Das tut man nicht, Herr Broder

Henryk M. Broder. Foto (von 2012): Henryk M. Broder / CC BY-SA 3.0

Henryk M. Broder ging bei seinem Auftritt bei der AfD-Bundestagsfraktion härter mit einer 16jährigen Umweltaktivistin ins Gericht als mit der Partei und ihren rechtsextremen Tendenzen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Broder ist bekannt als streitbarer Publizist. Er schert sich nicht um die Meinung anderer, bricht hemmungslos Tabus, beschäftigt sich mit Themen, die andere scheuen wie der Teufel das Weihwasser, political correctness ist ihm ein Fremdwort. Broder provoziert und polarisiert. Das weiß er - und das will er auch. Vermutlich amüsiert ihn nichts mehr als seine Kritiker. Im Gespräch bleiben, ist die Devise.

Im Gespräch bleiben wollte er auch mit der AfD, weil er den Umgang mit der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag "nicht fair" findet, wie er in seiner von der Welt dokumentierten Rede sagte. Deshalb habe er die Einladung angenommen.

Grundsätzlich ist dagegen zunächst einmal nichts einzuwenden. Parteien laden mitunter Journalistinnen und Journalisten ein, nicht nur die AfD. Die - ob uns das gefällt oder nicht - die größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag ist. Solche Einladungen werden ausgesprochen, entweder weil die Parteien sich mit den Auftritten prominenter Medienschaffender schmücken oder weil sie Einblick in die journalistische Arbeit bekommen wollen oder weil sie Input zu einem bestimmten Thema erwarten.

Journalistinnen und Journalisten nehmen solche Einladungen aus verschiedenen Gründen an, einer davon ist, die kritische Auseinandersetzung zu suchen. Das ist übrigens der Grund, weshalb ich persönlich der Ansicht bin, dass der Beruf "Journalismus" und ein Parteibuch nicht in einer Person vereint sein sollten. Wir müssen von außen drauf gucken und auch hart kritisieren können - ohne dass uns mit Sanktionen oder gar dem Ausschluss gedroht werden kann und so die mediale Berichterstattung beeinflusst wird.

Die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten ist es nicht, die Welt schön zu schreiben, und wenn sie es nicht ist, eine bessere "Realität", quasi eine Relozität, zu erfinden. Sondern unser Job ist es, den Finger in jede Wunde zu legen - unabhängig von politischer Ab- oder Zuneigung. Das darf ruhig weh tun, muss es sogar. Es macht nämlich nur Sinn, wenn es weh tut, sprich Konsequenzen hat, und das tat es bei der Rede Broders vor der AfD-Bundestagsfraktion definitiv nicht. Im Gegenteil: Am Ende stand die Aussicht auf eine Wählerstimme mehr - sofern die Partei sich eines besseren Sprachstils bedient.

Doch bevor seine Fans wie Gegner überhaupt erfuhren, was genau Broder der AfD mit auf den Weg gegeben hat, tauchte ein Foto auf, auf dem zu sehen ist, wie Alice Weidel sich nahezu an ihn schmiegt. Broder grinst leicht dümmlich, im Hintergrund ist der AfD-Abgeordnete Jürgen Braun zu sehen. Damit hatte sich die Sache erledigt. Die einen feierten die innige Vereinigung Broders mit der AfD, andere sahen ihr Weltbild bestätigt: Dass Broder mit der AfD kuschelt, war doch eh klar. Und nun gab es sogar einen sichtbaren Beweis dafür.

Das führte zu einem verbalen Kleinkrieg in den sozialen Netzwerken, der bis heute anhält. Für die einen ist Broder ein Held, der der AfD mal so richtig die Meinung gegeigt hat, für die anderen hat er sich als das geoutet, was ohnehin klar war, dass er das ist: als "Rechtsaußen".

Die Publizistin Liane Bednarz resümierte im Deutschlandfunk: "Er hat wahrscheinlich wirklich etwas erreicht." Der Historiker Michael Wolfssohn nannte ihn in der Welt den "AfD-Entzauberer". Dabei bezog er sich auf den Satz in Broders Rede:

Ein Besuch bei Ihnen stand nicht auf meiner Liste, ich habe die Einladung trotzdem gerne angenommen, wann bekommt ein Jude schon die Gelegenheit, in einem Raum voller Nazis, Neo-Nazis, Krypto-Nazis und Para-Nazis aufzutreten?

