Debatte ums Elterngeld: Wie mit falschen Zahlen Stimmung gemacht wird
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Große Aufregung über die Pläne, das Elterngeld einzuschränken. Alle möglichen Argumente werden vorgetragen, doch einige sind nicht ganz richtig. Ein Faktencheck.
Beim Elterngeld ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Am Mittwoch hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) angedeutet, dass sich die aktuellen Pläne in den Beratungen noch ändern könnten.
Nun hat auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärt, den im Kabinett beschlossenen Sparhaushalt noch einmal ändern zu wollen. Insbesondere die geplanten Kürzungen beim Elterngeld und beim Pflegezuschuss sollen nicht unverändert bleiben, sagte er in der Sendung RTL Direkt. Mit der SPD solle es keinen Sozialabbau im Haushalt geben. Und er betonte, dass es kluge Entscheidungen benötige, anstatt mit dem Rasenmäher alle möglichen Kürzungen vorzunehmen.
Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 wurde am Mittwoch nach langen Diskussionen vom Bundeskabinett beschlossen. Die Ausgaben sollen im Vergleich zum laufenden Jahr um 30,6 Milliarden Euro auf 445,7 Milliarden Euro sinken. Mit diesem Sparkurs soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten werden. Trotzdem liegen die Gesamtausgaben im Jahr 2024 immer noch 25 Prozent über dem Vorkrisenniveau von 2019.
Die geplanten Kürzungen beim Elterngeld haben bereits Kritik von Verbänden hervorgerufen. Speziell die Verringerung des Kreises der Elterngeldberechtigten stößt auf Widerstand. Durch die Senkung der Einkommensgrenze von derzeit 300.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen pro Paar auf künftig 150.000 Euro hätten rund 60.000 Familien keinen Anspruch mehr auf die staatliche Lohnersatzleistung während der Elternzeit.
Institut verwendet falsche Bezugsgröße
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte am Mittwoch erklärt, dass deutlich mehr Familien von den Kürzungen betroffen sein könnten. Anhand von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) ermittelte das IW, dass rund 435.000 Paare unter 50 Jahren in Deutschland leben, die ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von gemeinsam mehr als 150.000 Euro haben. Von diesen Paaren waren demnach 125.000 unverheiratet und 310.000 in einer Ehe.
Die Altersgrenze von 50 Jahren, die bei der IW-Auswertung gewählt wurde, verzerrt allerdings die Sachlage. Denn unter den Männern waren im Jahr 2019 nur sechs Prozent über 44 Jahre alt, als sie Vater wurden. Und bei den Frauen waren es nur 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hatte.
Weiter heißt es beim Statistischen Bundesamt:
Väter von Erstgeborenen (der Mutter) waren im Jahr 2019 im Durchschnitt 33,1 Jahre alt. Bei Frauen, die 2019 zum ersten Mal Mutter wurden, betrug das Durchschnittsalter 30,1 Jahre. Die Eltern der Zweitgeborenen waren jeweils um 2 Jahre älter: 35,2 beziehungsweise 32,2 Jahre. Beim dritten Kind (der Mutter) betrug das durchschnittliche Alter der Väter 36,6 Jahre und das der Mütter 33,2 Jahre.
Diese Zahlen legen nahe, dass die Zahl der Familien, die von einer Kürzung des Elterngeldes betroffen sind, deutlich kleiner ist. Das Gros der Eltern über 40 Jahren dürfte keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben, da es in der Regel nur für 14 Monate gezahlt wird.
SPD wittert Sozialabbau – echt jetzt?
Fraglich ist zudem, ob mit der Verringerung der Einkommensgrenze wirklich ein Sozialabbau betrieben wird, wie es der SPD-Generalsekretär Kühnert behauptet hat.
Legt man ein Haushaltseinkommen von 150.000 Euro brutto im Jahr zugrunde, dann bleibt der Familie – grob geschätzt – 7.200 Euro im Monat zum Leben. Hat das Paar zu dem Zeitpunkt noch keine Kinder, dann ist es laut IW-Einkommensverteilung reicher als 96 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Lebt zu diesem Zeitpunkt ein Kind mit im Haushalt, dann ist die Familien immer noch wohlhabender als 91 Prozent der Menschen in Deutschland und wohlhabender als 92 Prozent der Paare mit Kindern. Und bei zwei Kindern im Haushalt sind immer noch 86 Prozent der Gesamtbevölkerung und 87 Prozent der Familien mit Kindern ärmer.
In einem solchen Fall von Sozialabbau zu sprechen, spricht nicht von Sachkenntnis. Denn Empfänger von Bürgergeld erhalten faktisch kein Elterngeld. Sie haben zwar Anspruch darauf, aber es wird vollständig als Einkommen angerechnet und vom Bürgergeld abgezogen. Als Lohnersatzleistung kann das Elterngeld auch nicht anders gedacht werden.
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