Davy Crocketts Little Feller - Mini-Nukes? Alles schon mal dagewesen!

Wer die eigenen Zeiten gerne unter "Schlimmer geht's nimmer" abhaken möchte, findet in der Vergangenheit den einen oder anderen Gegenbeweis

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Manchmal beschleicht einen ja unweigerlich das Gefühl, in den dümmsten Zeiten zu leben, die die Geschichte je gesehen hat. Gegen die Suggestivkraft dieser Empfindung hilft nicht viel, außer vielleicht ein Blick auf die Vergangenheit

So kann man bei der Suche nach der MOAB auf eine Waffe stoßen, die glücklicherweise ausgemustert ist, deren geschichtlich verbürgte Existenz aber wahrhaftig an der geistigen Gesundheit ihrer Konstrukteure zweifeln lässt - das ist zwar im militärischen Bereich nicht allzu selten, hier aber doch besonders deutlich der Fall. Die Rede ist von der kleinsten bekannten Nuklearwaffe bisher, dem Sprengkopf W 54, der am häufigsten in einem Gerät namens "Davy Crockett" Verwendung fand.

Die Davy Crockett (so benannt nach dem amerikanischen Volkshelden), die man vielleicht als eine Art überdimensionierte nukleare Panzerfaust beschreiben könnte, sollte das Problem lösen, wie gegnerische Infanterieverbände von kleinen, beweglichen Einheiten auf einen Schlag vernichtet werden konnten. Wenn man sich das Design der Waffe ansieht, dann scheint es einen Konsens gegeben zu haben, dass Himmelfahrtskommandos zu diesem Zweck am besten geeignet seien.

Denn der Einsatz der Davy Crockett wäre in nahezu jedem denkbaren Fall für die abdrückenden Soldaten lebensgefährlich gewesen. Der Plutonium-Sprengkopf, der allein nur wenig mehr als 23 Kilogramm und mit der Abschussvorrichtung ca. 34,5 Kilogramm auf die Waage brachte (ohne Dreifuß) hatte zwar nur eine relativ geringe Sprengkraft, die von 0,01 Kilotonnen (oder 10 Tonnen TNT) bis zu maximal 1 Kilotonne (1000 Tonnen TNT) reichte. Aber seine Detonation hätte eine erhebliche Menge an Strahlung und Fallout freigesetzt. Die für die feuernden Soldaten mit Sicherheit tödliche Minimalreichweite betrug nur 400 Meter, mit dem stärksten verfügbaren Abschussgerät konnte der Sprengkopf ca. 4 Kilometer weit verschossen werden.

Der Sprengkopf war mit einem Zeitzünder versehen und konnte nach dem Abschuß nicht mehr am Detonieren gehindert werden.

Die Davy Crockett hätte vor allem gegen sowjetische Panzerverbände zum Einsatz kommen sollen. Funktionsprüfungen der "Atombazooka" gehörten zu den letzten atmosphärischen Nukleartests der USA: "Little Feller I" vom 17. Juli 1962 bestand im Abschuss einer Davy Crockett, es wurde eine erzielte Sprengkraft von 0,018 Kilotonnen gemessen

Das Waffensystem war von 1961 bis 1971 in Gebrauch und wurde danach ausgemustert, weil sich bei nichtnuklearen Testschüssen herausgestellt hatte, dass die Zielvorrichtung fehlerhaft arbeitete. Eine ebenfalls mit dem W 54 bestückte Mine, die Special Atomic Demolition Munition (SADM), gedacht für die Sprengung von Brücken, Tunneln und Autobahnen war bis 1988 im Einsatz

Interessanterweise scheint der Davy Crockett auf sowjetischer Seite nie etwas Vergleichbares gegenübergestanden zu sein, jedenfalls verfügten die amerikanischen Geheimdienste nicht über entsprechende Erkenntnisse.

Es versteht sich von selbst, dass eine fast schon putzig wirkende Waffe wie diese heute noch ihre Fans hat. Wer will, kann Modellbauern im Internet bei der Nachkonstruktion einer jeepgestützten Version der Waffe zusehen. Aber natürlich dürfen sich auch all diejenigen, die die nuklearen Kampfhandlungen der Zukunft mit Mini-Nukes (vgl. Das Pentagon will neuartige taktische Atombomben) überschaubar und handhabbar halten wollen, durch die Davy Crockett und den W 54-Sprengkopf inspiriert fühlen. Und spätestens da hört jede Form von Putzigkeit radikal auf.