folgen. Das ist es, was die Faszination des Films ausmacht. Die Zuschauer fühlen den Joker in sich selber aufsteigen, sie identifizieren sich mit ihm, mit dem bloßen, reinen Vernichtungstrieb - zuerst unbewusst.
Nun erwacht diese Kunstfigur der Kulturindustrie tausendfach zum Leben, im Gefolge einer Internetwelle, die die reelle krisengeschüttelte Welt mit Horrorclowns überschwemmt. Jeder möchte ein bissen Joker sein. Die Faszination und Identifikation mit dem nackten, durch keine Ideologie oder Pseudoreligion getrübten Terrorwahnsinn, die zuerst unbewusst bliebt, wird nun bewusst ausgelebt.
Das Internet mitsamt seinen asozialen Netzwerken fungiert hier als regelrechte Wahn-Maschine, die der Masse der vereinzelten Einzelnen vor den Bildschirmen, die der Neoliberalismus produzierte, eine Möglichkeit verschafft, dennoch unter einem gemeinsamen Wahnsinnsbanner sich isoliert in Bewegung zu setzen.
Was die reellen Horrorclowns treiben, ist letztendlich ein Spiel mit dem Amoklauf. Es ist eine Annäherung an den Terror- und Horrortrip, den der Amokläufer durchlebt, ohne die zumeist tödlichen Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. Man inszeniert hier einen Psychopathenfilm, wie Freitag, der 13., oder Halloween. Die Angst, die von den Nachwuchspsychopaten im Clownskostüm verbreitet wird, ist eine Einstiegsdroge, die oft zu weiteren Schritten reizen wird. Dieser Internetwelle wird nur kurzfristig bestand haben, um von neuen, krasseren Formen des Terrorspiels abgelöst zu werden.
Hierbei findet letztendlich eine spielerische Popularisierung des Amokwahns statt. Es ist ein Horror-Spiel, das aber jederzeit in blutigen Ernst umschlagen.
Der Horror-Clown bewegt sich in der Grenzregion zwischen spielerischer Annäherung an Terror und Amok - und dessen praktischer Umsetzung in die Praxis eines ziellosen und subjektlosen Vernichtungswahns. Dieser Terrortrieb, der auch die Selbstvernichtung einschließt, ist hier jeglicher religiösen oder ideologischen Legitimierung (wie noch bei Nazis oder Islamisten) entkleidet. Er tritt offen, nackt in Erscheinung - und kommt somit zu sich selbst.
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