Das Verborgene zeigen

Die Ausstellung "Streng geheim" im Nürnberger "Museum für Kommunikation"

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Es ist die deutsche Medientheorie, die versucht, die Geburt der Moderne aus dem Geist des Nachrichtenwesens zu beschreiben, aus der Trinität von Verarbeiten, Speichern und Übertragen von Daten. Die "discourse networks" Friedrich Kittlers künden davon. In Gestus, Inhalt und Stil füllen und befeuern sie mit historischem Material, was Heidegger einst, als Kalter Krieg und Atombombe noch Globus und Menschheit bedrohten, hellsichtig zum "Wesen der Technik" erklärte: das Aufschließen, Umformen und Verteilen "der in der Natur verborgenen Energie".

Doch wo beim Berliner Professor und Hegel-Nachfolger mitunter philosophische Spekulation und der Wunsch, eine Logik der medialen Systeme zu kreieren, über Archäologie und akkurate Geschichtsforschung obsiegen, führt sein Meisterschüler Bernhard Siegert in "Relais" (1993) auf geniale Weise die Medienwissenschaft auf ihre geschichtlichen Daten- und Faktenlage zurück. Nach Siegert gibt allein der Rückgang in die Geschichte, mithin exaktes und sauberes Quellenstudium, Aufschluss über die Herkunft, Abfolge und Entwicklung des modernen Mediensystems.

Für Marcel Proust sind die Fräuleins vom Amt die "Dienerinnen des Mysteriums"

Der Schlüsselbegriff dafür ist die Post. Sie portioniert und verdichtet den Raum, sie eröffnet mentale Horizonte und stellt zugleich jene globalen Verbindungen zwischen Menschen, Staaten und Kulturen her, die das Schicken von Nachrichten und damit die Geschicke der derart Vernetzten seitdem auf unmerklichen Wegen führt und leitet. Nur was postierbar ist, was die Post zustellt oder von ihr zugestellt werden kann, ist überhaupt, so der Kernsatz in "Relais". Weswegen jede Theorie der Moderne, der Gesellschaft oder des Geistes sich mit den Transportwegen, Kanälen und Datennetzen einerseits bzw. mit den technischen Möglichkeiten der Zustellung von Nachrichten andererseits beschäftigen und von da aus ihren Anfang nehmen muss.

La politique, telle qu'elle est aujourd'hui,
vient de l'invention de la poste.

Montesquieu

Das Drama menschlicher, sozialer und kultureller Verwicklungen, Kooperationen und Vergemeinschaftung beginnt folglich dort, wo Sender dem Mythos aufsitzen, eine Botschaft könnte einem Empfänger direkt und ohne jeden Zusatz, also rein, unverstellt und eindeutig zugestellt werden. Zumindest mit diesem Trugschluss hat die deutsche Medientheorie mithilfe poststrukturaler Zeichenlehren aufgeräumt. Jede Nachricht, die zwischen Sendern und Empfängern zirkuliert, ist mit und von Rauschen befallen. Weder hochsensible Rauschfilter noch raffinierteste Komprimierungstechnik können daran etwas ändern. Und zwar schon deswegen nicht, weil die Nachricht mit einem Datenkörper verkoppelt und durch ihn überbracht werden muss.

Daran ändert sich auch nichts, wenn die Daten nicht mehr auf Häuten, Wachstafeln, Holz oder Hirnrinde zwischengespeichert werden müssen und punktgenau übermittelt werden. Auch in lichtschnellen Datennetzen müssen die Daten mehrere Router durchlaufen, die die Datensätze auswerten und weiterleiten, ehe sie der Empfänger öffnen und lesen kann. Prinzipiell ist es möglich, die durchlaufenden Daten dabei einzusehen, sie beispielsweise auf Passwörter und Kreditkartennummern zu prüfen oder sie mithilfe diverser Schlüsselwörter auf relevante Daten zu durchstöbern. Nur Paranoiker wie Jacques Lacan oder Romantiker vom Schlage eines Jürgen Habermas können deshalb glauben oder wenigstens die Hoffnung hegen, dass eine Nachricht, gleich welchen Weg sie nimmt, immer ihren Bestimmungsort erreicht.

