Das traurige Schauspiel um die Punkband und das Bauhaus Dessau
Das Bauhaus sagte einen vom ZDF organisierten Auftritt von Feine Sahne Fischfilet ab und verwickelt sich in immer peinlicheren Argumentationen, den Rechtsradikalen nachgegeben zu haben
Am 18. Oktober gab die Stiftung Bauhaus Dessau bekannt, dass ein Konzert der Band "Feine Sahne Fischfilet", das am 6. November 2018 im Rahmen der Konzertreihe zdf@bauhaus auf der Bauhausbühne stattfinden sollte, abgesagt wurde. Betont wurde, dass die Programmhoheit das ZDF habe und das Bauhaus nur die Räume vemiete. Das Bauhaus wäre also nicht einmal voll verantwortlich gewesen, weswegen die Emtscheidung desto schwerwiegender ist. Als Grund der Absage wurde darauf hingewiesen, dass sich in den sozialen Medien "rechte Gruppierungen aus dem regionalen Umfeld gegen den Auftritt der Band am Bauhaus Dessau mobilisieren".
Entweder hatte man Angst vor Rechtsextremen oder man fand es im Stiftungsrat politisch nicht opportun, eine umstrittene linke Punkband gegen Kritik von rechts auftreten zu lassen und damit ein Zeichen zu setzen. Im Stiftungsrat sitzen Vertreter der Stadt, des Landes und des Bundes. Ob der Wissenschaftliche Beirat konsultiert wurde, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Man zog sich ins Anonyme zurück.
Auch nicht klar war, ob Direktorin Claudia Perren für die Entscheidung maßgeblich war oder sie diese ausdrücklich mitvollzog. Sie hat 2014 die Stelle angetreten, nachdem der Stiftungsrat den vorhergehenden Direktor Philipp Oswalt vor die Türe gesetzt hatte, ohne hier den Beirat zu konsultieren. Es ging um die politische Ausrichtung des Bauhauses und um den Standort eines neuen Museums. Der Beirat trat damals deswegen geschlossen zurück (auch der Autor war im Beirat und mag deswegen voreingenommen sein).
Da zunächst auch das Anhaltische Theater in Dessau einen Auftritt in seinen Räumen ablehnte, liegt der Verdacht nahe, dass Stadt und Land politisch nicht wollten. Schließlich war die Punkband, die nach den Chemnitzer Ausschreitungen dort in einem Konzert auftrat, von Politikern der AfD und CDU gerügt worden. Im Stiftungrat sitzt eben auch Rainer Robra (CDU), der Kultusminister Sachsen-Anhalts. Der verteidigte die Entscheidung: "Die linksextreme Punkband drinnen und Rechtsextreme draußen vor der Tür wären in diesem Fall nur durch Fenster voneinander getrennt gewesen."
Ähnlich war die Argumentation der Bauhaus-Mitteilung. "Historisch und zeitgenössisch" sei man offen für alle, aber nicht für "politische extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere … , da diese die demokratische Gesellschaft - auf der auch das historische Bauhaus beruht - spalten und damit gefährden". Zudem habe es schon einmal 2017 einen Aufmarsch von Rechtsradikalen vor dem Bauhaus gegeben: "Um nicht erneut zum Austragungsort politischer Agitation und Aggression zu werden, auch vor dem Hintergrund des Status als UNESCO-Welterbe, hat die Stiftung Bauhaus Dessau in Berufung auf ihr Hausrecht das ZDF aufgefordert, das Konzert abzusagen."
Man will also politisch neutral sein, gibt aber dem Druck der Rechtsradikalen nach und forderte etwa nicht, von Stadt und Land entsprechenden Polizeischutz an. Das hat zu einem Aufschrei geführt und massiver Kritik an der Entscheidung. Darauf reagierte man - wieder ist unklar wer - im Bauhaus mit einer erneuten Mitteilung. Wieder ging es um den Schutz des UNESCO-Welterbes, da doch Fenster eingeschmissen werden könnten.
Man wollte auch unschöne Bilder vermeiden, also das Problem des Rechtsextremismus verdrängen. Mit dem Bauhaus - und mit Dessau und Sachsen-Anhalt - wollte man "keine erneuten medialen Bilder einer gespaltenen zerrissenen Gesellschaft ermöglichen". Einer Konfrontation mit Rechtsradikalen, so muss man das deuten, geht man lieber aus dem Weg und lässt sie sein, was auch heißt, man lässt sie bestimmen, welche Kulturveranstaltungen am Bauhaus und anderswo stattfinden können. Und weil man die Kritik ernst nehme, lade man, man ist ja so offen, zu einer Debatte "Bauhaus, Politik und Extremismus" ein.