Henryk M. Broder

Allerdings war das typischer Broder-Sarkasmus und wurde vom Publikum auch als solcher verstanden. Im Grunde genommen gab er damit zu verstehen, was er von dieser Zuschreibung hält: nämlich nichts.

Zu behaupten, die AfD wäre ein Haufen voller "Nazis, Neo-Nazis, Krypto-Nazis und Para-Nazis" wäre auch schlicht Quatsch. Selbstverständlich sind nicht alle AfD-Mitglieder Nazis, auch nicht die Abgeordneten. Aber diejenigen, die keine Nazis sind, wissen, dass sie mit Nazis in derselben Partei sind und tolerieren das.

Und genau das ist das Problem - und im Hinblick auf Broder ist das Problem, dass er kein Problem damit zu haben scheint - oder wenn, dann nur ein klitzekleines.

Dass Wolffsohn Broder zur Seite sprang, veranlasste wiederum den SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs zu twittern: "was für ein peinlicher artikel. einer von ganz rechtsaußen lobt einen von ganz rechtsaußen, der sich von der afd hat einseifen lassen." Kahrs seinerseits hatte den AfD-Abgeordneten im Bundestag kurz vorher geraten, in den Spiegel zu schauen, damit sie sähen, wie hässlich sie seien. Hass mache hässlich. Das wiederum bezeichnete Broder in seiner Rede vor der AfD-Bundestagsfraktion als "Griff ins Klo".

Der Tweet von Johannes Kahrs brachte ihm Beifall von Broders Kritikern, löste indes Empörung aus bei dessen Fans. Es sei ein Unding, dass ein SPD-Politiker zwei Juden quasi als Nazis beschimpfe, weil diese eine ihm missfallende Meinung hätten, hieß es.

Was hat Broder in seiner Rede gesagt?

Der Streit tobt immer noch, in den sozialen Netzwerken, in der Stammkneipe und am Küchentisch. Doch was hat Broder nun eigentlich tatsächlich gesagt?

Einige Tage nachdem er sie gehalten hatte, dokumentierte die Welt die Rede Broders. In dem Artikel erklärt er zunächst, wie es überhaupt zu dem Foto kam. Bevor er richtig angekommen ist, hat demnach Alice Weidel die Situation geschickt auszunutzen verstanden, ein anderer sorgte dafür, dass der Moment für die Mitwelt festgehalten wird und dass das Foto in sozialen Netzwerken viral geht. Dass es ein Selbstläufer würde, war klar.

Broder wollte sich mit seinem Auftritt bei der AfD als enfant terrible inszenieren - doch Alice Weidel hat ihm die Show gestohlen. Dumm gelaufen …

Broders Fans waren begeistert von der Rede. Er habe die AfD pointiert, humorvoll, spöttisch und treffsicher kritisiert, hieß es. Mag sein, dass verschiedene Versionen der Rede kursieren. Aber in der Fassung, wie sie die Welt veröffentlichte, geht er mit so einigen hart ins Gericht - bloß nicht mit der AfD.

Zunächst einmal holte er die AfD ab, indem er ihre Weltsicht bediente, sich über die Grünen belustigte, austeilte gegen die 16-jährige Greta Thunberg, die Initiatorin der "Friday for Future"-Demos; er bescheinigte Umwelt-Aktivistinnen, einer neuen Religion anzuhängen, outete sich als Anhänger der Theorie, dass der Klimawandel nicht menschengemacht sei und amüsierte sich ein bisschen über den Feminismus.

Auch das Thema "Islam" ließ er anklingen, ohne allerdings den Begriff direkt zu verwenden. Musste er auch nicht, dem Auditorium sind die Codes bekannt, die Botschaft kam an. "Klimanazis", "Gendergaga", Islam, das sind durchaus Themen und Begrifflichkeiten, die im Umfeld der AfD beheimatet sind, und auch in deren eigenen Reihen. Broder verstieg sich sogar zu der Forderung nach:

(…) Verschärfung des Tatbestands "Kindesmissbrauch", um auch solche Fälle verfolgen zu können wie den der bereits erwähnten Greta aus Schweden, die von den Klimarettern zur Ikone ihrer Bewegung erkoren wurde.