Hörmuscheln von Graham Bell

Spione, Agenten, Verfolgungsbehörden oder sonstige professionelle und passionierte Lauscher und Abfangjäger wissen es längst besser. Sie haben nicht bloß gelernt, dass in einer Nachricht stets noch eine Nachricht enthalten sein kann, die eine weitere Nachricht enthält..., die es mit aufwändigen technischen und mathematischen Methoden und Verfahren zu enträtseln gilt; sie haben auch gelernt, dass es grob fahrlässig wäre, den Klartext einer Nachricht unverschlüsselt und offen durch die Pipelines der Datennetze zu schießen. Neben braven und treuen Vermittlern und Beamten: Briefträgern, Sekretären oder netten Fräuleins vom Amt, die Hier und Da verkoppeln, Daten aufschreiben, registrieren und adressieren und Kontakte zwischen Geliebtem und Geliebter, Autoren und Leser herstellen, gibt es eben auch den Host oder Feind, der unbemerkt in Daten- und Verkehrswege eingreift, Nachricht abfängt, liest und mithört oder ihr andere Daten hinzufügt, sie also fälscht, manipuliert oder vertuscht. Weil dies so ist, hat daraus kürzlich ein bekannter Kunstkritiker und selbsternannter Medientheoretiker seine Konsequenzen gezogen und die Operationsweise der Medien unter einen generellen Verdacht gestellt. So richtig die Fragestellung auch ist, mit dem Totalverdacht, den er gegenüber den Medien ausspricht, hat er Verschwörungstheorien Tür und Tor geöffnet.

Da trifft es sich gut, dass erst einen langen Weg durch die Geschichte des Nachrichten- und Postwesens auf sich nehmen muss, wer zur "Top Secret"-Ausstellung gelangen will. Eine Dauerausstellung, die der "Kommunikation" gewidmet ist, und sowohl die Kommunikations- und Medienlandschaft von den Höhlenzeichnungen über den Wettbewerb zwischen freien Unternehmern und staatlichen Behörden bis hin zu den Hightech-Medien der Gegenwart, als auch den bisweilen umwegigen und umständlichen Weg der Beschleunigung, der Unsichtbarmachung und der Vernetzung des Datenflusses nachzeichnet. Sie verstellt dem Besucher den direkten Ein-, Auf- und Durchstieg zur "Geheimausstellung".

Ausgehend von ägyptischen Hieroglyphen und sumerischen Schriftrollen über Briefe, die J. W. von Goethe noch für die "wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann" hielt, bis hin zu trashigen Emails und anderem Infomüll wird die "Correspondenz", die technische Geräte wie etwa Morseapparate mit einer anfänglichen Telegrafiergeschwindigkeit von 125 Zeichen pro Minute leisteten oder gegenwärtig in Echtzeit über Glasfaserkabel ihren Adressaten erreichen, dem Besucher die Entwicklung des Nachrichtenwesens nahe gebracht. Zeitgenössische Dokumente wie Feldpostbriefe, Schreibgarnituren oder Posthausschilder, originale Telefonhäuschen, Postkutschen und die an abschüssigen Haltestellen erforderlichen und obligatorischen "Einhemmstellen", die ein Bergabrollen der Kutsche samt Inhalt verhindern sollten, sind erste Zeitzeugen einer Welt, die auf ihre scheinbar unaufhaltsame und friktionslose Mediatisierung und Technisierung sozialer Kommunikation zuläuft.

Telegrafenrelais, der erste Drucktelegraph von 1856 oder Graham Bells Telefonapparat beginnen die "revolutionären Errungenschaften" der Elektrik, die gedruckte Welt Gutenbergs zunächst zu unterhöhlen, um sie ein Jahrhundert später in das elektrische und lichtschnelle Kommunikationszeitalter überzuführen.

