Das Verschwinden der Insekten von der Oberfläche des Kapitals

Seite 2: "Die Bauern wirtschaften falsch, die Kunden konsumieren falsch!"

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Die Landwirte fühlen sich insofern zu Unrecht an den Pranger gestellt, weil sie ihre landwirtschaftlichen Betriebe nach exakt den von der Politik vorgeschriebenen Methoden betreiben, die von ihnen erwartet werden, nämlich nach industriellen Maßstäben und in Konkurrenz gegeneinander. Das aber sehen sie gar nicht als Problem, das es zu beseitigen gäbe: Sie können und wollen es sich gar nicht anders vorstellen! Sie betätigen sich zwar als Exekutoren des ihnen staatlich aufgeherrschten Konkurrenzzwangs, beklagen darüber hinaus auch fortwährend die Härten, denen sie bei dieser Form des Wirtschaftens ausgesetzt sind, stellen diese aber grundsätzlich überhaupt nicht in Frage.

Auf der anderen, der Konsumentenseite herrscht spiegelbildlich die gleiche Ignoranz gegenüber den ökonomischen Voraussetzungen, denen die Landwirte zu gehorchen haben und wollen. Man deckt sich gegenseitig mit Vorwürfen ein: Die Bauern wirtschafteten falsch, die Kunden konsumierten falsch! Auf diese Art und Weise agieren und argumentieren beide Seiten zielsicher aneinander vorbei und verfehlen dadurch beide die Ursache der Misere, ohne in deren Beurteilung und Lösung auch nur einen Schritt weiter zu kommen. Die sowohl von den Betreibern des Volksbegehrens als auch der Politik ventilierten Lösungsperspektiven klammern das Konkurrenzproblem vollkommen aus und tragen dadurch dazu bei, daß sich sowohl die ökologische Misere der Landschaft als auch die ökonomische der Landwirte trotz aller gegenteiligen Bemühungen immer mehr vergrößert!

Die kapitalistische Geschäftsgrundlage als Ursache notwendig rücksichtslosen Agierens steht nicht zur Disposition

Der bayerische Ministerpräsident Söder will an einem "Runden Tisch", an dem sich sowohl die Vertreter des Volkswillens als auch dessen Gegner zusammensetzen, beraten, wie das Volksbegehren unter Berücksichtigung der sich widersprechenden Interessen praktisch umgesetzt werden kann. Das erste Treffen fand gestern statt. Um das landwirtschaftliche Agieren unter Konkurrenzbedingungen wird es dabei aber garantiert nicht (!) gehen, allenfalls um die Folgekosten desselben und deren wie auch immer geartete Bewältigung!

"Bayerns Ministerpräsident will einen alternativen Gesetzesvorschlag zum Volksbegehren vorlegen", schreibt die SZ. (...) Söders Ziel ist ein Gesetzesvorschlag für den Erhalt der Artenvielfalt, der nicht nur den des Volksbegehrens toppt. Sondern der gleichzeitig die Kritik des Bauernverbands (BBV) und seines Präsidenten Walter Heidl an dem Volksbegehren aufnimmt. So wie es Söder griffig in seinem Motto 'Rettet die Bienen und die Bauern' formuliert."

Interessant an dieser Aussage ist, dass der Ministerpräsident nicht nur die Bienen, sondern anscheinend auch die Bauern als gefährdete Art betrachtet und deshalb Handlungsbedarf sieht. Es ist dies allerdings nicht weniger als das wohl unbeabsichtigte Eingeständnis, daß die von der CSU bisher betriebene Landwirtschaftspolitik nicht wenige Bauern anscheinend vor grundlegende existenzielle Probleme stellt. Dass deren Not nicht von den Naturschützern und ihren Forderungen hervorgerufen wurde und wird, liegt auf der Hand, denn die sind noch überhaupt nicht durchgesetzt worden. Zudem hat kein Naturschützer ein Interesse daran, den Landwirten zu schaden.

