Deeskalation oder nur Atempause?

Videogespräch zwischen Biden und Putin. Bild: kremlin.ru

Nach dem Tele-Gipfel zwischen Kreml und Weißem Haus ist eine Verständigung zwischen den USA und Russland weiterhin ungewiss

Am Dienstagabend fand ein mit großen Erwartungen verknüpfte Videogespräch zwischen Wladimir Putin und Joseph Biden statt. Die beiden Präsidenten unterhielten sich etwa zwei Stunden über das US-russische Verhältnis.

Bislang sind nur wenige Aspekte des Gesprächsinhalts näher bekannt geworden. Es wurden einige der im Raum stehenden Anschuldigungen wiederholt, offenbar scheint es aber auch zu Annäherungen in wichtigen Punkten gekommen zu sein.

So etwa soll US-Präsident Biden erneut die "Besorgnis der USA" über den angeblichen russischen Plan, im Januar in die Ukraine "einzumarschieren" geäußert haben, die Moskau wiederum als Fake News der US-Geheimdienste bezeichnet.

Der US-Präsident drohte hier mit neuen Sanktionen gegen Russland, sollte es zu einer solchen Invasion kommen, während Putin die Beschuldigungen zurückwies. Im Anschluss an das Treffen erklärte das Weiße Haus, dass man nicht davon ausgehe, dass eine solche Invasion der Ukraine bereits beschlossen worden sei.

Putin wiederholte in dem Gespräch, dass Moskau daran interessiert ist, feste rechtliche Garantien zu erhalten, dass die von den USA geführte Nato nicht weiter nach Osten expandieren oder offensive Waffensysteme in den an Russland angrenzenden Ländern, zu denen auch die Ukraine gehört, einsetzen wird. Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Regierung in Kiew für eine "destruktive" Politik, die darauf abziele, die Friedensabkommen in der Ostukraine zu unterminieren.

Ferner schlug Putin vor, alle gegenseitigen Sanktionen und verhängten Einschränkungen für den Betrieb von Botschaften und Konsulaten aufzuheben und damit die diplomatischen Aktivitäten zu normalisieren. Ob es hier zu einem Einlenken der USA kommen wird, wurde nicht bekannt.

Gemeinsame Themen und Gespräche über Abrüstung

Gemeinsamkeiten wurden indes hinsichtlich der Bekämpfung der Internetkriminalität sowohl auf technischer als auch auf Strafverfolgungsebene deutlich, ebenso in der Kooperation in der Gesundheitspolitik. Einzelheiten hierüber wurden nicht berichtet.

Aufgrund fehlender Informationen steht eine abschließende Bewertung über Erfolg oder Misserfolg noch aus. Die russischen Medien reagierten grundsätzlich positiv auf den Online-Minigipfel. Zumindest rede man wieder miteinander, was Anlass zu Hoffnung gebe, so ein vielfach geäußertes Urteil.

So zitiert etwa die russische Nachrichtenagentur Tass den Politikwissenschaftler Maxim Suchkow vom Russian International Affairs Council (RIAC) mit den Worten, dass "Biden versuchen wird, das Ergebnis des Gipfels als diplomatischen Sieg darzustellen, indem er behauptet, er habe Putin mit ernsthaften Maßnahmen gedroht und ihm zu verstehen gegeben, was er nicht tun dürfe".

Dabei habe aber Moskau kein Interesse daran, die Spannungen zu erhöhen, sondern wolle seine roten Linien deutlich machen. Dem Experten zufolge ist der Kreml weiterhin besorgt, dass Kiew bei einer Verschärfung des Konflikts versuchen könnte, auf einen Nato-Beitritt zu drängen.

Der deutsche Politikwissenschaftler Alexander Rahr, Historiker und Forschungsdirektor beim Deutsch-Russischen Forum, schätzte die Unterredung gegenüber der Rossijskaja Gaseta als "sehr nützlich" ein. "Beide Seiten müssen sich noch genauer zu den Ergebnissen äußern, aber ich hoffe, dass er wirklich zur Deeskalation beitragen wird", so Rahr.

Positiv bewertete dieser wie auch zahlreiche andere Beobachter, dass Putin und Biden "über Abrüstung und die Situation rund um das iranische Atomprogramm gesprochen haben", was ein gutes Zeichen sei, "ebenso wie die Tatsache, dass das Gespräch etwa zwei Stunden dauerte."