Dem Klima geht es immer schlechter
Ein Kommentar
Als ich im Januar 1993 in der ARD vor einem Millionen-Publikum zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr die erste große Dokumentation zum Thema Klimawandel und Energiewende zeigte, hat die Welt pro Jahr um die 22 Milliarden Tonnen Treibhausgase emittiert. Jetzt, 26 Jahre und 25 Weltklimakonferenzen später, emittieren wir um die 40 Milliarden Tonnen pro Jahr. Das einzige Ergebnis: Dem Klima geht es immer schlechter.
Trotz aller Diskussionen über dieses Top-Thema der Weltpolitik: Wir bewegen uns noch immer in die falsche Richtung. Weder die Politik, noch die Medien, noch die Gesellschaft, noch die Wirtschaft nehmen das Überlebensthema der Menschheit - so wie es die Klimawissenschaft inzwischen beurteilt - ernst genug.
Alle Regierungen der Welt haben sich in Paris 2015 völkerrechtlich verpflichtet, die Erderhitzung bei 1,5 Grad, höchstens aber bei zwei Grad zu stoppen. In Wirklichkeit aber gehen wir zurzeit global auf fünf bis sechs Grad zu, das sind an Land bis zu acht Grad.
Die Klimaforscher sagen heute, dass sie sich nur an einem Punkt geirrt haben: Die Klimaerhitzung kommt weit rascher und heftiger als bisher vermutet.
Die Wissenschaft hat das Problem nicht über-, sondern unterschätzt. Nicht 2050, sondern 2030 müssen wir klimaneutral wirtschaften, wenn wir noch das Schlimmste verhindern wollen. Doch die deutsche Bundesregierung hat soeben ein Klimapaket vorgelegt, das seriöse Klimaforscher als "Witz" bezeichnet haben.
Aber das Thema sei doch inzwischen in der Gesellschaft angekommen - die Grünen verbessern doch ständig ihre Wahlergebnisse, höre ich. Vorsicht bei diesem Argument. Auch nach Fukushima lagen die Grünen bei Umfragen zweitweise bei 28% - so ähnlich wie jetzt. Doch zwei Jahre später bei der Bundestagwahl bekam die Öko-Partei 8,4% der Stimmen. Das könnte sich wiederholen. Wie ich darauf komme?
Nach den alarmierenden Berichten des Weltklimarats zu den Themen Klimaerhitzung, Artensterben, Eisschmelze und dramatischer Anstieg des Meeresspiegels bat mich die Tageszeitung "Die Welt" um einen Kommentar zu diesen Themen. Ich beschrieb nüchtern die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft. Die Zeitung fragte daraufhin ihre Leser: "Teilen Sie die Meinung des Autors?" Ergebnis: 98 Ja-Stimmen, aber 317 Nein-Stimmen.
Es geht dabei nicht um meine Meinung, sondern schlicht um Physik und um Wissenschaft bei der Überlebensfrage der Menschheit. Doch drei Viertel der Leserinnen und Leser dieser konservativen Zeitung verdrängen, verleugnen und verbiegen lieber die Fakten als sie zur Kenntnis zu nehmen. Sie "meinen" oder "glauben" etwas, aber wollen nichts wissen.
Und die Medien?
Ein sehr auflagenstarkes Magazin bat mich ebenfalls um einen Artikel zu diesem aktuellen Thema. Wieder beschrieb ich die Fakten. Der Artikel wurde diesmal gar nicht publiziert. Die Redakteurin schickte ihn zurück mit dem Kommentar, er sei zu "alarmistisch".
300 Jahre nach der Aufklärung ist sehr vielen Menschen, auch bei vielen Journalisten, ihre "Meinung" oder ihr "Glaube", ihr Vorurteil oder ihre Ideologie viel wichtiger als die unbequemen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir brauchen eine Aufklärung der Aufklärung. Ohne zweite Aufklärung sind wir nicht mehr zu retten aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Das was uns - vielleicht - noch retten könnte, nennt der Dalai Lama "Herzensbildung" oder "universelle Verantwortung". Wir sind gegenwartsversessen und zukunftsvergessen. Populärer ausgedrückt: Nach uns die Sintflut! Viele wollen sich einfach nicht mehr vorstellen, was wir anstellen. Eher handeln wir wie die drei berühmten japanischen Affen: Nichts sehen, nichts hören und: Klappe halten. Und wählen wie schon die Großeltern.
Was muss noch passieren bis wir aufwachen? Soeben sagte eine Bekannte: "Das Wort Klimaschutz kann ich gar nicht mehr hören". Diese Haltung wird aber das Klima sehr jucken.
Mehr von Franz Alt auf der Sonnenseite.com.
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