Henryk M. Broder

Vielleicht sollte ihm mal jemand erklären, dass Greta Thunberg Schwedin, 16 Jahre alt und somit kein Kind mehr und zudem Bewunderung kein Straftatbestand ist.

Er unterfütterte seine Rede auch noch mit allerhand Banalitäten, was er in seinem Leben alles noch machen möchte, was ihm verwehrt wird, etc. … Irgendwann kam er auf den AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland und den von ihm verwendeten Begriff "Vogelschiss" zu sprechen, mit dem dieser den deutschen Faschismus zum Wimpernschlag der Geschichte erklärte:

Um Missverständnissen vorzubeugen, will ich dazu sagen, dass ich kein prinzipieller Gegner der Political Correctness bin, wenn damit gemeint ist, dass es Dinge gibt, die man nicht tun darf und nicht propagieren sollte. (…)


Aber es geht nicht nur um Gesetze, die natürlich verschieden ausgelegt werden können, was man den "Ermessensspielraum" nennt, der seinerseits zu Urteilen führt, die kein "gerecht und billig" denkender Mensch nachvollziehen kann. Es geht auch um etwas, das unsere PC-mäßig unverdorbenen Eltern in die Worte "Das tut man nicht" fassten. Man legt die Füße nicht auf den Tisch, man rülpst nicht beim Essen, und man nennt die zwölf schlimmsten Jahre der deutschen Geschichte nicht einen "Vogelschiss".


Das ist nicht nur aus der Sicht der Nazi-Opfer - der Juden, der Zigeuner, der Homosexuellen, der Widerstandskämpfer, der Deserteure - eine schwere Sünde. Es muss auch ein No-Go für jeden Deutschen sein, der kein Jude, kein Zigeuner, nicht schwul ist und keine Angehörigen hat, die von den Nazis verfolgt wurden.

Henryk M. Broder

Angesichts der Ungeheuerlichkeit, das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Menschheitsgeschichte einen "Vogelschiss" zu nennen, eine sehr sanfte Schelte. Noch dazu für Broder, der ansonsten gern und wortgewaltig austeilt. Nach allem, was zu lesen war, war der Gescholtene noch nicht einmal zugegen.

Vor den Bundestags-Abgeordneten einer Partei, die mit dem Bremer Frank Magnitz einen Mann in ihren Reihen haben, bei dem nicht klar ist, ob er von Linken oder Rechten niedergeschlagen wurde oder von Kleinkriminellen, die von Hintermännern aus dem Milieu der Organisierten Kriminalität beauftragt wurden.

Zu einem Zeitpunkt, an dem aus einem zuvor veröffentlichten Verfassungsschutzbericht (unter Punkt 7.1.1 Björn Höcke) hervorging, dass der langjährige thüringische Landesvorsitzende der Partei, Björn Höcke, "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" identisch ist mit dem rechtsextremen Publizisten Langolf Ladig, der über beste Kontakte in die rechtsradikale Szene verfügt. Zu einem Zeitpunkt, als ruchbar wurde, dass Manuel Ochsenreiter, der für einen AfD-Bundestagsabgeordneten gearbeitet hat, beschuldigt wird, einen Sabotageakt in der Ukraine in Auftrag gegeben zu haben, um Putin zu unterstützen.

Zunächst stellte Broder also Gemeinsamkeiten her. Dabei ging er mit einer etwa 1.000 km entfernt lebenden 16jährigen Schülerin härter ins Gericht als mit dem abwesenden Gauland und dessen unsäglicher Holocaustrelativierung sowie den sonstigen wenig appetitlichen Umtrieben innerhalb und im Umfeld der Partei, deren Bundestagsabgeordnete vor ihm saßen. Er biederte sich bei der AfD an – u.a. auf Kosten eines 16jährigen Mädchens.

DAS tut man nicht, Herr Broder.