Noch peinlicher für das Bauhaus wurde, dass zunächst der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) und der Trägerverein des Berliner Bauhaus-Archivs dem ZDF angeboten haten, dass die Band im Gebäude des Bauhaus-Archivs in Berlin auftreten könne. Der Vorstandsvorsitzende des Trägervereins, Markus Klimmer, sagte: "Das Bauhaus ist ein politischer Ort." Durch die Entscheidung werde "die Marke Bauhaus schwer beschädigt". Naja.
Schlimmer kam es dann, als die Leitung des Anhaltiner Theaters gestern bekannt gab, die Entscheidung zu revidieren. Man hat den Mut, eine falsche Entscheidung einzugestehen und um Entschuldigung zu bitten:
Nach der heftigen öffentlichen Diskussion um den abgesagten Auftritt der Band Feine Sahne Fischfilet hat die Theaterleitung verstanden, dass der Diskurs über Kunst nur geführt werden kann, wenn die Kunst sich unbedingt in aller Freiheit präsentieren kann. Die abschlägige Antwort auf eine kurzfristige Anfrage der Medien war schlecht überlegt und falsch. Daher hat das Theater Kontakt mit der Band aufgenommen, um Entschuldigung gebeten und den Akteuren in Dessau, die sich um einen alternativen Spielort bemühen, Hilfe und Beteiligung, sei es im Theater oder anderswo, angeboten.
Als das heutige Gebäude des Theaters errichtet wurde, wurden Künstler gegängelt, an der Ausübung ihres Berufs gehindert und massenweise vertrieben, verschleppt und getötet. Dem Theater ist bewusst, dass Versuchen, die Kunst zu behindern, jederzeit entgegengetreten werden muss.
Anhaltisches Theater Dessau
So ähnlich hätte man im Bauhaus auch argumentieren müssen, das den Nazis, auch wenn sie davon lernten, auch wegen der politischen Positionierung nicht gefiel. Desto peinlicher ist, wie sich nun erstmals Direktorin Perren positioniert. Es gibt ein bisschen Bedauern, weil man "die Öffentlichkeit enttäuscht" und das Bauhaus "als unpolitisch dargestellt" haben. Perren habe mit dem Land Sachsen-Anhalt, dem Träger der Stiftung, aber wiederum aus unpolitischen Gründen gehandelt, nämlich "aus Verantwortung für das Gebäude gegen das Konzert entschieden".
Jetzt soll es nicht mehr um die linke Punkband gehen, die man durchaus kritisch sehen kann, zumindest in ihren jungen Jahren, sondern man wollte doch nur "den Neonazis keine Plattform bieten". Man bietet mithin, so muss man das verstehen, den Neonazis dann eine Plattform, wenn man etwas macht, was diesen nicht gefällt. Daher unterlässt man dies und richtet sich gleich nach diesen. Die Argumentation ist jedenfalls verräterisch, für die Direktorin und das Land, von dem aber wieder nicht weiß, von wem es vertreten wurde, man darf nur annehmen: vom Kultusminister, also von der CDU.
Wenn Perren dann meint sich doch noch von Neonazis abgrenzen zu können, hält sie die Öffentlichkeit für naiv:
Seitdem ich die Leitung der Stiftung Bauhaus Dessau übernommen habe, war es mir wichtig in der Programmarbeit zu zeigen, dass wir ein internationaler, offener und transparenter Ort gesellschaftlicher Debatten im Sinne des historischen Bauhauses sind. Dies impliziert eine deutliche Abgrenzung zu Neonazis.
Claudia Perren
Perren gibt der Politik nach und meint weiterhin, sie könne durch irgendwelche Diskussionen das Fiasko wieder gut machen: "Wir wollen in den kommenden Wochen die Kritik, vor den Rechten eingeknickt zu sein, zum Anlass nehmen, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, wie wir uns heute für eine offene Gesellschaft und gegen Ausgrenzung engagieren."
Das hätte man zeigen können und hat es verpasst. Es hätte ja auch die Möglichkeit gegeben, vor oder unmittelbar nach dem Auftritt der Punkband in eine Diskussion einzutreten. Jetzt ist sie nur noch ein Placebo, die Direktorin und der Wissenschaftliche Beirat sind ramponiert, vom Stiftungsrat, der politisch entscheidet, war vielleicht nicht anderes zu erwarten.