Das war’s dann also mit der Demokratie in Griechenland

Seite 2: Nazis im Parlament: Trotz oder wegen eines umstrittenen Gesetzes?

Im neuen Parlament in Athen sind acht Parteien vertreten. Mit der "Griechischen Lösung" (zwölf Sitze), "Niki" (zehn Sitze) und den "Spartanern" (12 Sitze) stehen drei davon weiter rechts als die Nea Dimokratia und sind sogar rechtsextrem.

Während die "Griechische Lösung" mit der deutschen AfD vergleichbar ist, klingt das Parteiprogramm von "Niki" radikaler. Die Partei steht den russophilen Klöstern der Mönchsrepublik Athos nahe und propagiert Impfverweigerung, Abtreibungsverbot sowie eine Einschränkung der Rechte der LGBTQ-Community.

Zwischen Niki und der "Griechischen Lösung" bestehen trotz teilweiser Überschneidungen der Parteiprogramme große Rivalitäten, die eine Zusammenarbeit derzeit unwahrscheinlich machen.

Die "Spartaner", eine Partei, die im Mai nicht kandidiert hatte und in einem dreiwöchigen Wahlkampf ohne veröffentlichtes Wahlprogramm allein über die sozialen Medien den Einzug ins Parlament schaffte, outete sich noch am Wahlabend als von Ilias Kasidiaris unterstützte Partei.

Passend zum auf die Antike anspielenden Parteinamen wird sie in den griechischen Medien als Kasidiaris' Trojanisches Pferd bezeichnet.

In Wahlwerbespots der Partei wurden Ausschnitte aus dem Kinofilm "300" verwendet. Der Parteiführer Vassilis Stigas hat in seiner politischen Karriere mehrere rechte und rechtsextreme Parteien durchlaufen. Er begann als Mitglied der "Politiki Anoixi" (Politischer Frühling) des späteren Premierministers der Nea Dimokratia, Antonis Samaras.

Stigas dankte Kasidiaris ausdrücklich dafür, dass er die Partei ins Parlament gebracht habe. Die "Spartaner" haben nicht einmal Parteibüros. Für ihre Stellungnahmen nach der Wahl nutzten sie die Kanzlei eines Anwalts und Parteigenossen von Kasidiaris.

Kasidiaris sitzt als führendes Mitglied der als kriminelle Vereinigung verurteilten Neonazipartei Goldene Morgenröte im Gefängnis von Domokos. Seinen Berufungsprozess nutzte er, um auch dort medienwirksam für die Spartaner zu werben.

Trotz Haft und Verbot von Handy und Internetzugang gelang es Kasidiaris, während seiner dreijährigen Haft zahlreiche Videos und Stellungnahmen in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen. Er jubelt über "unseren Sieg" und erklärt, wie der Coup funktioniert hat.

Bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens gilt er als nicht rechtskräftig verurteilt und könnte somit eigentlich für das Parlament kandidieren. Ein eigens erlassenes Gesetz verbietet ihm lediglich, als Parteichef zu kandidieren.

Kasidiaris hat seine eigene Partei "Griechen für das Heimatland" gegründet, mit der er Umfragen zufolge gute Chancen gehabt hätte, ins Parlament einzuziehen.

Dass er die "Griechen für das Heimatland" kontrollierte, daran bestand kein Zweifel. Ergo verabschiedete die Regierung Mitsotakis kurz vor den Wahlen im Mai ein maßgeschneidertes Gesetz. Die Lex Kasidiaris sollte verhindern, dass eine Partei zu den Wahlen antreten kann, die nicht von den designierten Vorsitzenden, sondern von Schattenvorsitzenden kontrolliert wird, die nicht als Vorsitzende kandidieren dürfen.

In Griechenland entscheidet das oberste Strafgericht, der Areopag, über die Zulassung von Parteien. Als ein Richter der für die Zulassung von Parteien zuständigen Abteilung des Gerichts öffentlich Zweifel an der Verfassungskonformität des Gesetzes äußerte, besserte die Regierung nach. Demnach wird fortan das Plenum der Areopag-Richter mit eingebunden.

Regierung vorgeführt

Der Fall der Spartaner zeigt, wie leicht es Kasidiaris war, alle Gesetze zu umgehen und die Regierung vorzuführen. Angesichts der heutigen parlamentarischen Allmacht der Regierung steht er auch pars pro toto dafür, was alles schieflaufen kann, wenn eine Regierung die warnenden Stimmen der Opposition nicht hören will.

Im laufenden Wahlkampf traten die Spartaner mit großen Plakaten von Kasidiaris auf. Der Inhaftierte selbst veröffentlichte nach seinem Einzug ins Parlament über seine Social-Media-Accounts ein Foto, das ihn im Gefängnis mit einem T-Shirt der Spartaner zeigt (https://www.ieidiseis.gr/ellada/204106/spartiates-kasidiaris-pos-stithike-to-diktyo-tis-mayris-propagandas-sta-social-media).

Es rächt sich nun, dass die Nea Dimokratia sich geweigert hat, auf die Vorschläge der Oppositionsparteien einzugehen und nationalsozialistische Parteien generell zu verbieten, anstatt die Kandidatur von Kasidiaris mit einer Flickschusterei von Gesetzen zu verhindern.

Dies wird nun von einigen Politikern und Kommentatoren diskutiert. Die Zulassung zur Wahl soll nachträglich widerrufen, die Partei verboten und die bei der Wahl gewonnenen Mandate auf die anderen Parteien verteilt werden.

Jeder, der ein "legitimes Interesse" habe, könne einen solchen Antrag stellen, erklärte der stellvertretende ND-Vorsitzende und neue Arbeitsminister Adonis Georgiadis.

Auch Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou äußerte Bedenken. Viele Parteien zeigen sich schockiert über die Präsenz von zwölf Nazis im Parlament, haben aber selbst im Wahlkampf größtenteils nationalistische Narrative bedient. Doch was würde ein nachträgliches Verbot der Partei bringen?

Nach Ansicht des Juraprofessors Spyros Vlachopoulos müssten nach einem solchen Verbot die Wahlen wiederholt werden.

Dann, so Vlachopoulos, könnte anstelle der "Spartaner" nach dem gleichen Muster eine "Athener" Partei ins Parlament einziehen. Man könne, so Vlachopoulos, "den Fehler nicht mit einem möglicherweise noch größeren Fehler korrigieren".

Die Demokratie in Griechenland hat nicht nur im Parlament ihre Probleme. Auch in der Justiz, einem der Grundpfeiler demokratischer Staatssysteme, hapert es.

Wenn jetzt darüber diskutiert wird, die Wahlzulassung der Spartaner nachträglich zu annullieren, muss man sich fragen, warum im Wahlkampf und bei der Wahlzulassung niemand darauf geachtet hat, dass die meisten Kandidaten vorher Mitglieder von Kasidiaris Partei waren.

Die Spartaner nutzten für ihren Wahlkampf die Website von Kasidiaris Partei sowie deren Accounts in den sozialen Medien.

Hätte die Justiz schneller gearbeitet, wären die Verfahren gegen Kasidiaris, der seit 2013 unter Anklage steht, bereits abgeschlossen. Der Prozess gegen die Goldene Morgenröte begann zwei Jahre nach der Anklageerhebung im Jahr 2015. Erst im Oktober 2020 wurde das Urteil in erster Instanz gesprochen. Die offizielle Begründung für die lange Verzögerung lautet: "Es gab keine geeigneten Gerichtssäle".

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