Der umtriebige Manuel Ochsenreiter

Laut Tagesschau haben ...

in den frühen Morgenstunden des 4. Februar 2018 (… ) zwei Vermummte Feuer an der Fassade eines Kulturzentrums der ungarischen Minderheit in der ukrainischen Stadt Uschgorod gelegt und Nazi-Symbole am Haus hinterlassen. Die Tat, die durch eine Überwachungskamera dokumentiert wurde, sollte offenbar so wirken, als ob ukrainische Neonazis die ungarische Minderheit im Land angegriffen haben. Dies sollte vermutlich die Beziehungen zwischen Ungarn und der Ukraine belasten. Nur wenig später waren die mutmaßlichen Täter ermittelt. (…)
Auch P. ist in Krakau angeklagt - und geständig. Er sagte vor Gericht aus, (Manuel, Anm. d. Verf.) Ochsenreiter habe ihn zu der Tat angestiftet und dafür mit insgesamt 1.500 Euro entlohnt. Ochsenreiter habe detaillierte Anweisungen gegeben, wie der Brandanschlag, der in Polen als Terroranschlag gewertet wird, ablaufen solle.

Tagesschau

Das klingt wie das Drehbuch zu 'nem schlechten Hollywood-Thriller. Ist es aber leider nicht. Manuel Ochsenreiter studierte an einem privaten Institut in Berlin Marketing und Kommunikation. Während seines Studiums trat er der "Burschenschaft der Märker" bei, die 2003 das Sommerfest der rechts-nationalen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) ausrichtete.

Vermutlich nicht ganz zufällig, denn zu dem Zeitpunkt war Ochsenreiter Leiter des Ressorts "Innenpolitik" der JF. Von 2004 bis 2011 war er Chefredakteur der Deutschen Militärzeitschrift (DMZ), die von dem Verleger Dietmar Munier herausgegeben wurde und "nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzbehörde und der Bundesregierung zu den bekanntesten Verlagen des rechtsextremistischen Spektrums" zählt.

Munier gibt auch das Magazin Zuerst heraus, dessen Chefredakteur Ochsenreiter jetzt ist. Er berichtete aus dem Balkan und dem Nahen Osten, knüpfte Kontakte zu russischen und iranischen Medien. Dem Blog Iraniansforum zufolge fungiert

Manuel Ochsenreiter, der Vorsitzende des Zentrums und Sprecher bei diversen AfD-Veranstaltungen, (…) seit Jahren als Kontaktmann des Iran zur Neuen Rechten und umgekehrt. Im September 2014 referierte Ochsenreiter bei der Holocaustleugner-Konferenz "New Horizons" in Teheran zum Thema "Israelische Lobby in Deutschland". Im Mai 2016 wurde sein Buch "Die Macht der zionistischen Lobby in Deutschland" vom iranischen Kulturministerium auf Persisch publiziert.

Iraniansforum

Laut Iraniansforum ist es

Eines der wichtigsten Merkmale der Expansionspolitik der Mullahs (…), weltweit Verschwörungstheoretiker, Holocaustleugner und rechtsextreme Gruppen systematisch zu fördern. So beispielsweise den Chefredakteur der rechtsextremen Monatszeitschrift "Zuerst!" Manuel Ochsenreiter. Er gilt seit Jahren als Verbindungsmann der deutschen "Neuen Rechten" zum Klerikalfaschismus und unterstützt offen die terroristische Hizbollah und den syrischen Diktator Assad.

Iraniansforum

Weiter heißt es in dem irankritischen Blog:

Im "Deutschen Zentrum für Eurasische Studien" laufen die Fäden der AfD-Iran-Russland-Connection zusammen. Der weltweit wohl einflussreichste Akteur im Zentrum ist Putins Chefideologe Alexander Dugin, der zuletzt 2016 an der revanchistischen "New Horizon"-Konferenz teilnahm.
Dugin sagte bei einem Treffen mit Klerikern in Qom: "Ich bin unendlich froh, dass ich ins Hauptquartier des Kampfes gegen die Moderne gekommen bin. Ich habe mein Leben diesem Kampf gewidmet, denn für mich bedeutet die Moderne Satan. (…) Die offizielle Religion von Herrn Putin ist russisch-orthodox. Ich vertrete die orthodox christliche Gesellschaft von Russland, die, dem Beispiel des Iran und der islamischen Revolution folgend, in Russland erfolgreich sein könnte. Der Iran ist uns voraus und kann das Modell sein, dem wir folgen müssen. (…) Wir (Russland) und sie (Iran) kämpfen auf einer gemeinsamen Front in Syrien. Und der Iran spielt eine Schlüsselrolle im Eurasien-Projekt." (…)
Die AfD ist nicht nur die fünfte Kolonne Moskaus, sondern auch die Teherans.

