Russische Drohnen treffen Rumänien: Wie reagiert die Nato?
Auf die Region Odessa abgefeuerte Kamikaze-Drohnen treffen immer wieder Rumänien. Das Land ist Mitglied der Nato. Was könnte im Ernstfall daraus folgen?
Russische Drohnenangriffe gehören mittlerweile zum traurigen Alltag in den Regionen der Ukraine, die bevorzugte Ziele der Moskauer Kriegsführung sind. Etwa in der Nacht vom 12. auf den 13. September zählte das Luftwaffenkommando der ukrainischen Streitkräfte 44 Kamikaze-Drohnen iranischer Bauart, von denen laut den Angaben 32 abgeschossen worden seien.
Zwölf hatten demzufolge ukrainische Ziele getroffen. Die exilrussische Zeitung The Insider beziffert den durchschnittlichen russischen "Drohnenverbrauch" vom Typ Shahed seit September 2022 auf durchschnittlich mehr als fünf pro Tag.
Ziel sind die Ausfuhrhäfen für Getreide
Die meisten Drohnen wurden nicht nur in dieser Nacht zum Angriff auf ukrainische Häfen in der Region Odessa eingesetzt – zur Unterbindung des ukrainischen Getreidehandels. Wegen Beschränkungen in der Getreideausfuhr über benachbarte EU-Staaten ist die Ukraine auf die Lieferung über ihre Küste weiter angewiesen.
Ein Ziel der Drohnen ist etwa der Hafen von Reni an der Donau. Was die Lage dort besonders gefährlich macht: Reni befindet sich am Nordufer des Flusses, in dessen Mitte die Grenze zum Nato-Land Rumänien liegt. Das Südufer ist rumänisch und deswegen in unmittelbarer Umgebung des Kampfgebietes. Auch andere Zielpunkte liegen ähnlich grenznah.
Zum dritten Mal in zehn Tagen wurde nach einer Meldung des rumänischen Verteidigungsministeriums am 13. September das Wrack einer russischen Angriffsdrohne auf rumänischem Staatsgebiet gefunden. Ihr Ziel war offenbar Reni gewesen.
Warum es die Stadt nicht erreicht hatte, dafür gibt es viele mögliche Erklärungen, die im Einzelfall auch voneinander abweichen können: Die Drohne kann eine Fehlfunktion haben, von Flugabwehrfeuer getroffen und abgestürzt oder elektronisch absichtlich gestört worden sein. Wenn die Drohne ihr eigentliches Ziel nicht trifft, ist es immer möglich, dass ihre explosive Ladung oder ihre Trümmer an anderer Stelle Schäden anrichtet.
Rumänisches Außenministerium bestellt Botschafter ein
Als Reaktion darauf bestellte das rumänische Außenministerium den russischen Botschafter ein und verkündete diese Vorladung öffentlich. Es brachte nach eigenen Worten gegenüber dem Diplomaten seinen starken Protest gegen die Verletzung des rumänischen Luftraums zum Ausdruck.
Die Nato-Verbündeten wurden vom Ministerium über die Ereignisse an der Grenze informiert. Die Vorladung ist nicht die erste im September, bereits am 10. September berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass von einem ähnlichen Vorgang.
Ist die Vorladung des Botschafters eher ein diplomatischer und symbolischer Protest, so wächst bei vielen auch die Angst einer anderweitigen Eskalation als Folge des unfreiwillig grenzüberschreitenden Drohnenkrieges. Der Kreml scheint nicht gewillt, nur aufgrund solcher Protestnoten seine Angriffe einzustellen.
Noch übt sich die Nato nach einer Sitzung ihres Rats vom 13. September in Ruhe, da offensichtlich ist, dass die Drohnen nicht absichtlich in den rumänischen Luftraum gelangen. Ob aber bei mehr Einschlägen in Rumänien die Reaktionen heftiger werden, bleibt abzuwarten.
Rumänen bauen Bunker
Die Rumänen richten inzwischen im Grenzgebiet Sicherheitszonen ein und bauen neue Luftschutzbunker. Generell ist es nicht außergewöhnlich, dass bei Kriegen in nicht beteiligten Nachbarstaaten Luftraumverletzungen stattfinden. Die neutrale Schweiz zählte im Zweiten Weltkrieg über 6.500 derartige Vorfälle, wobei auch 56 Flugzeuge auf Schweizer Gebiet abstürzten und sogar Luftkämpfe mit Schweizer Beteiligung stattfanden, ohne dass das Land in den Krieg gezogen wurde.
Brisanter als im historischen Vergleich ist jedoch aktuell die Tatsache, dass Rumänien Mitglied der Nato ist, die im Ukraine-Krieg die Kiewer Seite aktiv unterstützt. So ist hier durchaus Nervosität berechtigt.
Währenddessen geht auch der ukrainische Drohnenkrieg gegen Russland weiter. Allein am Donnerstag meldete das russische Verteidigungsministerium die Zerstörung von elf Drohnen über der Halbinsel Krim, zwei sollen gegenüber der russischen Region Brjansk abgeschossen worden sein.
In der Hafenstadt Sewastopol gab es Treffer auf zwei große Militärschiffe. Über nicht abgeschossene Drohnen, die in ein militärisches Ziel trafen, schweigen sich die russischen Verlautbarungen – ebenso wie die der Gegenseite – meist aus, oder stellen die Schäden als geringfügig dar.