Das schmutzige Spiel der Geheimdienste

Offenbar haben US-Militärs trotz des UN-Embargos heimlich Waffen an Mudschaheddin in Bosnien geliefert, während der Mossad die bosnischen Serben versorgt hat

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Wegen der Ergebnisse des Berichts des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation (NIOD) über das Massaker in Srebenica 1995 ist die holländische Regierung letzte Woche zurückgetreten. Der Bericht enthält aber noch andere Informationen, die zeigen, welche Interessen hinter dem Rücken von humanitären oder friedenserhaltenden Maßnahmen ausgeführt werden können. So hat offenbar das Pentagon während des UN-Waffenembargos von 1991 bis 1995 just die muslimischen Gruppen mit Waffen unterstützt, die jetzt von der US-Regierung bekämpft werden, während der Mossad oder Griechenland die bosnischen Serben beliefert haben.

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. So sind die einst von den USA im Kalten Krieg unterstützten Feinde der Feinde wie Saddam Hussein oder die Taliban und al-Qaida in Afghanistan nun auch zu den eigenen Feinden geworden. Doch auch in der Zeit nach dem Kalten Krieg wurden offenbar nach dem gleichen Muster die Feinde der Feinde zu Freunden, ohne allzu wählerisch zu sein.

Für die Ausarbeitung des Berichts über das Massaker in Srebenica, über den die Regierung gestolpert und wegen der in ihm erhobenen Vorwürfe sie achtenswerterweise zurückgetreten ist, konnte Professor Cees Wiebes von der Universität Amsterdam auch ungehindert Einblick in Dokumente des holländischen Geheimdienstes nehmen. Wie der Guardian heute berichtet, befragte Wiebes auch andere Geheimdienste im Westen und in Bosnien. In seinem Beitrag "Geheimdienste und der Krieg in Bosnien, 1992-1995" schildert er unter anderem eine geheime Verbindung zwischen dem Pentagon und muslimischen Gruppen aus dem Mittlern Osten.

Diese Gruppen, die wie Bin-Ladin-Mudschaheddin aus Afghanistan oder Angehörige der Hisbollah, den bosnischen Muslimen halfen, wurden unterstützt unter anderem vom Iran und von Saudi-Arabien (Djihad auf dem Balkan?). Der UN-Sicherheitsrat hatte seit 1991 ein Waffenembargo über die gesamte Region des ehemaligen Jugoslawien verhängt, was das Pentagon aber nicht daran hinderte, durch Kroatien Waffen an die muslimischen Kämpfer zu liefern. Durch diese "kroatische Pipeline" wurden Waffen, die im Iran oder in der Türkei gekauft und von Saudi-Arabien bezahlt wurden, zunächst mit der offiziellen persischen Fluglinie und später mit Flugzeugen des Typs C-130 Hercules nach Kroatien geliefert. Auch Mudschaheddin-Kämpfer wurden auf diese Weise in die Region gebracht.

Offenbar handelte es sich um große Mengen, die nicht wie üblich vom CIA, sondern direkt durch das Pentagon ins Land geschafft wurden. Sowohl der CIA also auch der britische Geheimdienst SIS wollten anscheinend die Finge davon lassen. Als Zoll scheinen die Kroaten zwischen 20 und 50 Prozent der Waffen erhalten zu haben, die übrigens trotz des Embargos auch Waffen von Deutschland, Belgien und Argentinien bekommen haben sollen - angeblich mit Wissen des deutschen Geheimdienstes.

Die Mithilfe des Pentagon wird von Wiebes vornehmlich daraus abgeleitet, dass das amerikanische Militär mit seinen Aufklärungsmitteln das UN-Embargo überwachen sollte. Daher hätten die Flüge nach Tuzla auch unbemerkt vonstatten gehen können. Offenbar hat das US-Militär etwa auch Angehörige der UNPROFOR unter Druck gesetzt, Berichte zu verändern, die Informationen über solche Lieferungen in die demilitarisierte Zone von Srebenica enthielten.

Ironischerweise, so muss man sagen, waren auf der anderen Seite die Geheimdienste der Ukraine, Griechenlands und Israels tätig, um die bosnischen Serben zu bewaffnen. Besonders aktiv scheint nach Wiebes der Mossad gewesen zu sein, der Waffen lieferte, um dafür einen freien Abzug der jüdischen Bevölkerung aus dem belagerten Sarajewo zu erlangen.

Sollten diese Informationen zutreffen, so ist das "eigenwillige", konfliktfördernde Verhalten der Geheimdienste und Militärs auch bei UN-Missionen höchst bedenklich, zumal wenn damit Abkommen unterlaufen werden und Soldaten anderer Länder wie in diesem Fall die "Dutchbats" aus Holland notwendige Informationen nicht erhalten, um ein Massaker verhindern zu können.