Als vom Wahlvolk zum Regieren und somit auch zum Gesetzemachen ermächtigt, lässt es sich der Ministerpräsident natürlich nicht nehmen, seinen hervorgehobenen Status in der demokratischen Entscheidungshierarchie auch dann wahrzunehmen, wenn sich der Souverän - das Volk - höchstselbst einmal zum Gesetzemachen berufen fühlt. Sein Vorschlag eines "Runden Tisches" ist also nichts anderes als die Klarstellung den Initiatoren des Volksbegehrens gegenüber, dass natürlich er selbst in seiner Funktion als Ministerpräsident der von Rechts wegen vorgesehene oberste Zuständige für's Gesetzemachen ist und dass er gewillt ist, diese ihm zustehende Rolle auch im Zusammenhang des Volksbegehrens wahrzunehmen. Er will einen Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Interessen herbei verhandeln, der von allen Seiten Abstriche verlangt, sonst wär's ja keiner. Um Korrekturen - und nicht mehr - geht es auch der Gegenseite: "Die Initiatoren, darunter die ÖDP, wollen mehrere Änderungen im bayerischen Naturschutzgesetz durchsetzen. Beispielsweise sollen Biotope besser vernetzt, Uferrandstreifen stärker geschützt und der ökologische Anbau im Freistaat gezielt ausgebaut werden. Von 2030 an sollen mindestens 30 Prozent der Anbauflächen in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden."5

Die kapitalistische Geschäftsgrundlage als Ursache notwendig rücksichtslosen Agierens gegenüber den ökologischen Voraussetzungen ihres Tuns steht für die Landwirte nicht zur Disposition, darf auch gar nicht zur Disposition stehen, denn dies beträfe dann ja das Eigentumsprinzip als Kernbestandteil ihres konkurrenzhaften Handelns selbst. Als landwirtschaftliche Unternehmer mit ausschließlicher Verfügungsmacht über ihr Eigentum stehen sie in Konkurrenz zu allen anderen landwirtschaftlichen Eigentümern und suchen ihren Vorteil gegen die gleichlautenden Bemühungen aller anderen durchzusetzen.

Da sich Konkurrenzerfolge am ehesten mit zunehmender Betriebsgröße einzustellen pflegen, weil dann eben in größerem Maßstab produziert werden kann und sich Investitionen in teure Maschinen eher rentieren, setzen sich bei diesem fortwährenden Kampf um Marktanteile durch Senkung der Betriebskosten je Produkteinheit diejenigen durch, die über das hierfür nötige Kapital verfügen. Diejenigen, die in diesem Wettlauf nicht mithalten können, bleiben irgendwann auf der Strecke und geben auf.

Der bäuerliche Existenzverlust durch konkurrenzbedingtes Ausscheiden aus dem Wettlauf um Marktanteile vollzieht sich schon seit Jahrzehnten, war und ist schon immer Resultat der Landwirtschaftspolitik der CSU, ohne daß dieser Sachverhalt die Landwirte je zu einer Abkehr von ihrer politischen Orientierung an eben dieser Partei veranlaßt hätte. Das alles folgt lupenrein marktwirtschaftlichen Gesetzen. Die an diesem ökonomischen Wettbewerb teilnehmenden Landwirte, die sich in Unkenntnis der tieferen politökonomischen Notwendigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sehen, die Voraussetzungen ihres geschäftlichen Überlebens selbst mit zunichte machen, richten durch ihr unreflektiertes Weiterso lieber ihre Gesundheit und ihre Existenz zugrunde, als den Sinn ihres Handelns einmal grundsätzlich in Frage zu stellen.

Und das hat dann schon eine geradezu absurd-tragische Seite an sich: Lieber verlieren diese unermüdlichen Einzelkämpfer ihre gesamte Existenz, als über ein Landwirtschaften unter konkurrenzfreien und kooperativen Bedingungen wenigstens einmal ansatzweise nachdenken zu wollen! Entlastend muss ihnen andererseits attestiert werden, daß allein der gedankliche Übergang von einem ans Privateigentum von Grund und Boden gebundenen Landwirtschaften unter Konkurrenzbedingungen zu einem kooperativen und konkurrenzfreien Produzieren in einem derart strikten Gegensatz zu ihrem bisherigen Agieren steht, dass es schon fast ein Wunder wäre, wenn sie von selbst auf diese Idee kämen!

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