Was Siegert in seiner geschichtlichen Abhandlung der Postwesens in jahrelanger wie mühevoller Kleinarbeit schließlich zwischen zwei Buchdeckel gepresst hat, um anno 1913 mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs abrupt zu enden, kann der Besucher im Museum im buchstäblichsten Sinn des Wortes mit allen Sinnen erfahren und durchleben. Damit wird wahr, was kürzlich Sepp Gumbrecht mit seinem grandiosem Bericht aus einem Jahr am Rande der Zeit (1926, Suhrkamp 2001) der Historiographie ins Stammbuch zu schreiben versucht hat. Nämlich Geschichte und Vergangenheit nicht bloß als Faktizität, als Kriegsgeschichte oder als pädagogisches Fach miss zu verstehen, sondern sie zu vergegenwärtigen und für die nachfahrenden Generationen unmittelbar erlebbar und präsent zu machen. Und zwar dadurch, dass man sie durch Fotografien, visuelle Dokumente und Simulationen inszeniert, die Distanz zu ihr einebnet und damit "einen Unmittelbarkeitseffekt" beim Adressaten herstellt und erzielt.

Drucktelegraph von David E. Hughes

Geradezu nüchtern gegenüber der posthistorischen Sammlung wirkt dagegen die zeitlich viel unmittelbarer konzipierte Ausstellung "Streng geheim", die sich der Darstellung und Nachzeichnung der Geschichte der Chiffrierung und Dechiffrierung von Nachrichten widmet und sich ganz nebenbei jenen Berufsstand zur Brust nimmt, der sich mit der Beschaffung oder mit dem Vertuschen geheimer Informationen, Nachrichten und Daten befasst und als das "zweitälteste Gewerbe der Welt" gilt. Nachdem er sich durch die meist dunklen Gänge der Briefkästen und Telefonmasten, Postschaltern und automatischen Relaisstationen (Bild 6: automatische Telefonvermittlung) bewegt hat, die Telefonsex und Wetterprognosen ebenso wie Zeitansagen und seelsorgerische Dienste erlauben, steht der Besucher plötzlich, sobald er einen Treppenaufgang genommen hat, in einem hell erleuchteten Gang. Dort, wo der Besucher eher Finsternis, zwielichtige Gesellen und Anonymität erwartet hätte, dominiert das Licht, das Medium der Aufklärung.

Schon deshalb mutet das anfangs auf einer Tafel gegebene Versprechen der Ausstellungsmacher mit einem Male etwas paradox an, der Besucher solle sich stets bewusst sein, dass der Weg von den Bilderschriften über das Alphabet bis hin zu den Algorithmen, Zahlen und Codes der digitalen Netzwerke einer ganz bestimmten Richtung gehorcht, nämlich dem Weg vom Lauten zum Leisen, vom Sichtbarem zum Unsichtbaren, vom Großen zum Kleinen, vom Langsamen zum Schnellen. Aber vielleicht ist das ja auch Absicht und Methode. Immerhin tragen Services den Begriff der "Aufklärung" (Intelligence) immer schon in ihrem Namen; und vielleicht verhält es sich ja genau andersherum als die Ausstellungsmacher vorgeben. Gerade im lichtdurchfluteten und transparenten Raum, da, wo angeblich alles öffentlich ist und nichts den Beobachtern verborgen bleibt, überlebt das Geheimnis, zirkuliert der Klartext, werden Absprachen, Bündnisse und Abkommen getroffen. Enthüllen als Verhüllen, Entbergen als Verbergen, Entschleiern als Verschleiern - nichts anders meint Heidegger, der Philosoph, wenn er "Wahrheit" als Anwesen, Präsenz und Lichtung konzipiert, eine Wahrheit, die sich jedem denkerischen bzw. instrumentellen Zugriff entzieht und verweigert. Nicht im Verborgenen, in der Transparenz lebt das Geheimnis fort.

Kriegerische Auseinandersetzungen, Demütigungen des Gegners oder persönliche Intrigen waren die primären Motive für die Entwicklung der Kryptographie, nicht Entdeckerdrang und Erfindergeist. Und doch scheint die mediale Aufregung um das Knacken von Codes, der Klau von Daten und das Manipulieren von Informationen nach dem Besuch dieser Ausstellung weniger Ausdruck und Kennzeichen des vernetzten Zeitalters zu sein, als vielmehr ein eher rudimentäres Geschehen im immerwährenden Wettrennen und Kampf zwischen Cypherdesignern und Kryptologen um eine sichere Codierung "geheimer Botschaften". Denn auch Zitronensaft, Harnsäure und Formalin, Rezepte für Geheimtinten, Tinkturen und Möglichkeiten, verborgene Schriften und Texte wieder sichtbar zu machen, sind bereits stumme Zeugnisse, Produkte und Anfänge jenes menschlichen Bestrebens, die Mitteilung dem Blick oder Zugriff des untrusted user zu entziehen und/oder Unlesbares wieder lesbar zu machen. Fein säuberlich werden entsprechende Utensilien in einem Glasschrank ausgestellt und sogar dem Besucher zur praktischen Erprobung zur Verfügung gestellt.