Iraniansforum

Interessanterweise veröffentliche die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, wenige Tage nach dem Ochsenreiter-Skandal einen Artikel in der Israelnationsnews, in dem sie Stellung bezog zu der Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), das Mitte Januar 2019 die AfD öffentlich zum "Prüffall" erklärte.

Der AfD werden rechtsextreme Äußerungen und Kontakte in die rechtsextreme Szene einzelner (prominenter) Mitglieder sowie Antisemitismus vorgeworfen. Deshalb solle nun geprüft werden, welchen Einfluss dieses auf die Partei als solche habe. Beatrix von Storch, die sich falsch, bzw. aus dem Zusammenhang gerissen zitiert sieht in dem über die AfD verfassten Gutachten, das dieser aber nicht zur Kenntnis gebracht wurde, schreibt:

Anstatt die wirkliche Bedrohung der westlichen Zivilisation und der europäischen Demokratie zu untersuchen, lässt sich der deutsche Geheimdienst politisch instrumentalisieren, um die einzige Partei anzugreifen, die aktiv gegen den radikalen Islamismus und Antisemitismus kämpft. Die einzige Partei, die die Verwendung deutscher und EU-Mittel für UNRWA- und BDS-bezogene Nichtregierungsorganisationen kritisiert; die einzige Partei, die sich aktiv mit ihrer Stimme für die Rechte und die Sicherheit der Juden in Deutschland und unserer Freunde in Israel einsetzt.

Beatrix von Storch

Das legt den Schluss nahe, dass auch die AfD ein pluralistischer Haufen und in Sachen Antisemitismus/Antizionismus ebenso breit aufgestellt ist wie die Linke, die Grünen oder die SPD. Trotzdem - und da beißt die Maus keinen Faden ab - gibt es Rechtsextreme in der AfD und Kontakte weit in die rechtsextreme Szene hinein.

Die Entscheidung des BfV, die AfD zum "Prüffall" zu erklären, stützt sich u.a. auf die Erkenntnis, dass "nahezu unbestreitbar" der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke und der Publizist Landolf Ladig ein und dieselbe Person sind. Dabei wiederum stützt sich die Behörde auf die Recherchen des Soziologen Andreas Kemper, der als erster ein Buch über die AfD geschrieben hatte und dem anschließend aus verschiedenen Regionen Informationen zugekommen waren, wie er in den Westfälischen Nachrichten (WN) sagte.

Er sei bei seinen Recherchen auf Björn Höcke gestoßen, der ihm am weitesten rechts zu stehen schiene, dem er als Studienrat allerdings gute Karrierechancen innerhalb der Partei eingeräumt habe, so Kemper.

Also habe ich angefangen, tiefer zu recherchieren und bin bei ihm auf den Begriff "organische Marktwirtschaft" gestoßen - eine Abwandlung der organischen Wirtschaft der Nazis. Ich wollte wissen, woher Höckes Begriff kommt und habe nur einen einzigen Treffer bei Google gefunden - in einem Artikel von einem gewissen Landolf Ladig in der NPD-Eichsfeldstimme über ein Dorf in Thüringen, Bornhagen. Dort wohnt Björn Höcke. In dem Artikel wird sogar Höckes Wohnhaus bezeichnet. Eine Überzufälligkeit, die erklärungsrelevant ist. Ich habe also weiter geforscht, mit dem Ergebnis, dass sich jetzt das Bundesamt für Verfassungsschutz meinen Forschungen angeschlossen hat.

Wenn man Björn Höcke und Landolf Ladig in dem Gutachten (des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die AfD, Anm. d. Verf.) zusammenzählt, kommt man auf 647 Treffer in 438 Seiten. Das heißt, Höcke ist die zentrale Figur, was die Verfassungsfeindlichkeit der AfD angeht. Da spielt Landolf Ladig eine große Rolle, denn das sind die ungeschminkten Zitate von Höcke, aus einer Zeit, in der er noch nicht absehen konnte, dass er einmal bekannt werden würde.

