Das junge Riesen-Loch

Künstlerische Vorstellung eines ultraschweren Schwarzen Lochs in einem fernen Quasar (Bild: Zhaoyu Li / Shanghai Astronomical Observatory)

Astronomen haben ein gigantisches Schwarzes Loch identifiziert, das für seine Größe noch erstaunlich jung ist

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Schwarze Löcher gibt es in den unterschiedlichsten Größen. Der Standard, der nach einer Supernovaexplosion übrig bleibt, ist zwischen vier und 35 Sonnenmassen schwer und hat einen Durchmesser von bis zu 60 Kilometern (doppelter Schwarzschild-Radius). Die Bezeichnung "stellares" Schwarzes Loch deutet die Herkunft an. Ist der Ursprungsstern zu leicht, entsteht kein Schwarzes Loch, sondern bloß ein Neutronenstern oder gar ein Weißer Zwerg.

Nach oben hin setzen die Prozesse bei einer Supernova die Grenze, wo der größere Teil der Masse des explodierenden Sterns ins All geschleudert wird. Nur bei Sternenkollisionen wäre auch die Entstehung noch schwererer Schwarzer Löcher möglich - allerdings hat man solche mittelschweren Exemplare bisher nicht ganz zweifelsfrei nachgewiesen.

Unstrittig ist die Existenz einer weiteren Art - der superschweren Schwarzen Löcher. Auch im Zentrum unserer Milchstraße verbirgt sich solche ein Gigant, der immerhin so schwer wie vier Milliarden Sonnen ist und sich über die hundertfache Entfernung zwischen Erde und Sonne erstrecken könnte. Superschwere Schwarze Löcher sind Überbleibsel aus der Frühzeit des Universums. Sie haben von Jahrmillion zu Jahrmillion immer neue Materie aus ihrer unmittelbaren Umgebung geschluckt und sind so auf ihre jetzige Größe angewachsen.

Das superschwere Schwarze Loch, das chinesische Forscher jetzt in Daten des Sloan Digital Sky Survey identifiziert und in Nature vorgestellt haben, passt nur schwer in diese Theorie. SDSS J0100+2802, so heißt das Objekt, ist nämlich nur 875 Millionen Jahre alt - und wiegt trotzdem schon so viel wie 12 Milliarden Sonnen. Das Schwarze Loch lebt gewissermaßen noch in der Frühzeit des Universums. Dass wir es trotzdem beobachten können, haben wir der enormen Entfernung zu SDSS J0100+2802 zu verdanken.

SDSS J0100+2802 im Vergleich zu anderen superschweren Schwarzen Löchern (Bild: Zhaoyu Li / Shanghai Astronomical Observatory)

Das Objekt muss aber, das ist das Faszinierende daran, in seiner kurzen Lebenszeit (sie entspricht gerade mal höchstens sechs Prozent des Alters des Universums) enorm viel Masse akkumuliert haben. Die Forscher haben berechnet, dass es eigentlich die gesamte Zeitdauer mit dem theoretischen Maximum gefressen haben muss. Das ist überraschend, weil man eigentlich angenommen hatte, dass die starke Abstrahlung der aktiven Galaxis (des Quasars), in der das Schwarze Loch residiert, diese Massenzunahme begrenzen müsste.

Zugleich verrät SDSS J0100+2802 etwas darüber, wie sich Galaxien im frühen Universum entwickelt haben könnten. Normalerweise stehen nämlich die Größe des Schwarzen Lochs und die der Galaxis, in deren Zentrum es sich befindet, in proportionalem Verhältnis. Demnach müsste der junge Riese in einer Milchstraße von vier bis neun Billionen Sonnenmassen beheimatet sein - so schwer sind heute nur die allergrößten Galaxien. Unsere Milchstraße hat zum Beispiel 400 Milliarden Sonnenmassen.