Davos-Elite: Weltrettung aus der Business-Perspektive

Seite 2: Gretchenfrage: Wer ist verantwortlich für die Krisenkaskaden?

Tatsächlich ist die Elite, die sich in Davos jedes Jahr stellvertretend für weltweit mächtige Unternehmen, Verbände und Regierungen, aber auch Meinung machende Institutionen trifft, hauptverantwortlich für die multiplen Krisen, in denen wir uns befinden. Aber die Botschaft, die von Davos über die Medien jedes Jahr ausgesendet wird, ist eine andere: Wir sehen die Probleme in der Welt. Wir werden jetzt zusammen daran arbeiten, sie zu lösen.

So schildert Tagesschau.de, wie WEF-Gründer Schwab deprimiert feststellen muss, dass die Stimmung im Moment gedrückt sei. Alle steckten in einem "Krisen-Denkschema". Daraus müsse man sich befreien. "Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt" lautet daher das Motto des Treffens.

Das ist die eigentliche Funktion des Davoser Treffens: Den Eindruck zu erwecken, dass die, die das Steuer der Welt in den Händen halten, schon dafür sorgen werden, dass es weiter bergauf geht und die Welt in den Fugen bleibt, trotz aller Krisen.

Statt die Krisen dabei zu leugnen – was angesichts der Realitäten aus PR-Sicht ein Kommunikationsdesaster heraufbeschwören würde –, wird pragmatisches Krisen-Management angeboten. So werden seit ein paar Jahren vom WEF "Global Risks Reports" veröffentlicht. Letztes Jahr warnte der Risikobericht vor einer ganzen Reihe von Bedrohungen, die den Fortbestand der Menschheit gefährden. Dazu zählten die Effekte der Corona-Pandemie, die wachsende soziale und globale Ungleichheit sowie Cyberrisiken. Ganz oben auf der Liste stand sogar die eskalierende Klimakrise.

Dieses Jahr geht es um steigende Energie- und Lebensmittelpreise. Sie könnten laut Bericht – für den rund 1.000 Experten und Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft, Regierungen und der Zivilgesellschaft befragt werden – in den nächsten zwei Jahren weiter hoch bleiben und die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung der Armut und der Klimakrise beeinträchtigen.

Es sei "der erste Rückschritt in der Menschheitsentwicklung seit Jahrzehnten" zu befürchten, inklusive Wirtschaftskriegen, wuchernder Inflation, diversen Verwerfungen bis hin zur Gefahr eines Atomkriegs, heißt es.

Was bei all diesen Analysen und Risiko-Assessments geflissentlich übergangen wird, ist: Wer ist verantwortlich für die Misere? Wer profitiert von ihr weiter? Und: Wie könnten die Misere-Macher endlich effektiv gestoppt werden?

Statt diese Fragen zu stellen oder gar zu beantworten, was sehr unangenehm für die Davos-Elite ausginge, wird selbstgefällige Zerknirschung über den Weltlauf oder weichgespülter Optimismus verbreitet, je nachdem, ob die Geschäfte laufen oder nicht.

Dabei vermarktet sich das Forum zugleich als Weltrettungs-Instanz. So anmaßend (wenn auch faktisch richtig) der Anspruch der Davos-Elite ist, die Weltwirtschaft zu repräsentieren (sprich: zu kontrollieren), so verlogen und hohl sind die Versprechen, die auf dem Forum immer wieder gemacht wurden.

Man erinnere sich an die hochtrabenden Reden des damaligen britischen Premierministers Tony Blair im Jahr 2005, als er auf dem Weltwirtschaftsforum über die Notwendigkeit eines Schuldenerlasses und mehr Hilfe für notleidende Entwicklungsländer sprach.

Daraus ist nichts geworden. Auch die Allianzen und Ankündigungen, die Weltkonzerne jetzt propagieren, werden Seifenblasen bleiben. Es sind dieselben Autohersteller, Zementproduzenten und Energieunternehmen, die seit langem schon von "grünen Märkten" und Business-Chancen, die sich aus dem Klimaschutz ergeben sollen, mit glänzenden Augen sprechen, aber in der realen Welt nur an sich und ihre kurzfristigen Gewinne denken.

Die Klimaaktivistin und Umweltschützerin Vanessa Nakate aus Uganda sieht Davos

dominiert von einer reichen Elite aus dem globalen Norden, die aus dieser Sicht über globale Probleme redet. Die Chefs von Öl- und Gaskonzernen werden eingeladen, um ihr Geschäft grünzuwaschen. Es ist schwer, nach einer Woche in Davos nicht zynisch zu werden über die Aussichten für Klimagerechtigkeit.

Diese Einschätzung deckt sich mit dem Ergebnis einer Studie von 23 Fachautoren verschiedener Disziplinen. Danach sind die in Davos sich versammelnden Eliten der Welt nicht nur nicht Teil der Lösung, sondern Hindernis für echten Fortschritt und damit Teil des Problems. Kevin Anderson, Klimaforscher und einer der Autoren der Studie, sagt:

Ihr Interesse besteht darin, Macht zu erhalten. Es geht ihnen nicht darum, auf ökologische oder soziale Herausforderungen zu reagieren. Diese Gruppe ist auch gar nicht dazu fähig. Sie können nicht aus ihrer Haut, um bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen. Und doch reden sie so, als ob sie es könnten. ... Wir brauchen also eine Mobilisierung von unten, die uns aus dieser Sackgasse, in der wir stecken, herausführen kann.

Das Weltwirtschaftsforum ist vor allem ein PR-Event der Mächtigen. Es soll die Menschen darüber hinwegtäuschen, dass die Davoser "Weltrettung aus der Business-Perspektive" wenig bis gar nichts mit dem zu tun hat, was die Menschheit dringend benötigt. Der Kampf für eine bessere Welt wird jedenfalls nicht in einem Schweizer Kurort gekämpft und gewonnen.

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