Um das klar zu sagen: Ladigs Thesen sind radikal. Er sagt, dass Deutschland zwei Mal überfallen wurde. Erster und Zweiter Weltkrieg seien Angriffskriege auf Deutschland gewesen, weil die Deutschen so fleißig seien. Er redet von sich aufpotenzierenden Krisendynamiken, mit denen die Revolution in greifbare Reichweite rücke. Die nationale Bewegung solle sich an die Spitze dieser Revolution setzen, um dann die NS-Wirtschaftspolitik auf rassenbilogischer Grundlage wieder einzuführen.

Das ist der Ladig, von dem das Bundesamt für Verfassungsschutz sagt, dass es sich "nahezu unbestreitbar" um Björn Höcke handelt. Geschrieben bei Thorsten Heise, einem Mann, der nicht nur Verleger und NPD-Politiker ist, sondern auch mit "Combat 18"(Kampfgruppe Adolf Hitler) zu tun hat. Einem internationalem Rechtsterrorismus-Netzwerk, das Anschläge auf der ganzen Welt verübt. Heise hält dort Vorträge. Und er ist ein guter Bekannter von Höcke, hat Höcke beim Umzug geholfen, als dieser nach Bornhagen gezogen ist.

Andreas Kemper

Wer sich also mit Björn Höcke näher beschäftigt, landet bei Thorsten Heise. Der begann seine politische "Karriere" bei der "Freiheitlichen Arbeiterpartei" (FAP) und setzte seine Aktivitäten nach deren Verbot in der Szene der "Freien Kameradschaften" fort. Mittlerweile ist er im Bundesvorstand der NPD und Landesvorsitzender der Partei in Thüringen. Dort besitzt er ein Anwesen.

Ende April vergangenen Jahres geriet dieses wegen eines bundesweiten Treffens Rechtsextremer in die Schlagzeilen. Auf zwei Fotojournalisten, die dieses Treffen dokumentieren wollten, stürmten laut NDR

(…) zwei Männer, bewaffnet mit einem schweren Schraubenschlüssel und einem Baseballschläger, auf die beiden Journalisten zu. Sie flüchten im Auto, die Angreifer hinterher. Nach einer wilden Verfolgungsjagd landen die Fotografen mit ihrem Wagen im Graben. Die Angreifer gehen direkt auf die Journalisten und das Auto los, schlagen die Scheiben ein. Merlin M. bekommt einen Messerstich ins Bein, sein Kollege trägt nach einem Schlag mit dem Schraubenschlüssel eine heftig blutende Platzwunde auf dem Kopf davon. Offensichtlich haben die Angreifer es auf die Fotoausrüstung der Journalisten abgesehen. Kurz bevor sie die Kameratasche rauben, versteckt M. die Speicherkarte in seiner Socke. So gelingt es, Fotos eines Angreifers, wie er mit dem Schraubenschlüssel auf die Fotografen zurennt, zu sichern. Schweren Raub und gefährliche Körperverletzung wirft die Staatsanwaltschaft Mühlhausen den beiden Angreifern vor. Tatverdächtig sind ein Landesvorstandsmitglied der NPD in Niedersachsen, sowie ein junger Mann aus dem Umfeld Thorsten Heises.

NDR

Im November 2018 lud Heise zu einem "Zeitzeugentreffen" mit einem ehemaligen Mitglied der Waffen-SS. Thorsten Heise soll federführend gewesen sein bei der Neonazi-Terrororganisation "Combat 18", dem bewaffneten Arm des inzwischen verbotenen Netzwerks "Blood & Honour". Zu diesem gehörten laut Landeskriminalamt Thüringen auch Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.

Laut ZDF gehörten 20 Personen aus dem Umfeld des NSU zum deutschen Blood & Honour-Netzwerk, darunter vermutlich mindestens fünf V-Leute. Wird also bei der AfD der Teppich gelüftet, unter den diese unappetitlichen Verbindungen gern gekehrt werden, quillt auch der NSU heraus. Alles, was Henrik Broder dazu sagte, ist ein bißchen "du, du" in Richtung Gauland und das ganz klare Signal: Mäßigt Euch und ich wähle Euch. Eine ziemlich armselige Vorstellung für einen ansonsten so streitbaren Publizisten.