Das verbesserte Tier

Über den Vortrag von Max More

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Was Max More über Identitätsumbau vorträgt, basiert auf einem Kapitel aus dem Buch, das er gerade für den Hardwired-Verlag fertiggestellt hat. Es trägt den Arbeitstitel The Augmented Animal - Das verbesserte Tier.

Allmählich realisieren wir, daß nicht nur Geisteskranke ihre emotionale Persönlichkeit verändern müssen. Um wirklich posthuman zu werden, haben wir alle in den Griff zu kriegen, wie wir auf verschiedene Situationen reagieren.

Max More

Das ideale Rollenmodell, das ihm dazu einfällt, ist Spock, der Vulcan aus der Star-Trek-Serie, ein Muster unbeirrbarer Beherrschtheit. Um sie zu erreichen, meint der extropianische Philosoph, bedürfen wir Allzumenschlichen allerdings der Soft- und Hardware. Neben die gegenwärtigen Möglichkeiten - Hormonbehandlung, Smart Drugs, Mind Machines - werden radikal neue High-Tech-Verfahren zur emotionalen Kontrolle treten. Max Mores Vision, im Grunde eine Geschäftsidee: ein persönlicher Assistent, der seinen Namen verdient, weil er sich um unsere Persönlichkeit verdient macht - ein mood agent, der unsere Stimmungen beobachtet und Korrekturen vorschlägt.

"So ein unauffälliger, weil implantierter elektronischer Begleiter könnte zum Beispiel durch Biosensoren feststellen, wenn wir unter Streß stehen oder im Begriff sind, die Nerven zu verlieren. Und uns dann warnen." "Wie ein Ehepartner", kommentiert ein Zwischenrufer.

"Tja, wie der Tritt unterm Tisch", grinst Max und wirft Natasha Vita More einen kurzen verliebten Blick zu. "Nur daß unsere Partner uns nicht immer so unauffällig warnen können wie solche PDAs, die ja innere Stimmen wären. Außerdem werden wir für die PDAs fertige Software mit gewünschten Verhaltensmodellen kaufen können. Was besonders wichtig wäre, wenn wir unsere Emotionen schnell und effektiv an vollkommen neue, posthumane Verhältnisse anpassen müßten, für die unser gegenwärtiges Selbst noch keine Vorbilder kennt. Lange Weltraumreisen etwa."

Das Motto laute: create a self. Oder besser noch: select a self, die Auswahl gewünschter Charakterzüge aus einem breiten Angebot von Verhaltensweisen.

"Wir werden unsere Identität so frei wählen wie Kleidung. Wir werden morgens vor den Masken unserer Persönlichkeit stehen und fragen: Wer will ich heute sein?" Max More lächelt. "Unser Basis-Selbst, das reine, denkende Ich, unser gespeichertes Identitätszentrum, werden wir für praktische Zwecke in jeweils verschiedene Hüllen hochladen. In druckfeste Behälter für Raumreisen oder für Erkundungen des Meeresbodens und in andere, weichere Hüllen für gesellschaftliche Treffs oder sexuelles Vergnügen. Wobei das auch gleichzeitig geschehen kann, so daß wir synchron verschiedene Erfahrungen machen und die leicht geänderten Identitäten hinterher wieder in unser Basis-Selbst integrieren müssen. Genauso, wie man heute verschiedene Fassungen eines Manuskripts automatisch kompilieren kann."

"Ich werde", ruft ein Programmierer aus dem Publikum dazwischen, "meine Persönlichkeit dann zu einem offenen Standard erklären."

Vom Leben auf Proteinbasis zu einer proteischen Existenz? Einer fragt, was unter solchen Bedingungen die Rede von der Identität noch bedeuten könne. Inwiefern angesichts radikaler Persönlichkeitsveränderung ein Individuum es selbst bleibe? Auch in juristischer Hinsicht: Ob ein mind morph für seine vorherige Existenz zur Verantwortung gezogen werden könne, für seine Verbrechen, seine Schulden, die Verträge, die es einst als ein anderer schloß?

Mein neues Ich, lautet Max' Antwort, bleibt solange mit meinem alten verbunden, wie die Veränderungen schrittweise vor sich gehen, solange eben jene Kontinuität gewahrt wird, die auch die recht radikalen Veränderungen des Selbst innerhalb eines normalen bürgerlichen Erziehungsprozeß charakterisiere. Wichtig sei eine psychologische Kontinuität, die allmähliche Integration der neuen Charakterzüge in die alte Persönlichkeit. Auch wenn am Ende des mind morphing ein anderer Mensch stehe, der kaum noch etwas mit der Ausgangspersönlichkeit gemein habe, so verfüge dieser doch - im Gegensatz zu den Opfern von Gehirnwäschen - über die Wachstumserfahrung und das Bewußtsein souveräner Veränderung.

Und falls solche High-Tech-Selbstverbesserung dennoch von der rückständigen Mehrheit der Menschheit unter Strafe gestellt werde?

"Dann werden wir Extropianer", lacht Max More, "eben Untergrund-Psychosoftwarefabriken unterhalten."

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