Ein anderer Teil der Ausstellung widmet sich den Pionieren der Verschlüsselung, Vigenère, Alberti und anderen mittelalterlichen Heroen auf diesem Gebiet. Bereits der griechische Geschichtsschreiber Polybos entwickelte vor mehr als zweitausend Jahren eine eigene Codiertabelle, die hundert Jahre später Caesar, um mit Cicero ungestört parlieren zu können, zu Verschiebungsscheiben inspirierte, die nicht jeden alles verstehen lassen. Geht es um die Methoden und Verfahren der Ver- und Enträtselung von Daten, so muss streng zwischen Steganographie, bei der es um das Verstecken und Verbergen von Nachrichten geht, (beispielsweise eine Nachricht, die einem kahlgeschorenem Schädel eintätowiert wird, um darauf erneut Haare sprießen zu lassen; ein Mikrofilm, der als Satzzeichen oder i-Punkt in einem Brief versteckt wird; oder ein Pixelpunkt, der in einem Bild verborgen wird) und der Kryptographie, bei der es um die Verschlüsselung von Nachrichten geht, unterschieden werden. War es im Mittelalter noch die sprichwörtliche "Maulschelle", die der Bote als Überbringer einer Geheimnachricht als Klaps auf den Mund mit auf den Weg bekam, als Zeichen der "Garantie" für die Geheimhaltung der Botschaft, so hatten und haben Codierungsmaschinen und Codierungstechniken in Kriegszeiten bedeutsamen und kriegsentscheidenden Anteil an einer sicheren Übertragungstechnik.

Kernstück der Ausstellung ist deshalb die legendäre "Enigma", deren wirtschaftlicher Erfolg für den Konstrukteur der Maschine, Arthur Scherbius, erst mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges begann. Ließ das Basismodell über 17000 Varianten der Verschlüsselung zu, so offerierte die entwickeltere Version ihren Anwendern zu Anfang des Krieges der Deutschen Wehrmacht bereits 150 Billionen Möglichkeiten, Texte und Befehle zu chiffrieren. Erst 1974, also vierunddreißig Jahre nachdem die Alliierten die jeweiligen Tagescodes des deutschen Kriegsgegners aufgedeckt hatten, wurde die Leistung Alan Turings und der zig Tausenden von Mathematikern in Bletchley Park bekannt und öffentlich. Sie hatten bereits 1940 den Code der Enigma geknackt und die Funksprüche der Deutschen Wehrmacht belauscht. Alan Turings Pionierarbeit brachte bekanntlich aber nicht nur Licht in die Finsternis der geheimen Befehle der Deutschen, sie war zugleich auch Wegbereiter für den Bau des Computers, dem ersten und bislang einzigen universellen Medium, das zugleich verarbeiten, speichern und übertragen kann.

Breiter Raum wird Berlin, der Hauptstadt der Spionage während des Kalten Krieges, eingeräumt. Schwerpunktmäßig werden dabei, wie es sich für "Siegermächte" ziemt, die Methoden und Verfahren des ehemaligen Feindes, des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS), offengelegt. Auf die Darstellung der Tätigkeit von Bundesnachrichtendienst (BND), Militärischem Abschirmdienst (MAD) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wird tunlichst verzichtet, um, so die Begründung der Macher, deren "Arbeit" nicht zu "gefährden". Vielleicht gibt es aber auch noch einen anderen Grund, der die Macher davon abhält, auf nachrichtendienstliche Erfolge, aber auch auf Pannen und Pleiten hinzuweisen. Immerhin spielten die drei westdeutschen Dienste in den Zeiten des Kalten Krieges eher eine unrühmliche Rolle. Weder brachten sie in der Hochzeit der Spionage eine "Mata Hari" (Bild 8) oder einen "James Bond" hervor, noch gelangen ihr so spektakuläre Erfolge wie dem MfS oder dem KGB. Filme und Vorträge, die die Ausstellung begleiten, handeln nicht nur von diesen beiden Kultfiguren der Spionage und der fiktiven Agentenwelt, sondern beispielsweise auch von aktuelleren Erscheinungen wie der Wirtschaftsspionage und den Abhörpraktiken der NSA ("Staatsfeind Nr. 1"), dem Enigma-Mythos (U-571) und dem Selbstmord des Hackers Karl Koch ("23").

