Dekarbonisierung der Industrie in Deutschland kommt kaum voran

Die Industrie hinkt den eigenen Klimazielen hinterher und senkt CO2-Emissionen kaum.

(Bild: DimaBerlin / Shutterstock.com )

Deutsche Firmen setzen sich ehrgeizige Klimaziele. Doch bei der Umsetzung hapert es gewaltig. Warum ausgerechnet die wichtigste Branche am stärksten hinterherhinkt?

Der Klimawandel schreitet voran, doch die deutsche Wirtschaft kommt bei der Dekarbonisierung nur langsam voran. Das zeigen zwei aktuelle Studien von KPMG Deutschland und PwC. Während sich viele Unternehmen ambitionierte Klimaziele setzen, hapert es vielerorts noch an der Umsetzung.

Dekarbonisierung: Wo stehen Deutschlands größte Unternehmen?

Laut der "Dekarbonisierungsstudie 2024" von KPMG bekennen sich 66 Prozent der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland zu langfristigen Zielen für ihre direkten und indirekten CO2-Emissionen.

Dabei handelt es sich um Emissionen in den Kategorien Scope 1 und Scope 2. Erstere beziehen sich auf den Ausstoß von Treibhausgasen in firmeneigenen Heizkesseln, der eigenen Fahrzeugflotte oder technischen Prozessen. Scope-2-Emissionen entstehen dagegen beispielsweise bei der Erzeugung von zugekauftem Strom, Fernwärme oder Fernkälte sowie von zugekauftem Dampf.

Während sich also zwei Drittel der Unternehmen verpflichten, diese Emissionen zu reduzieren, hinkt mehr als die Hälfte (57 Prozent) diesen Zielen hinterher. "Die Dekarbonisierung der deutschen Industrie scheitert nicht am Willen", resümiert KPMG-Experte Benedikt Herles. Allerdings täten sich viele Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Ziele noch schwer.

Deutlich weniger ambitioniert sind die Unternehmen dagegen bei den Scope-3-Emissionen. Sie entstehen zum Beispiel durch eingekaufte Waren und Dienstleistungen, den Transport und die Distribution von Produkten oder durch das Pendeln der Mitarbeiter.

Sie können bis zu 90 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens ausmachen. Doch nur jedes dritte Unternehmen setzt sich laut KPMG auch klare Ziele, um sie zu reduzieren.

Finanzbranche mit Vorsprung, Chemie- und Materialwirtschaft im Rückstand

Besonders groß ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Chemie- und Materialwirtschaft. Hier sind nach eigenen Angaben nur 16,7 Prozent der Unternehmen bei den Scope-1- und Scope-2-Emissionen auf Zielkurs. Besser sieht es im Finanzsektor aus, wo immerhin 66,7 Prozent im Plan liegen. Insgesamt sind die Emissionen der untersuchten Unternehmen für 0,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Ein besonderes Sorgenkind ist die für Deutschland so wichtige Industrie. Eine Befragung von 30 Top-Entscheidern durch KPMG ergab, dass 63 Prozent der Industrieunternehmen noch kein konkretes Datum für das Erreichen der Klimaneutralität oder Emissionsfreiheit festgelegt haben.

Klimawandel als Chance für Wettbewerbsfähigkeit

Dabei sieht die Mehrheit die Anpassung an den Klimawandel und die notwendige Transformation auch als Chance: Mehr als die Hälfte der Befragten ist überzeugt, dass sie ihre Wettbewerbsposition verbessern wird. Nur elf Prozent befürchten negative Auswirkungen auf die langfristige Profitabilität. Als Hebel zur Wertsteigerung werden unter anderem Energiemanagement, grüne Produktinnovationen und Kreislaufwirtschaft gesehen.

Doch nicht nur in Deutschland besteht Handlungsbedarf. Der "Net Zero Economy Index 2024" von PwC zeigt, dass sich die globale Dekarbonisierung verlangsamt. Die Dekarbonisierungsrate der CO2-Emissionen im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum lag 2023 bei nur 1,02 Prozent – der niedrigste Wert seit mehr als einem Jahrzehnt. Um die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, wäre laut PwC eine Rate von 20,4 Prozent pro Jahr nötig.

Erneuerbare Energien wachsen, aber fossile Brennstoffe dominieren

"Die Folgen einer Überschreitung von 1,5 °C sind nicht abstrakt. Sie übersetzen sich in reale Verluste – an Leben, Eigentum und Lebensgrundlagen", warnt PwC-Partner Gunther Dütsch.

Zwar ist die installierte Leistung erneuerbarer Energien von 2022 auf 2023 erneut um vierzehn Prozent auf einen Rekordwert gestiegen. Aber auch der weltweite Verbrauch fossiler Energieträger stieg um 1,5 Prozent. Er droht, die Gewinne aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien zunichtezumachen.

PwC fordert die Industrieländer auf, Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Energiewende stärker zu unterstützen – finanziell und technologisch. Während die G-7-Staaten ihre CO2-Emissionen im Jahr 2023 um 5,31 Prozent reduzierten, stiegen sie in den sieben größten Schwellenländern (E7) leicht an. Das Zeitfenster, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, schließe sich, so PwC. Nötig seien "sofortige, anhaltende und gerechte Maßnahmen".