Deals in Hinterzimmern
Die Situation in Afghanistan ist zu gefährlich für Wahlbeobachter
Wenige Wochen vor der Wahl in Afghanistan am 9.Oktober fordert die Organisation Afghanistan Research and Evaluation Unit in einem gestern veröffentlichten Lagebericht einen verstärkten Einsatz von internationalen Wahlbeobachtern. Das Risiko, dass der Wahlausgang manipuliert würde und der Wahlsieger nur über wenig Legitimität verfüge, sei sehr groß.
Die Stimmzettel seien bereits vorbereitet; in jeder Bäckerei würden Wahlkampfposter in den Fenstern hängen. Die Kandidaten seien eifrig dabei, sich gegenseitig in den landesweit ausgetragenen Radiosendungen zu beleidigen: Zum ersten Mal seit den 60er Jahren bereitet sich Afghanistan auf eine landesweite Wahl vor, aber, so zitierte die pakistanische Zeitung "PakTribune" bereits vergangenen Freitag den Direktor des in Kabul ansässigen "Think Tanks" Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU), Andrew Wilder: "Die politische Umgebung ist im Moment sehr ungewiss und ändert sich schnell". Spekulationen über Deals seien gang und gebe:
Die Deals in den Hinterzimmern werden wahrscheinlich den Wahlausgang bestimmen.
Andrew Wilder.
Ein "Rezept" für Wahlbetrug.
Vorgestern legte die "unabhängige Forschungsorganisation", so die Selbstbeschreibung von AREU einen genaueren Bericht zur Situation in Afghanistan drei Wochen vor den anberaumten Wahlen nach. "Frei, gerecht oder fehlerhaft: Herausforderungen für legitime Wahlen in Afghanistan", heißt das Papier, welches angesichts der sich ständig verschlimmernden Sicherheitslage in Afghanistan und der Konsequenzen, die sich daraus für die Durchführung der Wahlen ergeben, eine Strategie empfiehlt, die bereits in anderen post-conflict societies wie Ost-Timor, Bosnien und Kambodscha angewendet wurde: den massiven Einsatz ("flooding") von Wahlbeobachtern, national und international, an den Wahllokalen. Ansonsten, so der AREU-Bericht, sei es wahrscheinlich, dass lokale Polizei und Milizen unter den wachsamen Augen des ortsansässigen warlords auf die "korrekte Durchführung" der Wahlen achten würden: ein "Rezept" für Wahlbetrug.
Bislang seien weniger als 150 internationale Beobachter "wahrscheinlich". Von den 200 Millionen US-Dollars, die man bislang für die Vorbereitungen zur Präsidentschaftswahl ausgegeben habe, sei nicht einmal eine halbe Million für die nationalen Wahlbeobachter ausgegeben worden; mit der Rekrutierung von den 100.000 Afghanen, die man benötigen würde, um für genügend offene Wahllokale zu sorgen, haben man eben erst begonnen und das nur sehr kärglich. Die Hälfte dieser Helfer sollte lesen und schreiben können, der Anteil der Frauen bei 50% liegen: die Verfasser des Berichts nennen dies eine "monumentale Aufgabe", die Hilfe benötige, denn jedes Wahllokal, das nicht geöffnet werden kann, jede Wahlurne, die nicht genau überprüft werden kann, jede Gewalt, die im Wahllokal ausbrechen kann, würde der Wahl die Legitimität entziehen. Schon vor zwei Wochen machte die Organisation for Security and Co-operation in Europe (OSCE) darauf aufmerksam, dass die unsichere Situation in Afghanistan jede bedeutende Wahlbeobachtung verhindere.
Zu gefährlich für Wahlen
Die Wiener Organisation, welche bereits internationale Wahlbeobachter in mehreren emerging democracies stellte, entschied, dass das Risiko in Afghanistan zu groß sei, um die "üblichen Aufgaben" dort zu erledigen . Man will höchstens eine Handvoll Leute dorthin schicken, ein support team, das sich "jeden Kommentars" zu den durchgeführten Wahlen enthalten wird. Auch die EU will nur ein kleines Expertenteam schicken, das die Durchführung nicht kommentieren wird.
Ein "Spähtrupp" der OSCE, der Afghanistan im Juli besucht hat, kam zu folgendem Ergebnis:
Die gegenwärtigen und in naher Zukunft absehbaren Verhältnisse in Afghanistan sind deutlich unterhalb des Standards, der mindestens nötig wäre, um eine Wahlbeobachtung zu leisten, die den Namen verdient hat.
Seit Juli aber hat sich die Lage in Afghanistan noch verschlimmert. Der Anschlag auf Präsident Karzai vor ein paar Tagen machte dies noch einmal deutlich. Im Grunde, so Andrew Wilder von der Afghan Research and Evaluation Unit, sei ein Umfeld, das zu gefährlich für Wahlbeobachter ist, auch "zu gefährlich für Wahlen".