Exponate aus den Asservatenkammern diverser Geheimdienste zeigen, welche abstrusen Ideen und Verstecke die Agenten und Agentinnen für falsche Pässe oder Minox- und Mikrat-Kameras fanden, um schnell und unbemerkt scharfe Aufnahmen von geheimen Dokumenten zu machen. Plakate, eine kleine Bibliothek mit Büchern zum Thema und ein langes Zitat aus John le Carrés Agententhriller: "Der Spion, der aus der Kälte kam", setzen den Schlussstrich unter eine Ausstellung, die merkwürdigerweise mit den Ereignissen von 1989, dem Fall der Mauer, dem Ende des Kalten Krieges und der globalen Vernetzung abrupt und unvermittelt ausklingt.

Wo Zahlencodes, Passwörter und Brandmeilen regieren, die den Zugang zu Kreditkarten, Handy, Internet und Türen von Büros versperren; und wo Zufallszahlen, Primzahlenmathematik und Bitlängenschlüssel potentiellen Lauschern und Gaffern das Hören und Sehen austreiben wollen und die Sammelwut der Regierungsbehörden grassiert, finden sich sowohl Bilder und Biographien berühmter Ostspione wie Edgar Sorge, Joachim Tiedge und dem Kanzlerspion Günter Guillaume als auch die traurig-tragischen Geschichten jener berühmten Sekretärinnen und Geliebten (einsam, Mauerblümchen ...), die der Topagent Markus Wolf in Bonner Amtsstuben erfolgreich anheuern konnte. Von PGP und Crackern, von Echelon, Carnivore und den Minenhunden der weltgrößten Lauscherbehörde künden dagegen allenfalls Zeitungsartikel an den Wänden. Über das Symbolische der Zahlen, Buchstaben und Codes, mittels deren das Verarbeiten, Speichern und Übertragen von Nachrichten und Informationen heute geschieht, schweigt die Ausstellung sich aus. Wieder hat es den Anschein, als ob dem Imaginären die Aufgabe zukommt, die Welt des Symbolischen zu ersetzen.

Aber vielleicht auch wieder nicht; vielleicht spielen numerische Verfahren (Häufigkeitstabellen, Zufallsreihen, Schlüssellängen) doch keine so überragende Rolle wie immer wieder in der Öffentlichkeit kolportiert wird. Hat nicht vor ein paar Monaten Robert Philip Hanson, zugleich Abwehrchef des FBI und Koordinator des amerikanischen Agentennetzes in Russland während seiner fünfzehnjährigen Agenten- und Spionagetätigkeit für den KGB auch tote Briefkästen, konspirative Treffs, mithin alte Medien benutzt, um der Ausspähung und Überwachung der Kollegen zu entgehen, die sich nur noch auf elektronische Systeme verließen? Wurde er nicht aus einem purem Zufall erwischt, weil er Akten durchsucht, Papierdokumente abgelichtet und dabei einen Fingerabdruck auf einem der Aktendeckel hinterlassen hatte? Gibt es demnach gerade in diesem technisch am weitesten vorangeschrittenen Gewerbe der Welt eine Renaissance vergessener Medien?

Wie auch immer die Überschreibung des Analogen mit dem Digitalen auch ausgehen wird: welche kommunikativen Neuerungen die Entschlüsselung von Zahlencodes und Passwörtern hervorbringen wird, bleibt wohl vorerst noch der Phantasie des Beobachters überlassen.