Demokratie-Albtraum in Rumänien: Die Hintergründe der Kampagne

Eine halbgeöffnete Tür hinter der Menschen vor einem Podium sitzen

Die Spur der Kampagne führt zur Regierungspartei PNL

(Bild: LCV/Shutterstock.com)

Rumänien wird von einem Demokratieskandal erschüttert. Wie Recherchen zeigen, könnte die Regierungspartei hinter der ominösen Tiktok-Kampagne stecken. Eine Spurensuche (Teil 2 und Schluss)

Dies ist der zweite und letzte Teil des Artikels. Zu Teil 1 geht es hier.

Die liberalkonservative Regierungspartei PNL beauftragte die Firma Kensington Communication mit der Bezahlung von 130 kooptierten Influencern.

Dies geschah über die Plattform Fame Up – sie kreierten auch eine Kampagne und überfluteten die Netzwerke mit einem entsprechenden Hashtag, so die Recherchen von Snoop.

Kensington Communication entschuldigte sich in einer ersten Stellungnahme, ohne zu sagen, von wem sie bezahlt wurden, lässt sich aber mit dem vielsagenden Eingeständnis zitieren: "Sollte die Kampagne zugunsten des einen oder anderen Kandidaten geklont oder missbraucht worden sein, bitten wir die zuständigen Stellen, dies zu überprüfen und die notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten".

Insgesamt legen die Enthüllungen den Verdacht nahe, dass Georgescu durch vorgefertigte Einflussskripte gezielt unterstützt werden sollte und wurde.

Keine der beteiligten Parteien bestreitet bisher, dass es sich um einen der größten Demokratieskandale der europäischen Geschichte handelt – die komplette Annullierung einer Präsidentschaftswahl ist ein Novum in der europäischen Rechtsgeschichte.

Mit langjähriger Erfahrung zum Erfolg

Interessant ist ein Blick auf das ausführende Organ: Während der rumänische Geheimdienst von einem Firmengeflecht und einer rumänisch-südafrikanischen Zusammenarbeit schwadroniert und selbst die FAZ anmerken musste, dass dafür bisweilen die Beweise fehlen, gibt Snoop mit Kensington Communications eine politische Beratungsfirma als Urheber an.

Kensington verspricht wörtlich erfolgreiche politische Kampagnen, Analysen, Reden und Kommunikationshilfen – gegen Bares, versteht sich.

Geführt wird Kensington von einem Duo: Catalin Dumitru und dem weniger bekannten Razvan Sandulescu. Zumindest Dumitru ist eine illustre Figur. Dumitru wurde in Zusammenarbeit mit der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung ausgebildet (darauf weist er bei jeder Gelegenheit stolz hin).

Darüber hinaus war er von 2005 bis 2007 als Präsidialberater im Bukarester Rathaus tätig, hat Kommunikationswissenschaften studiert und wird als Gründer von Kensington genannt. Auf seinem Linked-In-Profil gibt er außerdem an, in den USA und der EU als Journalismus-Professor tätig gewesen zu sein, für die New York Times und Euronews gearbeitet zu haben und verschiedene Präsidenten Rumäniens und der Republik Moldau beraten zu haben.

Sandulescu wiederum stellt die Brücke zur PNL dar: Nach eigenen Angaben arbeitete er von 2000 bis 2004 für die PNL als leitender PR-Berater und Mitglied des Wahlkampfteams. Er verfügt über 22 Jahre Erfahrung in der Politikberatung. Laut Berichten von RT handelte es sich bei der Kensington-Kampagne nach eigenen Angaben nicht um eine Wahlkampagne, sondern um eine Kampagne zur Stärkung liberaler Werte (z.B. Kampf gegen Drogenkonsum).

Der Schuss scheint nach hinten losgegangen zu sein: Statt die PSD zu schwächen und Wähler zur PNL zu ziehen, hat sie die Rechte gestärkt. Ob dies von Anfang an nicht beabsichtigt war und der parlamentarische Coup das Ziel war, können wohl nur die wahren Hintermänner verraten.

Demokratie in der Krise

Stand anfangs nur der Verdacht im Raum, das prowestliche Parteiensyndikat habe einen Vorwand gesucht, um sich des unliebsamen Konkurrenten zu entledigen, so stellt sich die Situation heute entscheidend anders dar. Sie haben ihn nicht gesucht – man kann davon ausgehen, dass sie den Anlass selbst geschaffen haben!

Sollten sich die Berichte über Kensington und die Recherchen von Snoop zur Finanzierung bewahrheiten, bliebe noch eine letzte Frage offen: Hat die PNL die Kampagne bewusst finanziert, um die Wahlen zu vereiteln, oder wollte sie mit der Kampagne ursprünglich ein anderes Ziel erreichen und hat sich verkalkuliert?

In jedem Fall wäre die Wahlfarce nicht Georgescu anzulasten und eine komplette Annullierung müsste erneut von der Wahlbehörde und dem Obersten Gerichtshof geprüft werden. Eine vollständige Rehabilitierung der Reputation Georgescus erscheint dennoch schwierig.

Zu tief scheinen die Seilschaften zwischen Justiz, Geheimdienst und dem willfährigen staatlichen Parteienapparat im gemeinsamen Handeln.

Im Klartext: Die Regierungspartei um die PNL und Noch-Präsident Klaus Johannis stehen im Verdacht, eine Kampagne inszeniert und bezahlt zu haben, um den russlandfreundlichen Kandidaten auszuschalten.

Im geopolitischen Kampf gegen Russland, schließlich hatte Georgescu die Verbindung zu Moskau wiederherstellen und die Ukraine eindämmen wollen, scheint jedes Mittel recht. Gedeckt von den Nato- und EU-Granden, auch nach den Snoop-Enthüllungen, war sich die transatlantische NZZ nicht zu schade, alte Mythen der Wahlmanipulation wiederzukäuen.

Den beiden Politikern Yanis Varoufakis und Martin Sonneborn ist zuzustimmen, wenn sie vor dem Hintergrund der Causa Johannis erklären: "Es war schon schlimm genug, dass sie (die PNL) eine Wahl annulliert hat, weil ihr das Ergebnis nicht passte. Jetzt stellt sich heraus, dass es in Wirklichkeit noch viel schlimmer ist".

Sowie abschließend Sonneborn via X: "Es bleibt lustig in Rumänien: Am 1. Tag seiner verfassungswidrigen Amtszeit hat der rum. Präsident Klaus Johannis mitgeteilt, dass russische Einflussnahme leider immer noch sehr, sehr schwer nachzuweisen sei. Weniger schwer war es offenbar für die rumänische Steuerbehörde, die Finanzierung der inkriminierten TikTok-Kampagne zu seiner eigenen Partei PNL (EVP) zurückzuverfolgen."

So lustig das klingt, so bitterernst ist die Lage: Die Angriffe sind Fußtritte gegen die Demokratie und müssen im Spiegel des Kampfes gegen Russland und die chinesische App TikTok gesehen werden.